Das sogenannte NVH-Engineering (Noise, Vibration & Harshness), eine grundlegende Disziplin für Automobilkonstrukteure, steht vor neuen Herausforderungen: Hybrid- (HEV) und reine Elektrofahrzeuge (EV) entwickeln sich zu den wichtigsten Modellen in den Produktpaletten von Automobilherstellern.
NVH-Effekte zu minimieren ist von entscheidender Bedeutung, um sowohl den Komfort der Fahrgäste als auch die Stabilität des gesamten Fahrzeugsystems zu gewährleisten. Bei HEVs und EVs treten zahlreiche NVH-Quellen nun deutlich zutage, die früher durch das Geräusch des Verbrennungsmotors überdeckt wurden. Die Hauptursachen für NVH-Probleme bei Elektromotoren lassen sich in elektromagnetische und mechanische Geräusche, aerodynamische Geräusche und Vibrationen unterteilen. Zu den elektromechanischen gehören die Geräusche von Hilfssystemen wie dem Klimakompressor und der Servolenkungsmotor, die den Fahrkomfort beeinträchtigen und zu Interferenzen mit anderen Teilsystemen führen können.
Darüber hinaus verursacht ein Hochleistungsantrieb elektromagnetische Störungen durch Oberschwingungen der Stromversorgungs- und Umrichter-Schaltfrequenzen sowie durch elektromagnetisch angeregte Geräusche im Motor selbst. Sie beeinträchtigen den Fahrkomfort und können die Systeme zur Steuerung des Verbrennungsmotors in einem HEV stören. Außerdem wird die Batterie während des Betriebs häufig geladen und entladen, und über die Stromversorgungsleitungen erfolgt die Übertragung verschiedener elektromagnetischer Störungen (EMI), wie z.B. leitungsgebundene Differential- und Gleichtaktstörungen, die zum Teil auch als elektromagnetische Wellen abgestrahlt werden.
Daher ist es bei HEVs und EVs schwieriger als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, NVH-Effekte zu mindern. Die Hauptprobleme ergeben sich aus den unterschiedlichen NVH-Eigenschaften von Motor, Antriebsstrang und Elektromotor sowie aus den Kopplungsbeiträgen der verschiedenen Teilsysteme.
NVH-Probleme lösen
Wie bei herkömmlichen NVH-Entwicklungsprojekten sind viele Probleme plattformspezifisch und betreffen die Konstruktion verschiedener Strukturkomponenten, die Anordnung der Teilsysteme zueinander sowie die Konstruktion von Halterungen und Isolierbuchsen.
Andererseits müssen NVH-Probleme im Zusammenhang mit elektromagnetischen Interferenzen (EMI) durch die Anwendung bekannter elektrotechnischer Optimierungsmaßnahmen erfolgen, um hochfrequente abgestrahlte und leitungsgebundene EMI-Störgrößen zu dämpfen, die als Gleichtaktstörung in die Kabel eingekoppelt und in verschiedene Subsysteme übertragen werden können. Dazu gehört die Verwendung von Kabelferriten, um zu verhindern, dass lange Drähte als strahlende oder empfangende Antennen wirken, sowie Gleichtaktdrosseln zur Dämpfung von EMI-Störgrößen, die auf Strom- und Signalleitungen geleitet werden.
Kabelferrite dienen in der Regel dazu, starke Störungen im niedrigen und mittleren Frequenzbereich zu reduzieren, um die Rauschunterdrückung am Wechselrichter, DC/DC-Wandler und Elektromotor im Antriebsstrang sicherzustellen. Die Hochleistungswechselrichter, die zur Ansteuerung von Motoren zum Einsatz kommen, erzeugen Störungen in einem breiten Spektrum, das bei der Schaltfrequenz kleiner 100 kHz beginnt und Oberwellen bis zu 50 MHz umfasst. Kabelferrite werden auch zur EMI-Unterdrückung am Batteriesystem eingesetzt, z. B. zur Dämpfung der Schaltgeräusche, die beim Zellabgleich auftreten (Bild 1).
Neue Hochleistungsferrite
Für Anwendungen in der Automobilindustrie müssen diese Kabelferrite und Drosseln strenge Kriterien erfüllen. Größe und Gewicht sind wichtige Einschränkungen: Gleichtaktdrosseln (CMC - Common-Mode Chokes) zur Unterdrückung von Gleichtaktstörungen müssen hervorragende Dämpfungseigenschaften bei geringem Volumen bieten. Außerdem ist eine breitbandige Dämpfung des Störsignals bis zu hohen Betriebstemperaturen zu gewährleisten. Eine hohe mechanische und elektrische Belastbarkeit ist ebenfalls unerlässlich.
Hinzu kommen Anforderungen wie Robustheit und einfache Handhabung am Fließband, damit die Hersteller eine hohe Produktivität aufrechterhalten und sicherstellen können, dass jede Baugruppe den Kunden in perfektem Zustand erreicht. Um diese Anforderungen zu erfüllen, sind neue Materialien mit verbesserten Eigenschaften erforderlich.
Ferromagnetische Werkstoffe für Kabelferrite und Kerne für Gleichtaktdrosseln sind in der Regel entweder Keramiken, Metalle oder Verbundwerkstoffe. Mangan-Zink- (MnZn) und Nickel-Zink- (NiZn) Ferrite sind weit verbreitet und gehören zur Kategorie der keramischen Materialien. Nanokristalline Kerne (NC) sind eine neue Materialklasse, die als Metalle eingestuft werden und in Anwendungen wie der Energiespeicherung, wo niederfrequente elektromagnetische Störungen zu einem Problem werden können, immer häufiger Verwendung finden. Dank der inhärenten Eigenschaften des Materials sind Kabelferrite und Drosselkerne kleiner als herkömmliche keramische Ferrite, während sie gleichzeitig sehr gute magnetische Eigenschaften aufweisen und somit eine Lösung für die sich abzeichnenden e-NVH-Herausforderungen in Kraftfahrzeugen darstellen.
NC-Kabelferrite werden als ein Wickel von Metallfolien hergestellt. Bild 2 zeigt einen Querschnitt durch den Wickel der Metallfolie und die äußere Schutzbeschichtung, die erforderlich ist, um eine Beschädigung der Metallfolie während der Handhabung, der Montage und während des Gebrauchs zu verhindern und so die elektrische Leitfähigkeit zu erhalten.
Herstellung und Merkmale der Kernmaterialien
Das NC-Material, d.h. der Film selbst, wird in einem Hochtemperaturschmelzverfahren (1300 °C) hergestellt und schnell abgekühlt, um die Bildung der amorphen Struktur zu unterstützen. Dann folgt das Ausglühen, bei dem das Material auf etwa 500 °C bis 600 °C erhitzt wird, um einen nanokristallinen Zustand zu erreichen. Während dieser Zeit wird das Material Magnetfeldern ausgesetzt, um seine magnetischen Eigenschaften zu optimieren. Das so entstandene NC-Material weist eine ultrafeine Korngröße von typischerweise 10-15 nm auf, während die Korngröße bei keramischen Werkstoffen in der Größenordnung von einigen zehn Mikrometern liegt.
Die Eigenschaften von NC-Kabelferriten lassen sich gut mit denen von MnZn- und NiZn-Keramiken vergleichen, indem die Permeabilität der einzelnen Typen untersucht wird. Keramische Werkstoffe weisen in der Regel eine hohe Sättigung und einen Permeabilitätswert zwischen 100 und 15.000 auf. In der Vergangenheit war der MnZn-Kabelferrit aufgrund seiner Kombination aus hoher anfänglicher magnetischer Permeabilität, Sättigungsmagnetisierung, elektrischem Widerstand und geringen Leistungsverlusten ein wichtiges weichmagnetisches Material. Sein praxisorientierter Frequenzbereich deckt den mittleren Bereich von einigen zehn kHz bis zu einigen MHz ab.
NiZn-Ferrite sind eines der vielseitigsten weichmagnetischen Materialien. Mit ihrer hohen magnetischen Permeabilität und einer höheren Grenzfrequenz als MnZn eignen sie sich für Hochfrequenzanwendungen im Bereich von einigen Dutzend MHz bis zu Hunderten MHz.
Andererseits profitieren NC von einer viel höheren Anfangspermeabilität als keramische Werkstoffe, was auf das Temperverfahren und die Auswirkungen des Magnetisierungsprozesses zurückzuführen ist. Diese Verbesserung der magnetischen Eigenschaften führt zu Permeabilitätswerten von bis zu etwa 100.000.
Nanokristalline Ferrite
Obwohl die Permeabilität einer der wichtigsten Parameter ist, der die Leistung eines Kabelferrits bestimmt, ist die Größe der Impedanz im Verhältnis zur Frequenz ein weiteres wichtiges Merkmal für diese Komponenten. Der Betrag der Impedanz hängt vom Realteil (resistiv) und Imaginärteil (induktiv) der Impedanz ab. Bild 3 vergleicht verschiedene Ferritmaterialien mit identischen Abmessungen unter gleichwertigen Testbedingungen. Die Ergebnisse zeigen einen Impedanz-Frequenz-Verlauf, der als Richtschnur für den Einsatz in Entstörungsanwendungen dient.
Würth Elektronik eiSos bietet mehrere Familien von Entstörferriten für alle Arten von elektromagnetischen Störungen in elektronischen Systemen, einschließlich Automobilanwendungen an. Die Materialpalette umfasst sowohl NC- als auch Keramikmaterialien. Die Serie WE-AENA beinhaltet axiale Kabelferrite, die mit der neuesten NC-Kernmaterialtechnologie ausgestattet sind und eine Entstörung über einen sehr breiten Frequenzbereich ermöglichen. Das Kernmaterial ist mit einem Kunststoffgehäuse geschützt, um die physische Montage des Kabels zu erleichtern und die Robustheit der fertigen Baugruppe zu gewährleisten.
Die MnZn-Ringkerne der WE-TEMA-Serie zeichnen sich durch eine hohe Permeabilität aus und sind hauptsächlich für Anwendungen im mittleren und niedrigen Frequenzbereich geeignet. Die axiale Serie WE-AEFA wurde speziell für den Hochfrequenzbereich entwickelt, um eine Vielzahl von Anwendungen abzudecken und eine hohe Dämpfung von Störungen zwischen Daten- und Stromversorgungsleitungen zu erzielen. Die WE-TEFA Ringkernfamilie schließlich ist hauptsächlich für den Einsatz im Hochfrequenzbereich gedacht. Dieses spezielle Material ist so zusammengesetzt, dass es im Frequenzbereich breitbandiger wirkt, als die auf dem Markt erhältlichen Standardmaterialien.
Nanokristalline Gleichtaktdrosseln
Nanokristalline Gleichtaktdrosseln (NC-CMCs) bestehen aus einer Spule, die um den NC-Kern gewickelt ist. Gleichtaktdrosseln auf der Basis von nanokristallinen Magnetkernen kombinieren sehr gute Dämpfungseigenschaften mit geringer Baugröße. Die magnetischen Eigenschaften des NC-Kerns ermöglichen eine geringe Anzahl von Spulenwindungen, was diese Drosseln zu einer leistungsstarken Lösung für den Einsatz in EMV-kritischen Anwendungen im Automobilbereich macht. Durch den geringeren Gleichstromwiderstand, der auf die geringere Anzahl von Spulenwindungen zurückzuführen ist, können die Drosseln hohe Nennströme verkraften. Darüber hinaus sorgt die geringere parasitäre Kapazität zwischen den Windungen und Wicklungen für bessere induktive Eigenschaften über einen breiten Frequenzbereich. Aufgrund dieser Eigenschaften eignen sich NC-CMCs gut zur Entstörung von Geräten wie Hochstrom-DC/DC-Wandlern, Wechselrichtern, On-Board-Ladesystemen (OBC) und elektrischen Servolenkungen (EPS).