Das Batteriemanagement-System (BMS) überwacht in Echtzeit die Leistungsfähigkeit der einzelnen Batteriezellen eines Elektrofahrzeugs (EV). Durch die effektive Überwachung jeder einzelnen Zelle kann ein Mikrocontroller im EV die ordnungsgemäße Funktion sämtlicher Zellen sicherstellen und die Last gleichmäßig aufteilen. Aber wo liegen die Unterschiede zwischen leitungsgebundenen und kabellosen BMS-Lösungen und wie lässt sich die beste Option für ein EV-Design finden?
Verteilte BMS in E-Autos
Die Batteriesätze in elektrifizierten Automobilen können Spannungen von 800 V und mehr liefern, um dem hohen Leistungsbedarf des Wechselstrom-Traktionsmotors gerecht zu werden. Folglich sind im Fahrzeugchassis potenziell 100 oder noch mehr Lithium-Ionen-Zellen in Reihe geschaltet. Derartige Hochspannungs-Akkusätze verlangen nach immer ausgefeilteren Techniken, um auf sichere, zeitnahe und zuverlässige Weise Diagnoseinformationen zu den einzelnen Zellen bereitzustellen. Eine gängige Designtechnik besteht in der Implementierung eines verteilten Batteriemanagement-Systems, das durch das Zusammenschalten mehrerer hochgenauer Batteriemonitore auf separaten Leiterplatten auch für Batteriesätze mit sehr vielen Zellen geeignet ist.
In einer leitungsgebundenen BMS-Lösung ist es durch Daisy-Chaining der einzelnen Batteriemonitore mithilfe eines Twisted-Pair-Kabels möglich, die aus jedem einzelnen Batteriezellen-Modul gesammelten Daten weiterzuleiten. Im Gegensatz zu einem leitungsgebundenen BMS wird bei einer kabellosen Lösung eine drahtlose Kommunikations-Schnittstelle verwendet. Bild 1 zeigt ein typisches verteiltes BMS für EVs mit Spannungen von 400 V bis 800 V.
In Bild 1 ist ein Subsystem zu sehen, das die Host-MCU (Mikrocontroller) beherbergt und per CAN (Controller Area Network) mit der Steuereinheit des Fahrzeugs verbunden ist. Der Mikrocontroller veranlasst die einzelnen Batteriemonitore, die mit den einzelnen Batteriemodulen verbunden sind, dazu, die jeweiligen Spannungen und Temperaturen zu erfassen. Abhängig davon, wie viele Kanäle die Batteriemonitore unterstützen, lassen sich für Hochspannungs-Batteriesätze beliebig viele Einheiten zusammenschalten, die alle schnell mit der Host-MCU kommunizieren müssen.
Weitere Merkmale des Systems, die nach Überwachungs- und Kommunikationsfunktionen verlangen, sind die Ansteuerung des Hochspannungs-Relais, um bei Nichtgebrauch des Fahrzeugs eine sichere Unterbrechung der Hochspannungs-Verbindung zu gewährleisten, sowie die Strommessung, um den Lade- und Betriebszustand des Batteriesatzes berechnen zu können.
Leitungsgebunden oder kabelloses BMS?
Kernthema ist dabei die Kommunikation zwischen den einzelnen, mit dem Batteriesatz verbundenen Batteriemonitor-Bausteinen und der Host-MCU. Beide Lösungsvarianten arbeiten mit den Batteriemonitoren der BQ796xx-Familie. Bei der typischen leitungsgebundenen Lösung sind die Batteriemonitor-Bausteine nach dem Daisy-Chain-Prinzip über ein zwischen den Batteriemodulen verlaufendes Twisted-Pair-Kabel verbunden. Bei der kabellosen Kommunikationsmethode kommt zum Übertragen der Daten dagegen die Wireless-MCU CC2642R-Q1 zum Einsatz.
Bei der leitungsgebundenen Lösung (Bild 2) ist links ein BMU-Board (Battery Management/Monitor Unit) zu sehen, das neben der Host-MCU auch einen Kommunikationsbrücken-Baustein des Typs BQ79600-Q1 enthält. Die BMU fungiert als Schnittstelle zwischen der MCU und weiteren Überwachungs-Bausteinen des Typs BQ796xx in den CMUs (Cell Monitoring Units), die mit den eigentlichen Batteriezellen verbunden sind. Diese CMUs sind untereinander durch Twisted-Pair-Kabel verbunden.
Optional steht außerdem ein Ringkabel zur Verfügung, damit die Übertragung im Fall eines Kabelbruchs in beiden Richtungen erfolgen kann. Die leitungsgebundene Lösung erfordert auf beiden Seiten der Daisy-Chain-Verkabelung besondere Isolationsbausteine, um in Umgebungen mit hohem Störaufkommen für eine betriebssichere Kommunikation zu sorgen. Insgesamt sind strikte Anforderungen an die EMI-Beständigkeit und die elektromagnetische Verträglichkeit zu erfüllen.
Bei der kabellosen Lösung wird eine drahtlose Schnittstelle verwendet, um die UART-Daten (Universal Asynchronous Receiver-Transmitter) über einen drahtlosen Transceiverbaustein vom Batteriemonitor zur Host-MCU zu übertragen.
In Bild 3 ist die CMU einfacher dargestellt als in Bild 1, jedoch ist zusätzlich ein drahtloser Empfängerknoten zu sehen, um anzudeuten, dass die CMU ein zusätzliches Bauelement enthält, das die Zellen drahtlos an den Host übermittelt. Hierdurch ist es möglich, die in Bild 2 gezeigten zwei CMUs auf natürliche Weise galvanisch voneinander zu isolieren. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Lösungen ist, dass das Twisted-Pair-Kabel der leitungsgebundenen Lösung durch einen CC2642R-Q1 in jeder BMU der kabellosen Lösung ersetzt wird.
Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass das zusätzliche Bauelement die Komplexität und die Kosten gegenüber der leitungsgebundenen Variante erhöht. Man darf dabei jedoch die Kosten und das Gewicht der Verkabelung ebenso wenig außer Acht lassen wie die Tatsache, dass an beiden Enden der einzelnen Kabelsegmente leistungsfähige Isolationsbausteine notwendig sind, um die Robustheit der Kommunikation zu gewährleisten. Weitere Aspekte zu leitungsgebundenen und kabellosen Batteriemanagement-Lösungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
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BMS-Protokoll
Bei Betrachtung der Protokolle, die TI für beide Lösungsvarianten verwendet, ist bei der leitungsgebundenen Lösung eine differenzielle, bidirektionale Halbduplex-Schnittstelle zu erkennen, die somit an der high- und low-seitigen Kommunikationsschnittstelle über einen Sender (TX) und einen Empfänger (RX) verfügt, um Informationen im Normalfall von der Low- zur High-Seite zu übertragen.
Die TX- und RX-Funktionen werden von der Hardware automatisch aufgrund der Base- oder Stack-Detektierung des Bausteins gesteuert, und die Daten werden bei der Weiterleitung an das jeweils nächste Modul neu getaktet. Die RX-Topologie der BQ796xx-Bausteine hat Ähnlichkeit mit dem RS-485-Standard, bedient sich aber zusätzlicher Designmechanismen zur Minderung der hohen Gleichtaktspannungen, die durch das in Fahrzeugen übliche hohe Störaufkommen verursacht werden. Jedes Byte wird mit 2 MHz übertragen (250 ns pro Impuls bzw. 500 ns pro Impulspaar). Wie Bild 4 veranschaulicht, hängt die Zeit zwischen zwei Bytes von der UART-Baudrate (1 MBaud im regulären Betrieb) ab, während die Byte-Zeit stets identisch ist.
Die leitungsgebundene Schnittstelle ist so ausgelegt, dass sie eine kapazitive oder induktive Isolation unterstützt, um die Betriebssicherheit gemäß den strikten EMV/EMI-Vorgaben für den Automobilbereich zu gewährleisten. In Bild 5 ist ein Beispiel mit Kondensatoren und Drosseln zu sehen. Die gezeigte Schaltung kommt zwischen allen Batteriemonitor-Platinen zum Einsatz (mit bis zu 64 Bausteinen in einem Stack), damit sich unterschiedlich große EV-Batteriemodule unterstützen lassen.
Um den Anforderungen von Tier-1-Zulieferern und OEMs gerecht zu werden, die an der nächsten EV-Generation arbeiten, entwickelte TI ein proprietäres kabelloses BMS-Protokoll, das auf der im 2,4-GHz-Band arbeitenden Bluetooth-Low-Energy-Technik basiert. Tabelle 2 bietet einen Überblick über die Eigenschaften des kabellosen BMS-Protokolls von TI mit einer sternförmigen Netzwerk-Konfiguration zur Unterstützung von bis zu 32 Knoten pro Zentraleinheit, die sich für einen hohen Durchsatz, eine latenzarme Datenübertragung und die Verwendung eines Protokolls mit Functional-Safety-Rating eignet.
Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Protokollen ist das Twisted-Pair-Kabel, das nach dem Daisy-Chain-Prinzip verbunden ist und das Signal von der MCU bis zum letzten Batteriemonitor und wieder zurück überträgt. In einem sternförmig angelegten drahtlosen Netzwerk dagegen kann jedes Modul seine Informationen unabhängig von den anderen an den Host-Prozessor übermitteln. Die Spezifikationen beider Lösungen sind für Automotive-Systeme sehr wichtig, um auf schnelle, sichere und zuverlässige Weise große Datenmengen aus dem Batteriesatz zu übertragen.
Fazit
Sichere, zuverlässige und kostengünstige Lösungen für Hochspannungs-Batteriesätze von Elektrofahrzeugen verlangen nach hochwertigen Kommunikations-Protokollen, um in Umgebungen mit hohem Störaufkommen funktionieren zu können und die nötige Systemflexibilität für eine wechselnde Platzierung der Module im Batteriesatz zu bieten. Die Produkte der BQ7961x-Q1-Familie unterstützen sowohl Systeme mit leitungsgebundener Kommunikation als auch solche mit drahtloser Übermittlung. (na)
Autor
Taylor Vogt ist Applications Engineer Battery Management Systems bei Texas Instruments.
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