Hermann Reiter Digi-Key

Hermann Reiter:, Global Strategic Business Development & Supplier Management and Managing Director bei Digi-Key: „Wir sind über die letzten zwei Jahre über 80 Prozent gewachsen.“ (Bild: Digi-Key)

Sofort nach der Begrüßung sprudelt Herrmann Reiter, Europachef von Digi-Key, nur so vor Begeisterung, während er einen kurzen Streifen Bauelemente hochhält, die für das Tape&Reel-Verfahren an Pick&Place-Maschinen gedacht sind: „Hier unsere neueste Neuerung. Wir bedrucken die Streifen jetzt auf der Rückseite mit dem Produktcode und den Traceability-Informationen. Früher sind diese kurzen Streifen mit vielleicht 50 Bauteilen wie Schneeflocken im Packet gelegen, aber jetzt lassen sie sich schnell und eindeutig zuordnen.“ Hierzu schneidet Digi-Key den Gurt entsprechend der bestellten Anzahl ab und druckt die eindeutigen Infos auf. „Diesen Service gibt es nur bei uns; das ist entstanden aus Gesprächen mit Entwicklern. Bei den etwas größeren Mengen nutzen wir die bewährte Digi-Reel, bei der wir vorn und hinten noch etwas Gurt anstückeln und alles auf einem Reel ausliefern.“ Er betont, dass dazu eine eigens entwickelte Maschine zum Einsatz kommt, die im neuen, noch viel größeren „Warehouse“ am Stammsitz in Thief River Falls im US-Bundesstaat Minnesota steht: „Im neuen PDCe, also im Product Distribution Center Expansion, ist es uns jetzt möglich, auch bei Kleinstmengen die Traceability sicher zu stellen.“

Digi-Key feiert 50-jähriges Jubiläum

Der Distributor feierte am 3. April 2023 sein 50-jähriges Bestehen und erzielte im Jahr 2022 einen Umsatz von 5,1 Milliarden US-Dollar. Über 6,5 Millionen Bestellungen verschickte Digi-Key aus dem sehr ländlichen Thief River Falls in über 180 Länder der Welt. Das neue, PDCe (Product Distribution Center Expansion) genannte Versandhaus ist mit seinen 2,2 Millionen Quadratmetern Fläche eines der größten Lagerhäuser Nordamerikas. Auch jede einzelne Sendung an deutsche Kunden verschickt das Unternehmen von dort aus. Auf die Frage der Redaktion, wie das Deutschland-Geschäft läuft, antworte Hermann Reiter mit einem „Eigentlich gut“, aber auf Nachfrage wird er dann sehr konkret: „Das Geschäft in Zentraleuropa läuft verblüffend gut. Verblüffend deshalb, weil wir eigentlich nicht gedacht haben, dass es in diesem Jahr im Prinzip genauso weiterläuft wie im letzten Jahr. Wir sind ja über die letzten zwei Jahre über 80 Prozent gewachsen; inzwischen machen wir über 1,2 Milliarden Umsatz in Europa, davon zirka 35 bis 40 Prozent in Zentraleuropa. Als ich 2012 bei Digi-Key begonnen habe, betrug unser Europa-Umsatz weniger als 200 Millionen gemacht, und jetzt sind wir bei über 1,2 Milliarden hochgebracht; das ist schon ein immenser Zuwachs.“

Da fragen sich Entwickler genauso wie Einkäufer, wie solch‘ ein immenses Wachstum möglich ist. Hermann Reiter hat die Antwort auf diese Frage schon parat: „Ich denke, dass in Deutschland und Europa mittlerweile die Akzeptanz und das Vertrauen vorhanden sind. Bei uns dauert es immer ein bisschen, bis wir es adaptieren, aber ich denke, über die Pandemie hat sich das Ganze natürlich beschleunigt. Auch die hohe Lagerverfügbarkeit von Digi-Key hat uns geholfen. Wir binden dadurch zwar viel Kapital, die Kunden bekommen die Ware so aber auch sofort.“

Er führt aber zusammen mit dem immer wieder erwähnten Begriff „Easy to do business with“ noch einen weiteren Punkt als Erfolgsfaktor an: „Es ist einfach leicht, mit uns ins Geschäft zu kommen, denn die Kunden finden die Produkte, die sie suchen schnell, und zudem bezahlen sie von ihrem lokalen Konto aus – in Zentraleuropa eben in Euro, aber wir haben auch neue Zahlungstools mit reingebracht. Gerade junge Leute zahlen gerne mit Google Pay, Apple Pay etc. Und wenn die Ware beim Empfänger ankommt, ist sie fertig verzollt.“

Digi-Key bietet mehr als „nur“ Elektronik

Vor einigen Jahren begann der Distributor, seine Aktivitäten auf andere Bereiche jenseits der Elektronik (Automatisierung etc.) ausgedehnt, so dass der Umsatz damit jetzt schon bei „fast einer halben Milliarde“ liegt. Aber nun sei das Sortiment noch breiter geworden: „Durch unseren neuen Marktplatz haben wir vor drei Jahren unser Produktspektrum nochmals erweitert. Jetzt finden die Besucher auf unserer Website auch Artikel aus den Bereichen Photonik, Batterien oder chemische Produkte, die wir einfach nicht direkt von Minnesota aus liefern können; hier schickt der Hersteller die Ware direkt an den Kunden, und wir sorgen für das Organisatorische. Um unser Angebot zu erweitern, suchen wir global und hier in Zentraleuropa immer nach innovativen Partnern bzw. Herstellern.“

Der Autor: Alfred Vollmer

Alfred Vollmer
(Bild: Hüthig)

Alfred Vollmer interessiert sich nicht nur für Technik per se in vielen Facetten und Einzelheiten sondern auch dafür, wie sich diese Technik im wirtschaftlich-gesellschaftlichen Rahmen sinnvoll anwenden, umsetzen und nutzen lässt. Der Dipl.-Ing. hat bereits während des Studiums der Elektrotechnik sein Faible fürs Schreiben entdeckt und ist mit über 30 Jahren Branchenerfahrung ein bestens vernetztes Urgestein der europäischen (Automobil-)Elektronik-Fachpresse. Er fragt gerne detailliert nach und lässt dabei auch die ökologischen Aspekte nicht aus. Mit vielen seiner (Elektrotechnik-)Prognosen lag er richtig, aber manchmal sorgten auch sehr spezifische Marktmechanismen dafür, dass es ganz anders kam…

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