Die Kernfusions-Anlage Wendelstein 7-X in Greifswald ist die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die Kernfusion könnte die Energieprobleme der Zukunft lösen, aber nur mit den richtigen Technologien. Tokamak und Stellarator liefern sich ein Rennen um den effizientesten Weg zur Fusionsenergie – was steckt dahinter und was gibt es noch?
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Kernfusion gilt als eine der vielversprechendsten Technologien zur Lösung der Energieprobleme der Zukunft. In der Einführung zur Kernfusion wurde bereits erklärt, wie die Verschmelzung von Atomkernen unter extremen Bedingungen enorme Energiemengen freisetzt. Doch um diese Reaktionen auf der Erde zu steuern, sind hochentwickelte Systeme erforderlich. Zwei der wichtigsten Ansätze zur Erzeugung und Kontrolle der Fusionsreaktion sind der Tokamak und der Stellarator. Dieser Beitrag beleuchtet die Funktionsweisen, Vor- und Nachteile dieser beiden Technologien und zeigt, warum sie als Schlüssel zur Fusionsenergie gelten.
Magnetischer Einschluss: Die wichtigsten Technologien für die Kernfusion
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Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie Kernfusion erreicht werden kann. Die bedeutendsten Methoden sind der magnetische Einschluss, etwa im Tokamak, und der Stellarator. Diese beiden Technologien versuchen, das Plasma – ein Gas aus ionisierten Teilchen – mithilfe starker Magnetfelder einzuschließen und zu stabilisieren. Das Ziel ist es, die Atomkerne bei extrem hohen Temperaturen und Drücken zur Verschmelzung zu bringen.
Beim Tokamak, wie er im ITER-Projekt zum Einsatz kommt, wird das Plasma durch einen Stromfluss stabilisiert, der im Inneren des Plasmas erzeugt wird. Die torusförmige Bauweise (vergleichbar mit einem Donut) und die starken Magnetfelder sorgen dafür, dass das Plasma nicht die Wände des Reaktors berührt. Dieses Konzept ist derzeit das weltweit am weitesten verbreitete und soll helfen, den „Break-even-Point“ zu erreichen – also den Punkt, an dem die Energieerzeugung die eingesetzte Energie übertrifft.
Was ist ein Stellarator und wie unterscheidet er sich vom Tokamak?
Der Stellarator hingegen kommt ohne die Notwendigkeit aus, einen elektrischen Strom im Plasma zu erzeugen. Stattdessen verwenden Stellaratoren komplex geformte Magnetspulen, die das Plasma auf seiner Bahn halten. Ein prominentes Beispiel ist der „Wendelstein 7-X“ am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald, Deutschland. Diese Technologie verspricht stabilere Einschlusszeiten und einen potenziell kontinuierlichen Betrieb, was sie für den Einsatz in zukünftigen Kraftwerken interessant macht.
Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.
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Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.(Bild: Proxima Fusion)
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=ymu8PhsrIJY)
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.(Bild: ITER)
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.(Bild: Iter)
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Anja Ullmann)
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.(Bild: National Ignition Facility)
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.(Bild: Lawrence Livermore National Laboratory)
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.(Bild: Von Michel Maccagnan -Eigenes Werk,CC BY-SA 3.0,Link)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)(Bild: Korea Institute of Fusion Energy (KFE))
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.(Bild: Institute of Plasma Physics at Hefei Institutes of Physical Science, Chinese Academy of Sciences)
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)(Bild: Modifiziert nach Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. - (2017-03-24). "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.(Bild: Universität Sevilla)
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.(Bild: Zap Energy)
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.(Bild: Zap Energy)
Der Nachteil des Stellarators ist jedoch seine komplizierte Bauweise. Die Spulen müssen präzise geformt und platziert werden, um das Plasma stabil zu halten. Um diese Herausforderungen zu überwinden, forschen Start-ups wie Renaissance Fusion an vereinfachten Designs und innovativen Methoden zur Herstellung der Magnetstrukturen, die die Technologie für die industrielle Nutzung erschwinglicher und skalierbarer machen sollen. Mehr über die Herausforderungen der Kernfusionsforschung lesen Sie hier.
Alternativen und Weiterentwicklungen
Auch wenn das Prinzip des Stellarators bereits aus 1951 stammt, ist die Entwicklung keineswegs abgeschlossen. Beispielsweise setzt das französische Unternehmen Renaissance Fusion auf eine Methode, um die komplexen Magnetfelder für Stellaratoren zu erzeugen. Statt wie traditionell supraleitende oder Kupferbänder in komplizierten dreidimensionalen Formen um das Plasma zu wickeln, entwickelt das Unternehmen eine innovative "Malen"-Technologie. Hierbei werden große zylindrische Oberflächen mit Hochtemperatur-Supraleitern (HTS) beschichtet und anschließend mithilfe eines Laser-Pinsels in präzise Muster graviert. Dieses Verfahren vereinfacht die Herstellung erheblich und ermöglicht die effiziente Erzeugung der komplexen Magnetfelder, die zur Plasmakonfinierung erforderlich sind. Neben Fusion könnte diese Technologie auch in Bereichen wie der medizinischen Bildgebung oder der Teilchenbeschleunigung Anwendung finden.
Flüssigmetall: Schutz und Wärmeableitung in einem
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Eine weitere Technologie von Renaissance Fusion ist der Einsatz von flüssigem Metall, das eine Schicht um das Plasma bildet. Diese Schicht wird nicht nur durch Schwerkraft, sondern auch durch elektromagnetische Kräfte positioniert, sodass sie die Wände des Reaktors gleichmäßig bedeckt. Das flüssige Metall schützt vor Neutronenstrahlung, absorbiert die enorme Wärme und verhindert, dass die festen Materialien des Reaktors aktiviert werden. Bereits heute wurde erfolgreich demonstriert, dass eine 10 cm dicke Schicht aus einem dichten Material eine Fusion-relevante Alternative von bis zu 35 cm in Lithiumäquivalent darstellen kann. Diese Technologie ist einzigartig unter Fusion-Startups und adressiert ein entscheidendes Problem: den Umgang mit hohen Wärme- und Neutronenflüssen.
Ein modulares Design für die Zukunft der Fusion
Die Kombination aus Hochtemperatur-Supraleitern und Flüssigmetalltechnologie erreicht ihren Höhepunkt in einem modularen zylindrischen Demonstrator. Dieser Demonstrator verfügt über HTS-Beschichtungen auf der Außenseite und flüssiges Metall im Inneren, allerdings zunächst ohne Plasma. Ziel ist es, ein skalierbares Design zu schaffen, bei dem einzelne Zylinder zu einem Donut-förmigen Stellarator zusammengesetzt werden können. Dieses modulare Konzept vereinfacht nicht nur den Bau, sondern ermöglicht auch eine effiziente und kostengünstige Produktion von Fusionsreaktoren. Mit diesem Ansatz strebt Renaissance Fusion an, die erste kommerzielle Stromerzeugung durch Fusion bis Anfang der 2030er-Jahre zu realisieren.
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.