Mit MOSFETs aus Siliziumkarbid (SiC) schlägt Bosch Mobility Solutions aktuell ein neues Kapitel im eigenen Produktportfolio auf und setzt beim Vertrieb auf die Automotive Business Unit von Rutronik. Bosch fertigt seine SiC-MOSFETs in der unternehmenseigenen Halbleiterfabrik am Standort Reutlingen, wo auch die Technologieentwicklung und das Produktdesign angesiedelt sind. Diese kurzen Kommunikationswege sorgen dafür, dass Feedback von nachgelagerten Prozessschritten prompt erfolgen kann und so Prozessqualität und Produktqualität stetig Verbesserung erfahren.
Hochvolt-robust im neu entwickelten Gehäuse
Die SiC-MOSFET-Reihe BT1Mxx wird nach AEC-Q101 qualifiziert und speziell für Automobilanwendungen entwickelt, die das schnelle Schalten hoher Leistungen erfordern. Leistungselektronische Systeme profitieren von hohen Schaltfrequenzen, denn sie ermöglichen dadurch den Einsatz von kleineren passiven Bauelementen wie Induktivitäten und Kondensatoren. In der Summe führt das zu mehr Effizienz, höheren Leistungsdichten und kleineren Bauvolumina. Die besondere Widerstandsfähigkeit des verwendeten Gateoxids sowie die Kurzschluss- und Avalanchefestigkeit sorgen für eine verlässliche Performance.
Die Bauteile mit den Spannungsklassen 1200 V und 750 V kommen als erstes auf den Markt (Tabellen 1 und 2). Sie adressieren Leistungselektroniken mit Systemspannungen um typisch 400 V beziehungsweise 800 V. Die 650-V-Klasse adressiert Bosch mit der neuen Bauteilgeneration nicht. Die Leistungsschalter sind entweder gehäust oder als ungehäuste Dies (Bare Dies) erhältlich. Die Bare Dies zielen auf den Einsatz in Invertermodulen, während die Typen im Package sich zum Beispiel für den Einsatz in On-Board-Ladegeräten und bei DC/DC-Wandlern in elektrischen Fahrzeugen eignen.
Das neu entwickelte Gehäuse TO263-7 (D2-PAK-7) bedient Entwicklungen für die Oberflächenmontage, das bewährte und weit verbreitete TO247-4 Design ist die Wahl für Durchstecktechniken. Das D2-PAK-7-Gehäuse zeichnet sich durch eine vergrößerte Kriechstrecke zwischen Rückseitenkontakt und Anschlusspins aus (Bild 1). Anwender können so hochvoltfeste Applikationen realisieren, ohne dass spezielle CTI-Anforderungen zu erfüllen sind.B
Bei beiden Gehäusen ist jeweils über einen Pin eine Kelvin-Source herausgeführt (Bild 2). Dieser dient als Referenz für die Steuerspannung und hilft etwaige Einflüsse der Source-Induktivitäten auf die Schaltgeschwindigkeit zu eliminieren, da diese andernfalls zu einem Potenzialversatz (VL) führen würden.
Dual-Channel-Trench-Gate-Technologie
Für ein Plus an Effizienz sorgt die eigens entwickelte Dual-Channel Trench-Gate-Technologie (Bild 3). Diese erlaubt die niederohmige Auslegung der MOSFETs sowie einen niedrigen internen Gate-Widerstand von weniger als 1 Ω. Damit sind die Voraussetzungen für eine hohe Steilheit (di/dt) des Laststromes gegeben, was wiederum zu einer Reduktion der Schaltverluste führt und hohe Schaltfrequenzen ermöglicht.
Allerdings hat schnelles Schalten auch Nebenwirkungen. Die steilen Schaltflanken regen Schwingkreise aus unvermeidbaren parasitären Induktivitäten und Kapazitäten zu Aus- und Einschwingvorgängen an, mit Spitzenwerten von Strom und Spannung, die die Komponenten in der Schaltung überlasten können. Dazu trägt jeder SiC-MOSFET mit seinen internen Kapazitäten und Induktivitäten mit bei. Zur Verbesserung eignet sich ein zusätzlicher externer Widerstand in der Gate-Leitung, der einen Kompromiss zwischen Schaltgeschwindigkeit und Schwingneigung erlaubt (Bilder 4 und 5).
Stabile Performance für Automobilanwendungen
Eine optimierte Auslegung und die hohe Qualität des verwendeten Gateoxids ermöglichen einen weiten Steuerspannungsbereich des Gates von -5 V bis +18 V, für kurze Pulse sogar von -11 V bis +25 V. Dieser Gate-Spannungsbereich führt in Verbindung mit der hohen Gate-Threshold-Spannung von 3,5 V zu einem sehr guten Sicherheitsabstand gegenüber ungewolltem Einschalten. Zur Ansteuerung eignen sich isolierte Gate-Driver aus dem Portfolio von Rutronik wie zum Beispiel STGAP1AS von STMicroelectronics, BM61xx von Rohm oder 1EDI2010AS von Infineon.
Die Miller-Ratio wurde ebenfalls optimiert und hält mit einem typischen Wert von 1 Rückwirkungen des Ausgangs auf das Gate auf einem Minimum. Damit ist auch bei hohen Spannungssteilheiten (dV/dt) am Drain-Anschluss sicheres Schalten ermöglicht.
Gerade für die Leistungselektronik in Fahrzeugen ist ein sicheres Verhalten unter allen Umständen gefordert. Im Zusammenspiel mit aktuellen Treiberschaltungen erfordert dies einen Leistungsschalter, der einen lastseitigen Kurzschluss für typisch 3 µs ohne Beschädigung übersteht. Diese Zeit wird benötigt, um Schutzschaltungen den Kurzschluss erkennen zu lassen und die Laststromabschaltung auszulösen. Eine weitere Erhöhung dieser Kurzschlusszeit hätte eine Erhöhung des Einschaltwiderstandes (RDSon) zur Folge, was zu einem unerwünschten Leistungsverlust führt. Die Bosch-SiC-MOSFETs sind auf die Einhaltung der 3 µs-Dauer bei gleichzeitig bestmöglichem RDSon optimiert (Bild 6).
Warum SiC?
Größere Schaltleistung, höhere Spannung, geringer Platzbedarf, niedriges Gewicht und hoher Wirkungsgrad: das sind Anforderungen an Leistungselektronik und die maßgeblichen Parameter für die Bauteil-Auswahl für Anwendungen wie industrielle Motorsteuerungen, regenerative Stromerzeugung und Elektromobilität. Dabei sollen Kosten und Aufwand minimal und die Qualität der Applikationen gleichzeitig maximal ausfallen. Fiel die Wahl bisher meist auf Silizium-Bauteile (Si), bieten Komponenten auf SiC-Basis vor allem ab einer Spannung von 600 V wesentliche Vorteile:
Die thermische Leitfähigkeit von Siliziumkarbid liegt fast um das Dreifache höher als bei Silizium. Damit eignet sich SiC für höhere Betriebstemperaturen. Weniger Verlustwärme beim Einsatz von SiC-Leistungshalbleitern bedeutet gleichzeitig einen höheren Wirkungsgrad und kleinere Kühlkörper, was den Platzbedarf in der Applikation und ihr Gewicht verringert. Damit prädestiniert sich SiC für den Einsatz im Automotive-Umfeld. Entsprechend ist der Markt für Siliziumkarbidanwendungen aktuell äußerst dynamisch.
Marktdurchdringung voraussichtlich ab 2024
Bosch erwartet, dass die Nachfrage nach SiC trotz der – im Vergleich zu Si – höheren Anschaffungskosten steigen wird. Das Potenzial geringerer Systemkosten, vor allem durch Erhöhung des Wirkungsgrades und Verkleinerung der passiven Komponenten sorgt für eine akzeptable Amortisierung. Langfristig erwartet der Hersteller eine Senkung der Preise für SiC-Produkte.
Im Reutlinger Werk werden Kapazitäten geschaffen, um die Bedarfe nach SiC-Lösungen zu erfüllen. Dazu gehört auch, dass individuelle Kundenwünsche bei der Bauteileauslegung Berücksichtigung finden – bei entsprechenden Abnahmemengen. Das eröffnet auch für die Automotive Business Unit von Rutronik vielfältige Geschäftsfelder. So kann der Distributor noch spezifischere und angepasste Produktlösungen präsentieren. Für die nächsten drei Jahre sieht Rutronik den Anwendungsschwerpunkt von Siliziumkarbid im Automotive-Segment. Wirtschaftsprognosen sprechen von einem dann zu erwartenden Marktwert von knapp zwei Milliarden US-Dollar. Die Markteinführung von Bosch erfolgt sukzessive. Muster und Verfügbarkeiten können über Rutronik angefragt werden.
(na)