Das SpeedVal-Kit stellt Entwicklern von SiC-Systemen ein modulares Designkonzept zur Verfügung, um das volle Potenzial des Wide-Bandgap-Halbleiters ausschöpfen zu können.

Das SpeedVal-Kit stellt Entwicklern von SiC-Systemen ein modulares Designkonzept zur Verfügung, um das volle Potenzial des Wide-Bandgap-Halbleiters ausschöpfen zu können. (Bild: AdobeStock 59728105, WavebreakMediaMicro)

Die hohe Leistungsfähigkeit von Siliziumkarbid (SiC) verändert die Landschaft der Leistungselektronik und bringt Vorteile wie höhere Effizienz, höhere Leistungsdichte und besseres thermisches Verhalten. Insbesondere die Automobilindustrie profitiert von der SiC-Technologie. In Automobilanwendungen wird SiC hauptsächlich in Hauptantrieben (Traktionsumrichter), Bordladegeräten und Batterieladestationen eingesetzt. Die zehnmal höhere spezifische, dielektrische Spannungsfestigkeit von SiC im Vergleich zu herkömmlichem Silizium ermöglicht die Entwicklung von Hochvoltgeräten, die den Anforderungen aktueller Ladeinfrastruktur und Smart Grids gerecht werden. Darüber hinaus ermöglicht die hohe Schaltfrequenz von SiC eine Reduzierung der physikalischen Größe von Komponenten wie Magneten und Induktivitäten. SiC-Leistungsbauelemente kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz, von Stromversorgungen und E-Auto-Leistungswandlern für Batterieladung und Traktionsantriebe bis hin zu industriellen Motorantrieben und Systemen zur Erzeugung erneuerbarer Energien wie Solar- und Windwechselrichtern.

Die optimale Nutzung von SiC erfordert jedoch eine Änderung der Design-Ansätze, was oft zu erheblichen Änderungen an der Leiterplatte (PCB), weniger Sekundärkomponenten wie Kühlern und einer geringeren Anzahl an Transistoren führt, was wiederum Kosten und Platz spart. Aus diesem Grund sind Werkzeuge zur Designevaluierung unerlässlich, die diese Änderungen berücksichtigen und ein schnelles und genaues Testen neuer Designs sowie eine sorgfältige Bewertung der Zuverlässigkeit der Komponenten ermöglichen.

In diesem Artikel wird die modulare Designevaluierung am Beispiel des SpeedVal-Kits von Wolfspeed näher betrachtet, um die Herausforderungen bei der Evaluierung von SiC-Bauelementen zu meistern. In den folgenden Abschnitten wird näher erläutert, wie ein modulares Designkonzept funktioniert und wie seine potenziellen Vorteile genutzt werden können.

Modulares Ökosystem aus Bausteinen

Im Wesentlichen handelt es sich beim modularen Design um ein Toolkit, das ein Ökosystem von Bausteinen zur Verfügung stellt, um den Evaluierungsprozess von SiC-Bauelementen zu optimieren. Es ermöglicht schnelle und umfassende Tests auf Systemebene für verschiedene SiC-Produkte, sowohl in SMD- als auch in Durchsteckgehäusen (THT). Das Hauptziel des Kits ist es, den Designprozess für Entwickler und Hersteller zu vereinfachen und damit zu beschleunigen. Es ermöglicht das gleichzeitige Testen und Optimieren des MOSFETs und des vorgesehenen Gate-Treibers, bevor mit dem eigentlichen Hardware-Design begonnen wird. Mit Hilfe des Kits können Entwickler den Controller, den Gate-Treiber, die magnetischen Komponenten und die SiC-Bauteile für den Leistungswandler in einem Arbeitsgang konfigurieren und evaluieren, wo sonst für jedes System einzeln entworfen werden müsste.

Die Evaluierungsplattform besteht aus einer Hauptplatine, einem Stromversorgungsmodul, einem Gate-Treibermodul, einem optionalen Steuermodul und anderen möglichen Erweiterungen. Entwickler können eine Vielzahl von diskreten Bauelementen bis 1200 V in Kombination mit einer Reihe von Gate-Treiber-Optionen verschiedener Hersteller in einem „Drop-in“-Ansatz testen. Um effektiv zu sein, sollten solche Plattformen ein breites Spektrum an Spannungen, Gehäusetypen und Stromversorgungstopologien abdecken und somit für die meisten Anwendungen anpassbar sein. Dies ermöglicht das Einstellen von Parametern für verschiedene Betriebsarten wie Doppelpuls- und Buck/Boost-Leistungstests über eine computergestützte grafische Benutzeroberfläche, sodass keine externen Funktionsgeneratoren oder Controller für die PWM-Erzeugung erforderlich sind. Dadurch können SW-Entwickler mit dem Entwurf und Testen der für ihr Produkt erforderlichen kundenspezifischen Firmware auf einem echten Hochvolt-/Hochleistungsdesign beginnen, anstatt nur auf einem Entwicklungsboard für einen Niederspannungscontroller. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Komponenten näher betrachtet.

Das Motherboard

Das bereitstehende Motherboard (Bild 1) verfügt über ein niederinduktives Layout und Schraubklemmen zum Anschluss von Spannungsquellen und Lasten.

Bild 1: Half-Bridge Motherboard-Layout mit DC-Bus, Strom- und Spannungsmessung sowie Schnittstellen der Tochterkarten
Bild 1: Half-Bridge Motherboard-Layout mit DC-Bus, Strom- und Spannungsmessung sowie Schnittstellen der Tochterkarten (Bild: Wolfspeed)

Die Leistungsmesskarten, die für jedes Bauteilgehäuse maßgeschneidert sind, verwenden koaxiale Anschlüsse für VGS- und VDS-Messungen, um eine optimale Signalintegrität zu gewährleisten. Sie verwenden außerdem eine Strommessung mit hoher Bandbreite zur Ermittlung der Verlustleistung während der Schaltvorgänge. Der modulare Aufbau der Power Daughter Cards ermöglicht die Evaluierung einer Vielzahl von SiC-Bauelementen, von oberflächenmontierten TOLL-Bauelementen bis hin zu TO-247-Gehäusen.  Weitere Motherboard-Board Varianten, die die Erzeugung einer dreiphasigen Ausgangsspannung etwa zur Ansteuerung von Motoren realisieren, sind bereits in der Entwicklung.

Das aktuell verfügbare Motherboard ist als Halbbrücken-Topologie aufgebaut. Es verfügt über Steckplätze für die Gate-Treiberkarte, eine Energieversorgung für den Gate-Treiber und eine optionale Steuerkarte. Darüber hinaus verfügt es über einen Kühlventilator, Folien- und Keramik-DC-Bus-Kondensatoren sowie externe Versorgungs- und Signalanschlüsse. Die Strom- und Spannungsmessung ist ebenfalls Teil des Designs.

MOSFET- und Gate-Treiber-Test – vor Beginn des HW-Designs

Die anwenderspezifischen Gate-Treiber-Boards wurden von führenden Gate-Treiber-Herstellern in Zusammenarbeit mit Wolfspeed entwickelt und ermöglichen umfassende Tests der gesamten Palette von SiC-MOSFETs. Das Design mit SiC-MOSFETs stellt aufgrund der hohen dV/dt- und di/dt-Werte oft besondere Herausforderungen in Bezug auf parasitäre Induktivität und Kapazität im Layout. Außerdem kann der Gate-Treiber das Schaltverhalten des SiC-MOSFET beeinflussen. Die Gate-Treiber-Boards spielen eine entscheidende Rolle bei der Analyse und Optimierung von SiC-Bauelementen.

Die Analyse der gesamten Gate-Schaltung ist der Schlüssel zur Risikominimierung im Entwurfsprozess. Jede Gate-Treiberkarte verfügt über zwei isolierte Ausgänge und entsprechende isolierte Spannungsversorgungen zur Ansteuerung der Halbbrücke. Einige der angebotenen Gate-Treiberkarten verfügen über eine integrierte Kurzschlusserkennung und Abschaltmöglichkeit. Dies ermöglicht die Optimierung der Reaktionszeit und die Validierung der Leistung auf dem Evaluation-Board, bevor mit dem endgültigen Design begonnen wird.

Die Gate-Treiberkarten innerhalb der Evaluierungsplattform spielen eine entscheidende Rolle bei der Leistungsanalyse von SiC-Bauelementen. Sie ermöglichen es den Ingenieuren, wichtige Faktoren wie QRR und Schaltverluste (EON, EOFF, ERR) zu messen, und tragen so zum Verständnis der Betriebseffizienz des Bauelements bei. Timing-Metriken wie TDELAY-ON, TDELAY-OFF, TRISE und TFALL können ebenfalls bestimmt werden und geben einen Überblick über das Verhalten des Bauteils unter verschiedenen Bedingungen. Der Gatewiderstand kann so eingestellt werden, dass ein ideales Gleichgewicht zwischen Schaltverlusten und dV/dt- oder VDS-Spannungsüberhöhungen in Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen der Anwendung erreicht wird.       

Power Daughter Cards

Die Power Daughter Cards (Bild 2) in der Evaluationsplattform sind als Halbbrücke konfiguriert. Jede Karte verfügt über einen High-Side- und einen Low-Side-SiC-MOSFET sowie über eine Stromerfassung mit hoher Bandbreite mittels Shunt oder Stromwandler. Sie können so konfiguriert werden, dass sie im Doppelpulsbetrieb mit hochgenauer Strommessung oder im kontinuierlichen Abwärts- oder Aufwärtswandlerbetrieb mit Luftkühlung arbeiten. Die Entwickler haben die Freiheit, ihren bevorzugten Gate-Treiber mit entsprechendem Funktionsumfang zu verwenden, um Bauelemente auf den Karten zu testen, Messungen durchzuführen und das Zusammenspiel von SiC-MOSFET- und Gate-Treiber-Paares zu optimieren. Darüber hinaus können SiC-Bauelemente ersetzt werden, indem die Power Daughter Cards ausgetauscht werden, wodurch Lötarbeiten entfallen und eine Verbindung mit geringer Induktivität zum DC-Bus für eine optimale Schaltleistung aufrechterhalten wird. Die Power Daughter Dards sind für TOLL-, TO-263- und TO-247-MOSFETs verfügbar und ermöglichen dem Anwender die Evaluierung verschiedener Gehäuse, Spannungen und Bauteile mit unterschiedlichen RDS(ON)-Werten auf einer einzigen Plattform. Da SiC eine bewährte Lösung für 1200-V-Anwendungen ist, ein Bereich, in dem die laterale GaN-Technologie vor Herausforderungen steht, sind diese Testmöglichkeiten besonders vorteilhaft.

Bild 2: Layout der Power Daughter Cards des SpeedVal-Kits
Bild 2: Layout der Power Daughter Cards des SpeedVal-Kits (Bild: Wolfspeed)

Thermische Belastungstests unter Betriebsbedingungen

In dem hier als Beispiel verwendeten Evaluierungskit kann der Gatewiderstand (RG) angepasst werden, um das Schaltverhalten zu optimieren und diskrete SiC-MOSFETs bis 1200 V in verschiedenen Gehäusetypen zu evaluieren. Diese Evaluierungen können in weit verbreiteten Topologien wie Abwärts- oder Aufwärtswandlern unter Verwendung eines Halbbrücken-Moduls auf dem Motherboard durchgeführt werden. Bild 3 zeigt eine entsprechende Buck-Boost-Karte.

Bild 3: Buck-Boost-Karte mit LC-Filter, anwenderspezifischen Induktivitäten, Folien-Kondensatoren und Spannungsrückmeldung.
Bild 3: Buck-Boost-Karte mit LC-Filter, anwenderspezifischen Induktivitäten, Folien-Kondensatoren und Spannungsrückmeldung. (Bild: Wolfspeed)

Die Plattform ermöglicht auch thermische Hochleistungstests unter realen Betriebsbedingungen (Bild 4). Ein umfassendes modulares SPICE-Modell begleitet die Hardware-Tests und ermöglicht es den Entwicklern, die Testergebnisse mit Simulationen zu vergleichen und so die Entwicklung ihrer Designs zu unterstützen.

Bild 4: Thermischer Belastungstest an einem synchronen 20-kHz-Aufwärtswandler, der mit 16,5 kW belastet wird.
Bild 4: Thermischer Belastungstest an einem synchronen 20-kHz-Aufwärtswandler, der mit 16,5 kW belastet wird. (Bild: Wolfspeed)

Schwerpunktthema: E-Mobility

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(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.

Darüber hinaus liefert das SPICE-Systemmodell Abschätzungen für die wichtigsten parasitären Elemente. Dies erhöht nicht nur die Genauigkeit der Simulation, sondern hilft den Ingenieuren auch bei der Kontrolle dieser Elemente, ein entscheidender Aspekt bei der Arbeit mit SiC-MOSFETs. Schließlich ist ein optionales Buck-Boost-Board verfügbar, das anwendungsspezifische Tests bei verschiedenen Leistungsniveaus ermöglicht. Eine speziell entwickelte Luftspule (Bild 5) bietet Optionen zur Minimierung parasitärer Kapazitäten und gewährleistet einen präzisen Doppelimpulstest (DPT), der für die Optimierung von Abwärts- und Aufwärtswandlerdesigns von entscheidender Bedeutung ist.

Bild 5: Die speziell entwickelte Luftspule bietet Optionen zur Minimierung parasitärer Kapazitäten.
Bild 5: Die speziell entwickelte Luftspule bietet Optionen zur Minimierung parasitärer Kapazitäten. (Bild: Wolfspeed, Bourns)

Zusammen mit den Buck-Boost-Filterplatinen kann mit diesem Kit eine Buck- oder Boost-Umrichteranwendung bei voller Leistung betrieben werden. Dadurch können sowohl die thermischen Daten als auch der Wirkungsgrad des Wandlers gemessen werden.

Fazit

Angesichts der steigenden Nachfrage nach energieeffizienter Wandlung bei höchster Leistungsdichte in vielen Branchen, von Elektrofahrzeugen über Solarenergie bis hin zu Rechenzentren, wird die Bedeutung der Evaluation von SiC-Bauelementen in der Leistungselektronik weiter zunehmen. Dabei geht der Test von Leistungsbauelementen über die reinen Datenblattparameter hinaus. Die modulare Bewertung von SiC-Bauelementen mit Hilfe einer Plattform wie das hier zugrunde gelegte der SpeedVal Kit von Wolfspeed ermöglicht es Entwicklern, den Designzyklus zu verkürzen, indem kritische Tests zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt werden können, ohne dass für jeden Test ein komplett neues Design erstellt werden muss. Für das SpeedVal Kit sind darüber hinaus alle Designdateien verfügbar, so dass die Entwickler auch Teile der Plattform in ihren eigenen Designs wiederverwenden können, was das Designrisiko verringert.

Durch das Angebot einer umfassenden Lösung ermöglicht die Evaluierung des modularen Designs und eine vollständige Leistungsvalidierung durch Einbeziehung aller erforderlichen Komponenten, einschließlich Gate-Treibern und Steuerplatinen. Sie ermöglicht das Testen der Hardware vor der Inbetriebnahme in verschiedenen Spannungsbereichen und vereinfacht den Prozess der präzisen Messung der Schaltvorgänge durch einen niederinduktiven Strompfad und die Integration einer Stromerfassung. Der modulare Aufbau von SiC-Testkits wie dem SpeedVal Kit ermöglicht die Auswahl verschiedener Boards, um die Testbedingungen für den Leistungshalbleiter an die spezifischen Anforderungen der Anwendung anzupassen.

Der Einsatz von SiC-Bauelementen wird im Zuge des Strebens der Industrie nach höherer Effizienz, kleineren Abmessungen, geringerem Gewicht und optimierten Kühlungskonzepten weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund ist der modulare Ansatz zur Bewertung von SiC-Bauelementen eine effektive Strategie zur Erreichung eines optimierten Designs und stellt eine vielversprechende Rolle in der Zukunft der Leistungselektronik dar. (na)

Adam Anders

SME und Power Platforms Manager bei Wolfspeed

Johannes Kemper

Field Application Engineer, Automotive, bei Wolfspeed

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