Bild 1: Um einen Normally-OFF-Betrieb zu erlauben, sind die SiC-JFETs und ein Si-MOSFET als Kaskode in Reihe geschaltet. Der MOSFET-Chip ist physikalisch auf dem JFET-Source-Pad gestapelt.

Bild 1: Um einen Normally-OFF-Betrieb zu erlauben, sind die SiC-JFETs und ein Si-MOSFET als Kaskode in Reihe geschaltet. Der MOSFET-Chip ist physikalisch auf dem JFET-Source-Pad gestapelt. (Bild: UnitedSiC)

Das Wachstum bei der Einführung von Elektrofahrzeugen verläuft inzwischen exponentiell. Laut der Studie „Global EV Outlook 2019“ der Internationalen Energieagentur waren im Jahr 2018 über fünf Millionen Elektro-Pkw auf den Straßen unterwegs, 63 Prozent mehr als im Jahr 2017, wobei die Zahl in nur zehn Jahren 250 Millionen erreichen soll. Dies entspricht dem EV30@30-Szenarium, in dem von der achten Ministerkonferenz für saubere Energie ein Marktanteil von 30 Prozent für Elektrofahrzeuge an der Gesamtheit aller Fahrzeuge (außer Zweirädern) bis 2030 als Ziel gesetzt wurde.

Dieser Anstieg hängt jedoch von einer verbesserten Ladeinfrastruktur und den zu erwartenden technologischen Fortschritten zur Senkung der Fahrzeugpreise sowie, was besonders wichtig ist, zur Erhöhung der Reichweite ab. Die Batterie- und Motorenhersteller stoßen bei der Nutzung bekannter Technologien an physikalische Leistungsgrenzen. Jedoch gibt es im Antriebsstrang, wo die Batterieenergie in Drehstromleistung für die Motoren umgewandelt wird, einen naheliegenden Aufrüstungspfad weg von den bisherigen Entwicklungen. Dieser besteht in der Verwendung von Wide-Bandgap-Halbleitern (WBG) wie Siliziumkarbid (SiC).

SiC ebnet den Weg zu besserer Reichweite

Heute wird es immer wahrscheinlicher, dass Elektrofahrzeuge (EVs) SiC in ihrer Leistungselektronik enthalten und damit die ältere IGBT-Technologie verdrängen. SiC-Schalter waren jedoch nicht immer die ideale Lösung: SiC-JFETs sind unbequeme selbstleitende (Normally-ON)-Bausteine, und SiC-MOSFETs haben sehr spezielle Anforderungen an die Gate-Treiber, wobei die Gate-Schwellenspannung stark mit der Temperatur schwankt. Außerdem weisen SiC-MOSFETs einen beträchtlichen Einschaltwiderstand für die in 400-V- und 800-V-Antriebssträngen benötigten Nennspannungen auf. Dies führt zu hohen Leitungsverlusten bei den betreffenden Stromstärken, die typischerweise über 100 A liegen.

Der Einschaltwiderstand von SiC-MOSFETs variiert ebenfalls mit der Temperatur, ebenso wie bei Si-MOSFETs, und verdoppelt sich typischerweise beim Anstieg von 25 °C auf 175 °C. Es ist hinreichend bekannt, dass SiC bei sehr hohen Frequenzen schalten kann, was kleinere zugehörige magnetische Komponenten möglich macht. Jedoch ist in Anwendungen im EV-Motorantrieb der Motor das magnetische Element, der für Drehmoment und Leistung dimensioniert ist, weshalb die Schaltfrequenz oft auf weniger als 10 kHz eingestellt und der Wert von SiC in Frage gestellt ist. Die schnellen Flankenraten von SiC-Schaltern führen im Vergleich zu IGBTs mit ihren langen „Tail“-Strömen bei diesen Frequenzen zwar immer noch zu geringeren Schaltverlusten, aber die Leitungsverluste sind nach wie vor problematisch.

Manche EV-Anwendungen haben die Technologie jedoch bereits aufgegriffen; Batterieladegeräte, Hilfs-DC/DC-Wandler und Halbleiterschutzschalter haben von SiC bei niedrigeren Leistungsstufen profitiert. Entwickler von Antriebsstrang-Leistungen haben jedoch auf Fortschritte der SiC-Technologie in Richtung eines akzeptabel niedrigen Einschaltwiderstands, einer besseren Robustheit und einer einfacheren Anwendung gewartet. Jetzt ist ein Durchbruch in der Leistungsfähigkeit gelungen, der all diese Probleme angeht – die aktuellste Generation von SiC-FETs oder der „gestapelten Kaskoden“ (Stacked Cascodes) von UnitedSiC.

Der SiC-FET im EV-Antriebsstrang

Was sind gestapelte Kaskoden? Das Prinzip einer Reihenschaltung eines Hochspannungs-SiC-JFET mit einem optimierten Niederspannungs-Si-MOSFET. Wenn die Gate-Spannung hoch ist, schließt der MOSFET die Gate-Source des JFET kurz, wodurch er eingeschaltet wird. Ist die Gate-Spannung niedrig, steigt die Drain-Spannung des MOSFET an, aber nur bis zu dem Punkt, an dem der JFET abgeschaltet wird, bei ungefähr 10 V. Das Ergebnis ist ein Normally-OFF-Baustein mit einfacher Ansteuerung des Gates und mit allen Vorteilen von SiC als WBG-Halbleiter: niedriger Einschaltwiderstand, Hochspannungs- und Hochtemperaturbetrieb und ein integrierter Body-Diodeneffekt mit sehr guten Reverse-Recovery-Eigenschaften. Der MOSFET-Chip ist physikalisch auf dem JFET-Source-Pad gestapelt, wie in Bild 1 dargestellt.

Tabelle 1: Eine Auswahl von SiC-FETs mit Einschaltwiderständen zwischen 8,6 mΩ (1200 V) und 6,7 mΩ (650 V), alle untergebracht im TO-247-Gehäuse.

Tabelle 1: Eine Auswahl von SiC-FETs mit Einschaltwiderständen zwischen 8,6 mΩ (1200 V) und 6,7 mΩ (650 V), alle untergebracht im TO-247-Gehäuse. UnitedSiC

Die Idee der Kaskoden gibt es schon seit der Zeit der Vakuumröhren, aber JFET-Versionen erreichen jetzt bei hohen Nennspannungen Einschaltwiderstände, die dem idealen Schalter nahekommen. Um einige Zahlen zu nennen: Tabelle 1 zeigt eine Auswahl von SiC-FETs von UnitedSiC mit RDS(on)-Werten von nur 8,6 mΩ für einen 1200-V-Baustein und 6,7 mΩ für einen 650-V-Baustein, beide bei 25 °C. Alle sind im TO-247-Gehäuse untergebracht, einige mit 4-Leiter-Kelvin-Anschlüssen für eine optimale Gate-Ansteuerung.

Minimierte Leitungsverluste, die sich aus den niedrigen RDS(on)-Werten ergeben, sind nur ein Teil der Geschichte; niedrige Werte für die Ausgangskapazität COSS und die Schaltenergie EON und EOFF reduzieren die Verluste ebenfalls. Und es kommt noch besser: Schalter mit induktiven Lasten, wie zum Beispiel Motorantrieben, müssen „kommutieren“, also Rückleitung zulassen. In IGBT-Schaltungen ist eine Hochspannungs-Paralleldiode erforderlich, um den Rückstromfluss zu ermöglichen. Dies verursacht Mehrkosten, und die Dioden müssen eine hohe Leistung bei minimalem Reverse-Recovery-Energieverlust aufweisen. Si-MOSFETs enthalten eine integrierte Rückwärtsdiode, aber es handelt sich um eine Lösung mit relativ schlechter Leistung mit einem hohen Vorwärtsspannungsabfall und erheblichen Recovery-Verlusten.  Der SiC-FET ermöglicht hingegen eine Rückwärtsleitung durch den Kanal ohne Reverse-Recovery-Effekte und mit einem geringen Vorwärtsspannungsabfall, effektiv über den bereits niedrigen Einschaltwiderstand. Der gestapelte Si-MOSFET im Gehäuse leitet ebenfalls in Rückwärtsrichtung, aber da es sich um einen optimierten Niederspannungstyp handelt, ist sein Bodydioden-Abfall gering, und er trägt daher auch wenig zu den Rückkopplungsverlusten bei.

Unter dem Strich zeigen die SiC-FETs der aktuellsten Generation jetzt geringere Verluste als der klassische IGBT-Ansatz, mit zusätzlichen Nebenvorteilen. Tabelle 2 zeigt sorgfältig berechnete Verluste bei sechs Leistungsstufen im Vergleich zwischen einem aktuellen IGBT-Modul- Paralleldioden-Ansatz nach dem Stand der Technik einerseits und SiC-FET-Versionen andererseits.

Der mit dem SiC-FET-Ansatz erzielte Wirkungsgrad ist durchweg um etwa ein Prozent besser als bei IGBTs, was in den gezeigten Beispielen einer fast vierfachen Reduzierung der Verlustleistung bei dem typischen 100-kW-Niveau und einer fast dreifachen Reduzierung bei 200 kW entspricht. Bei EV-Anwendungen bedeutet dies, dass mehr Energie für eine größere Reichweite verfügbar ist und der Kühlbedarf niedriger ist. Das führt zu einem kleineren und leichteren Kühlkörper, und in der Folge zu einer geringeren Belastung des Fahrzeugs und einer höheren Reichweite – ein positiver Kreislauf.

Eine Frage der Zuverlässigkeit

Tabelle 2: Sechs berechnete Beispiele für Leistungsstufen mit SiC-FETs im Vergleich zur IGBT-Lösung. Mit SiC liegt der Wirkungsgrad durchgängig um ein Prozent höher als beim IGBT.

Tabelle 2: Sechs berechnete Beispiele für Leistungsstufen mit SiC-FETs im Vergleich zur IGBT-Lösung. Mit SiC liegt der Wirkungsgrad durchgängig um ein Prozent höher als beim IGBT. UnitedSiC

Die Wide-Bandgap-Technologie ist verhältnismäßig neu, und es gab verständliche Bedenken hinsichtlich der praktischen Zuverlässigkeit. SiC-FET-Bauteile der aktuellsten Generation verfügen jetzt über umfangreiche Testdaten und verwenden ausgereifte Produktionsprozesse, um Robustheit zu bieten. SiC-FETs haben insbesondere eingebaute Vorteile: über die inhärente Hochtemperaturfähigkeit von Siliziumkarbid hinaus besitzen SiC-FETs eine selbstbegrenzende Avalanche-Drain-Spannungscharakteristik, wobei der Kanal bei Überspannung selbst vorgespannt in den aktiven Modus geht und so transiente Energie bis zu mehreren Joule absorbiert.

SiC-FETs sind zudem widerstandsfähig gegen Kurzschlüsse. Ein hoher Strom durch den Kanalwiderstand erzeugt eine negative JFET-Gate-Vorspannung, die dazu neigt, den Baustein auszuschalten. Durch Eigenerwärmung reduziert der positive Temperaturkoeffizient des Kanalwiderstands dann den Kurzschlussstrom weiter.

Durch diesen Effekt lassen sich SiC-FETs leicht zu einem automatischen Stromausgleich parallelschalten, was durch die relative Unempfindlichkeit der Schwellenspannung des gestapelten MOSFET sowie der Reverse-Recovery-Charakteristik gegenüber Temperaturänderungen zusätzlich unterstützt wird.

Andere EV-Anwendungen

SiC-FETs eignen sich darüber hinaus sehr gut für den Einsatz in Schnellladegeräten, wo sie sowohl in PFC-Frontends als auch in der DC/DC-Hauptwandlerstufe Spitzenwirkungsgrade bieten, typischerweise unter Verwendung phasenverschobener Vollbrücken- oder LLC-Topologien. Die Ausgangsgleichrichtung in Hochspannungsladegeräten wird wegen ihres geringen Abfalls und des Fehlens von Reverse-Recovery-Verlusten häufig mit SiC-Dioden realisiert, da die Synchrongleichrichtung (SR) mit Si-MOSFETs bei hoher Spannung komplex ist und keine Verluste gegenüber Dioden einsparen kann.

Eine SR unter Verwendung von SiC-FETS mit niedrigem RDS(on) kann jedoch ausschlaggebend sein, nachdem UnitedSiC zeigt, dass der Baustein UF3C065007K4S bei 100 A, 50 Prozent Tastverhältnis und 125 °C einen Verlust von nur 45 W im Vergleich zu 100 W bei einer typischen SiC-Diode aufweist. SR eröffnet ferner die Möglichkeit eines bidirektionalen Stromflusses, so dass die EV-Batterie beispielsweise für den Lastausgleich von Versorgungsunternehmen Strom in das Netz zurückführen kann, mit entsprechendem finanziellen Nutzen.

Eck-Daten

SiC-FETs haben mit der aktuellsten Generation von Bauelementen mit niedrigem Einschaltwiderstand viele Vorbehalte gegen die Verwendung von Wide-Bandgap-Halbleitern in anspruchsvollen Anwendungen im Antriebsstrang von Elektrofahrzeugen ausgeräumt. Als Kaskode geschaltet liegt der Wirkungsgrad im Vergleich zum IGBT durchgängig um ein Prozent höher, was einer vierfachen Reduzierung der Verlustleistung gleichkommt. Beim Thema Zuverlässigkeit punkten SiC-FETs neben der Temperaturbeständigkeit mit einer selbstbegrenzenden Avalanche-Drain-Spannungscharakteristik und mit hoher Widerstandsfähigkeit gegen Kurzschlüsse.

Halbleiter-Schutzschalter stellen angesichts der obligatorischen Vorschrift, die Batterien während der Wartung und im Fehlerfall isolieren zu können, eine wichtige Anwendung in EVs dar. JFETs finden hier mit ihrer Normally-ON-Charakteristik eine natürliche Heimat.

Pluspunkt Rückwärtskompatibilität

Da die UnitedSiC-SiC-FETs im drei- und vierpoligen TO-247-Gehäuse erhältlich sind, können sie einen Drop-in-Ersatz für viele IGBTs und Si-MOSFETs in Motorantrieben darstellen, was zu einer hohen Effizienzsteigerung mit geringen Änderungen in der Schaltung führt, abgesehen vielleicht von Gate-Treiber-Widerständen zur Anpassung der Schaltflanken. Die Anforderungen an die Gate-Ansteuerspannung sind unkritisch, typischerweise 0 – 12 V, und es könnten weitere Vorteile in Betracht gezogen werden, zum Beispiel die Reduzierung vorhandener Dämpfungsglieder für geringere Verluste sowie sogar das Weglassen von Paralleldioden in Designs, die ursprünglich auf IGBTs basierten.

Anup Bhalla

Vice President of Engineering bei UnitedSiC

(na)

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