Der Mobilitätsmarkt ist im Wandel begriffen. Im Jahr 2020 soll die Zahl der verkauften Elektrofahrzeuge (EVs) geschätzt bei fast drei Millionen liegen und insgesamt mehr als 80 Millionen E-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein. Dies mag zwar wie ein Nischenmarkt aussehen, aber die Prognosen gehen von einem boomenden Wachstum auf bis zu zehn Millionen verkaufte EVs im Jahr 2025 und mehr als 50 Millionen im Jahr 2040 aus, bei einer Gesamtzahl von 100 Millionen. Das bedeutet, dass bis zum Jahr 2040 50 Prozent der verkauften Fahrzeuge voll elektrisch sind. Die Nutzer müssen all diese Fahrzeuge regelmäßig aufladen. Dies geschieht entweder langsam über Nacht zu Hause an der Steckdose, an einem wenige Kilowatt starken Gleichstrom-Ladegerät, schnell an öffentlichen Ladestationen oder superschnell an künftigen Elektro-Tankstellen.
Auch der Markt für die Erzeugung erneuerbarer Energien wächst ständig. Solarenergie, die heute weniger als fünf Prozent zur weltweiten Stromerzeugung beiträgt, soll im Jahr 2050 voraussichtlich mehr als ein Drittel davon ausmachen.
Angesichts der Tatsache, dass es künftig sowohl intermittierende Lasten als auch intermittierende Energiequellen gibt, liegen die Herausforderungen vor allem in der Frage, wie sich diese neuen Akteure im Energie-Ökosystem miteinander kombinieren und ins Netz integrieren lassen. Intermittierende Lasten erfordern einen Ausbau der Übertragungsleitungen, um den höheren Spitzenleistungsbedarf abzudecken. Lokal erzeugte Solarenergie kann die zentralen Kraftwerke ergänzen. Und die Menschen benötigen einen leichteren Zugang zur Eigennutzung des von ihnen selbst erzeugten Solarstroms.
Die Ladeinfrastruktur
Damit alle Elemente dieses komplexen Systems reibungslos zusammenarbeiten können, braucht es Energiespeichersysteme, die abhängig vom Bedarf Energie bei geringer Nachfrage speichern und zum Abfedern von Spitzenlasten wieder freigeben können.
Energiespeichersysteme (ESS) sind das elektrische Äquivalent zu Kraftstofftanks. Sie lassen sich sowohl im Wohnbereich als auch im industriellen Maßstab einsetzen. Im Wohnbereich lässt sich die tagsüber von der Sonne gelieferte Energie in einer Batterie speichern und später nutzen, beispielsweise um nachts über den lokalen Wechselrichter das Auto zu laden. In industriellen oder versorgungstechnischen Anwendungen können ESS-Installationen unterschiedlichsten Zwecken dienen: vom Pufferspeicher in Photovoltaik- und Windkraftanlagen bis zur Energiearbitrage, von der Notstromversorgung bis zum Schwarzstart (als Ersatz für Dieselaggregate) – und zum Aufschieben von Investitionen. Im letztgenannten Fall kommen Energiespeichersysteme zum Einsatz, um Leistungsspitzen in den Netzknoten abzufedern und zu vermeiden. Eine weitere wichtige Anwendung ist die Off-Grid-Installation, bei der ESS die Autarkie von Mikronetzen oder Inseln ermöglichen.
Die AC-Ladeinfrastruktur ist zwar einfach, aber in ihrer Leistung begrenzt; das gilt sowohl für private als auch öffentliche Installationen. AC-Ladestationen Level 1 arbeiten mit 120 VAC und liefern maximal 2 kW; Level-2-Stationen arbeiten mit 240 VAC und liefern maximal 20 kW. Wie viel Leistung das zu ladende Elektrofahrzeug entnimmt, hängt von dessen AC/DC-Bordladesystem ab. Das Bordladegerät von Autos ist aus Kosten-, Größen- und Gewichtsgründen immer für weniger als 20 kW ausgelegt.
DC-Ladesysteme hingegen ermöglichen wesentlich höhere Ladeleistungen: Level 3-Ladesysteme arbeiten mit Spannung bis 450 VDC und liefern Leistungen bis 150 kW. Die neuesten Super-Charger (entsprechend Level 4) sind sogar für über 350 kW und 800 VDC ausgelegt. Die obere Spannungsgrenze ist aus Sicherheitsgründen auf 1000 VDC festgelegt. Bei einem DC-Ladesystem erfolgt die Gleichrichtung in der Ladestation, deren Ausgang direkt mit der Autobatterie verbunden ist. Dadurch ist ein Bordladegerät überflüssig, was Platz und Gewicht spart. Trotzdem enthalten die meisten Elektrofahrzeuge während dieser Übergangsphase, in der die EV-Ladeinfrastruktur noch zersplittert ist, ein kleines 11-kW-Bordladegerät, damit der Nutzer das EV bei Bedarf an einer Wechselstromsteckdose aufladen kann.
Beispiel Ladestation
Bei einer Ladestation der Zukunft (Jahr 2030) soll der Strom aus einer Übertragungsleitung kommen, die über einen Transformator an das Mittelspannungsnetz (MV) angeschlossen ist. Heute wird fossiler Kraftstoff mit Tankwagen zur Tankstelle gebracht und dort unterirdisch gelagert. Den neuen Treibstoff, Strom, ständig aus dem Netz verfügbar zu haben, scheint eine einfache und problemlose Lösung zu sein – aber dieser einfache Ansatz ist nicht nachhaltig, wenn die Fahrer die Möglichkeit haben sollen, ihre EVs in weniger als 15 Minuten aufzuladen.
Angenommen, die Ladestation hätte fünf DC-Ladesäulen mit einer maximalen Ausgangsleistung von jeweils 500 kW. Der ungünstigste Fall, für den die Betreiber die Ladestation dimensionieren müssen, ist das gleichzeitige Laden von fünf vollständig entladenen EVs. Zur Vereinfachung der Berechnung sind in diesem Beispiel die Verluste in den Umrichterstufen und im Batterieladepfad zu vernachlässigen.
Im Beispiel gilt es fünf Elektrofahrzeuge, jedes mit einer 75-kWh-Batterie, von zehn Prozent auf 80 Prozent aufzuladen.
5 · (70 % · 75 kWh) = 5 · 52,5 kWh = 262,5 kWh
Das bedeutet, dass innerhalb von 15 Minuten eine Energie von 262,5 kWh zu übertragen ist.
262,5 kWh / 0,25 h = 1050 kW
Das bedeutet weiterhin, dass das Stromnetz 15 Minuten lang etwas mehr als ein Megawatt Leistung bereitstellen muss. Im Beispiel stopt die Ladung bei 80 Prozent unter der Prämisse, dass die Ladestation bis dahin die maximale Leistung liefert.
Das Teilnetz, in dem sich die Ladestation befindet, muss intermittierend Spitzenleistungen von mehr als einem Megawatt verkraften. Es sind hocheffiziente und komplexe Stufen zur aktiven Leistungsfaktorkorrektur (PFC) erforderlich, um sicherzustellen, dass das Netz effizient bleibt, ohne dass sich die Frequenz ändert oder Instabilitäten auftreten. Das bedeutet auch, dass kostenintensive Transformatoren zur Anbindung der Niederspannungs-Ladestation an das Mittelspannungsnetz zu installieren sind, und dass die Übertragungsleitungen, die den Strom vom Kraftwerk zur Ladestation bringen, passend zu dimensionieren sind, um die erforderliche Spitzenleistung zu bewältigen.
Die einfachste und wirtschaftlichste Lösung besteht darin, anstatt neue Übertragungsleitungen und große Transformatoren zu installieren, lokal erzeugten Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind zu nutzen. Dafür braucht es eine direkte Verbindung lokaler Energiequellen mit der Ladestation. Bei realistischer Betrachtung lassen sich photovoltaische Solaranlagen (PV) im Bereich von 100 kW bis 500 kW an der Ladestation oder in der Nähe des Teilnetzes, an das die Ladestation angeschlossen ist, betreiben. Zwar kann die PV-Quelle maximal 500 kW liefern, doch ist sie nicht immer verfügbar. Dies führt zu Instabilität im Netz und ermöglicht es den EV-Fahrern, ihre Autos nur bei maximaler Sonneneinstrahlung schnell aufzuladen. Das ist weder benutzerfreundlich noch nachhaltig.
ESS – Energiespeichersysteme
Das fehlende Teil in diesem Leistungselektronik-Puzzle ist das Energiespeichersystem (ESS). Dieses ist im Prinzip eine große Batterie, die in der Lage ist, Energie aus erneuerbaren Quellen zu speichern und bei Bedarf in das Netz oder zu den Ladestationen zu liefern. Das wichtigste Merkmal des Energiespeichers ist, dass er bidirektional und auf der Niederspannungsseite des Netzes arbeitet. Die neuen Installationen, welche die Quellen erneuerbarer Energien, die EV-Ladestationen und die ESS-Batterie miteinander verbinden, dürften vermutlich für eine Gleichstrom-Busspannung von 1500 VDC ausgelegt sein. Um eine für die jeweilige Anlage optimale Balance zwischen Spitzenleistung und Speicherkapazität sicherzustellen, ist das ESS passend zu dimensionieren. Diese Balance hängt wesentlich von mehreren Faktoren ab: Menge des durch Sonne, Wind oder andere Quellen erzeugten Stroms; Anzahl der Ladesäulen; Art und Anzahl der an das Teilnetz angeschlossene Lasten; und Wirkungsgrad der Umrichtersysteme.
Die folgende Beispielrechnung geht von einem Energiespeichersystem mit einer Kapazität zwischen 500 kWh und 2,5 MWh und einer Spitzenleistung von 2 MW aus.
Zunächst sind die kritischen Komponenten der Ladestation zu charakterisieren: Quellen, Lasten und Energiespeicher. Danach sind die vier Energiewandlersysteme, die an dem Ladeprozess beteiligt sind, zu analysieren (Bild 2). Die vier Energiewandlersysteme befinden sich allesamt innerhalb des Haupt-DC-Busses mit einer Arbeitsspannung zwischen 1000 VDC und 1500 VDC.
Bei Betrachtung des PV-Umrichters fällt auf, dass er eine Doppelfunktion hat: als DC/DC-Wandler für den Strompfad, der von den PV-Paneelen zum DC-Bus führt, und als DC/AC-Wechselrichter für den Strompfad von den PV-Paneelen über den AC-Bus ins Netz. Hier kommt es in erster Linie auf die DC/DC-Wandlerstufe an, da sich die AC/DC-Stufe auch in den vom DC-Zwischenkreis zum AC-Netz führenden bidirektionalen PFC- (Leistungsfaktorkorrektur) Hauptwechselrichter integrieren lässt. Nach heutigem Stand der Technik lässt sich der höchste Wirkungsgrad mit Wandlern auf der Basis von SiC-Leistungs-MOSFETs erzielen. Im Vergleich zu Silizium-IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistors) ergibt sich eine Effizienzsteigerung im Bereich von fünf Prozent (Maximallast) bis 20 Prozent (Teillast). In unserem Beispiel mit einem PV-Wechselrichter mit einer Leistung von
500 kW bedeutet ein fünf Prozent höherer Wirkungsgrad 25 kW weniger Verluste oder eine entsprechend höhere Leistung – das entspricht dem Verbrauch von fünf Häusern oder einer großen Wärmepumpe.
Bei diesen DC/DC-Wandlern bringt der Umstieg von Silizium-IGBTs zu SiC-MOSFETs deutliche Effizienzvorteile sowie Platz- und Gewichtseinsparungen bei Mehrkosten von derzeit etwa 25 Prozent, die in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich auf fünf Prozent sinken dürften. Allein die Effizienzgewinne können diese geringen Mehrkosten durch Einsparungen schnell wieder einspielen (Voraussetzung: die oben genannten fünf Prozent bei Volllast):
(5 % · 5 Ladesäulen · 500 kW = 125 kW) + (5% · 1 MW = 50 kW) = 175 kW
Im PFC-Wechselrichter bedeuten fünf Prozent von einem Megawatt ebenfalls wieder 50 kW, dadurch steigt die Leistungseinsparung durch die höhere Energieeffizienz von SiC versus IGBT auf insgesamt 250 kW.
Ansteuern und überwachen
Für diese Ergebnisse braucht es, wie bereits erwähnt, SiC-MOSFETs – doch das allein reicht nicht aus. Die Art und Weise, wie die Ansteuerung der SiC-MOSFETs erfolgt, ist der Schlüssel zur optimalen Schaltfrequenz, mit der sich das günstigste Verhältnis von Systemkosten (MOSFETs, Drosseln, Übertrager, etc.) zu Wirkungsgrad erzielen lässt. Die Entwickler streben Schaltfrequenzen im Bereich von 50 kHz bis 250 kHz an. Mit höherer Schaltfrequenz steigen auch die Anforderungen an die Gate-Treiber, vor allem in Bezug auf kürzere Signallaufzeiten und besseren Kurzschlussschutz. Der ADuM4136 von ADI ist ein galvanisch getrennter Gate-Treiber, dessen Icoupler-Isolationstechnologie eine Gleichtakt-Transientenimmunität (CMTI) von 150 kV/µs bietet und SiC-MOSFET-Schaltfrequenzen im Bereich von Hunderten von kHz erlaubt. Hinzu kommt ein schnelles Fehlermanagement, das unter anderem Entsättigung verhindert. Dadurch können Entwickler SiC-MOSFETs (sowohl einzeln als auch parallel) mit bis zu 1200 V betreiben.
Die ADI Application Note AN-2016 beschreibt eine Kombination aus dem galvanisch getrennten Gate-Treiber ADuM4136 und dem Gegentakt-Controller LT3999, die zusammen einen rauscharmen Baustein für die sichere Ansteuerung von SiC-MOSFETs ergeben. Der LT3999 steuert in dieser Schaltung eine bipolare, galvanisch getrennte Stromversorgung für den ADuM4136. Das rauscharme Design der Stromversorgung LT3999 und die Unterstützung für Schaltfrequenzen bis 1 MHz ermöglichen eine kompakte und kostengünstige Lösung. Die Gesamt-Signallaufzeiten einschließlich der Totzeiten betragen nur 226 ns beim Einschalten beziehungsweise 90 ns beim Ausschalten (Bild 3).
Bei Energiespeichersystemen ist das Batteriemanagement-/Überwachungssystem (Battery Managing/Monitoring System) die für die Gesamtbetriebskosten maßgebliche Komponente. Bei ESS im Megawattbereich entfallen mehr als die Hälfte der Kosten auf das Batterierack – derzeit sind es etwa 200 $/kWh, die voraussichtlich auf 100 $/kWh im Jahr 2025 sinken dürften. Mit einer präzisen BMS-Lösung lässt sich die Lebensdauer der Batterie um 30Prozent verlängern, was zu einer deutlichen Einsparung führt und den Betrieb der Ladestation vereinfacht. Weniger Wartung bedeutet höhere Verfügbarkeit, außerdem steigt das Sicherheitsniveau, weil die mit Wartung/Reparatur verbundenen Risiken entfallen.
Hierfür muss das Energiemanagementsystem genau über den Ladezustand (State of Charge, SOC) und den Gesundheitszustand (State of Health, SOH) der Speicherbatterie Bescheid wissen. Präzise SOC- und SOH-Berechnungen ermöglichen es, die Batterielebensdauer im Idealfall von 10 auf 20 Jahre und durchschnittlich um 30 Prozent zu verlängern – ohne Hardware-Mehrkosten. Dadurch verringern sich die Lebenszykluskosten der Batterie um mindestens 30 Prozent. Präzise SOC- und SOH-Daten ermöglichen es, die gesamte gespeicherte Energie zu nutzen, Überladung oder Tiefentladung zu vermeiden, verlässliche Vorhersagen zu treffen und die Algorithmen für die Netzstabilisierung, den EV-Ladevorgang und die Fahrzeug-zu-Netz- (Vehicle to Grid, V2G) Verbindung zu optimieren.
E-Mobility: Laden
Wo und wie lässt sich ein E-Auto aufladen? Welche Leistungselektronik steck in einer Ladesäule? Wie wird die Ladesäule intelligent? Halbleiter, Hochvolt-Komponenten, Stecker, Kabel, Wallboxen, Kommunikation, Infrastruktur, Standards, Services und mehr. Die Technologien dahinter finden Sie hier.
(aok)
Schwerpunktthema: E-Mobility
In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.