Funktionsprinzip des Infrarot-Touchscreen

Bild 1: Funktionsprinzip des Infrarot-Touchscreen. (Bild: Hy-Line)

Eckdaten

Auch wenn heute die Mehrzahl aller Touchscreens auf dem PCAP-Prinzip basieren, gibt es doch Anwendungen, für die sich dieses Prinzip weniger gut eignet. Die zForce-Technologie bietet den Vorteil der separaten Montage; die Displayoberfläche wird durch den Touchscreen nicht beeinflusst. Dadurch kann sie nach anderen Kriterien ausgelegt werden: für den rauen Einsatz, für die Bedienung mit jedem Gegenstand, dort, wo eine tatsächliche Berührung des Touchscreens nicht erwünscht ist, oder wo die Bildqualität nicht durch eine auf dem Display angebrachte zusätz­liche Schicht beeinflusst werden darf. Es muss nicht einmal ein Display hinterlegt sein. Es darf auch die Arbeitsplatte in der Küche sein.

Die Infrarot-Technik für Touchscreens blickt auf eine lange Geschichte zurück. Das Prinzip ist simpel: In X- und Y-Richtung des Bildschirms wird ein Lichtgitter aufgespannt, bei dessen Unterbrechung jeder eindringende Gegenstand detektiert und dessen Position ausgewertet werden kann. Diese Technik ist einfach und robust und hat den Vorteil, vom Display getrennt zu sein. Sie wird dort verwendet, wo Displays extremen Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind, zum Beispiel durch Umgebungs­temperaturen oder Vandalismus. Beispiele sind Fahrkarten- und Bankautomaten. Dort kann man sich auf die Absicherung der Displayoberfläche konzentrieren und sie den Anforderungen anpassen, zum Beispiel eine dicke Scheibe aus Schutzglas montieren, die im Beschädigungsfall ausgetauscht werden kann.

Funktionsprinzip des Infrarot-Touchscreen

Bild 1: Funktionsprinzip des Infrarot-Touchscreen. Hy-Line

601 Hy Line Bild 2 - zForce-Prinzip

Bild 2: Funktionsprinzip des zForce-Touchscreen. Hy-Line

601 Hy-Line Bild 3 - IR-Touch Integration

Bild 3: Querschnitt durch ein Infrarot-Touchscreen-System. Hy-Line

601 Hy Line Bild 4 - zForce Integration

Bild 4: Querschnitt durch ein zForce-Touchscreen-System. Hy-Line

601 Hy Line Bild 5 - Lichtschranke und Näherungssensor

Bild 5: Einsatz als Lichtschranke (links) und Näherungssensor (rechts). Hy-Line

Es gibt jedoch einige Nachteile. Mit der Diagonale steigt die Anzahl an IR-Emittern und Detektor-Dioden sowie die Stromaufnahme. Helles Umgebungslicht wie das zu manchen Tageszeiten direkt einfallende Sonnenlicht überlagert sich mit dem Nutzsignal und blendet die Fotodioden, die das Signal empfangen sollen. Da der Touchscreen hinter der Frontplatte montiert wird, liegt das Display relativ tief im Gehäuse, wodurch die Randbereiche bei schrägem Blickwinkel schlecht ablesbar werden. Ein neuer Ansatz der bekannten Technologie vermeidet diese Nachteile und bietet gleichzeitig ein modernes Bedienkonzept.

Vorteile dieser Technologie

Die Technologie, die unter dem Namen zForce bekannt ist, bringt Sender und Empfänger neben­einander in einem streifenförmigen Gehäuse unter, das nur auf einer Längsseite des Displays montiert werden muss. Sie wertet nicht die Unterbrechung eines Lichtvorhangs, sondern die Reflexion des emittierten Lichts durch einen Gegenstand in Sichtweite aus.

Die Erkennung von Mehrfingerfunktionen und Gesten erledigt der eingebaute Controller. Diese Technologie bietet gegenüber PCAP-Touchscreens mehrere Vorteile. Die Bedienung muss nicht mit einem leitfähigen Gegenstand erfolgen. Gegenüber elektromagnetischen Feldern und hellem Umgebungslicht ist sie unempfindlich.

Systemintegration

Bei Infrarot-Touchscreens ist der Sensor mit dem Gehäuse verbunden, aber nicht zwangsläufig mit dem Display verklebt. Bild 3 zeigt einen Querschnitt durch die Konstruktion. Die Display­oberfläche liegt hinter Frontplatte, Touchsensor und Schutzglas weit innen im Gerät. Um den gesamten Displayinhalt einzusehen, müsssen Benutzer geradlinig vor dem Gerät stehen.

Für die Integration des zForce-Sensors gibt es mehrere Möglichkeiten. Er kann entweder bündig mit dem Gehäuse oder außen auf dem Gehäuse (Bild 4) montiert werden. Oberhalb des Displays können Ablagerungen wie Staub und Wasser die Funktion nicht beeinträchtigen. Das Display rückt näher nach vorne im Gerät.

Applikationen

Die zForce-Technologie eignet sich sehr gut für den Einsatz in rauen Umgebungen im Innen- und Außenbereich, wo andere Touchprinzipien versagen. Sie kann auch zur Nach­rüstung existie­render Systeme verwendet werden. Durch den weiten Temperaturbereich ist der Einsatz in industrieller Umgebung problemlos möglich. Die Bedienung kann mit jedem Gegenstand erfolgen, der Licht reflektiert, also auch mit Schutzhandschuhen, Kreditkarten und Stiften. Selbst mit nassen oder schmutzigen Händen oder langen Fingernägeln ist eine Bedienung einfach. Da der Touchsensor außerhalb des Displays montiert wird, kann das Display ohne Rücksicht auf den Touchscreen vor den Umgebungsbedingungen geschützt werden. Gegenüber eingestrahlten elektromagnetischen Störungen ist der Touchsensor unempfindlich. Daher kann er in Nutzfahrzeugen, landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen mit großen elektrischen Antrieben eingesetzt werden. Das Funktionsprinzip erlaubt, die Displayoberfläche mit einer Abschirmung gegen Abhören zu versehen, oder in einer empfindlichen Umgebung nicht durch Strahlungen zu stören. Natürlich funktioniert der Schutz auch nach innen: Die Displayöffnung als Einfallstor für elektrische Störsignale kann abgedichtet werden. Als Smart Sensor, zum Beispiel an einer Arbeitsplatte aus Holz oder Stein, kommt der Sensor auch ohne Display aus. Die Kosten skalieren gut mit der Größe des Bildschirms, da im Gegensatz zum IR-Touchscreen nur eine Dimension abgedeckt werden muss. Sogar das ist kein Muss: Mit einem selektiven Touchbereich kann zum Beispiel das On-Screen-Menü eines Großbildschirms in einer unteren Ecke bedient werden, ohne dass der Touchsensor die gesamte Breite des Bildschirms abdecken muss.

Je nach Orientierung des Lasers kann zForce als Touchscreen, Lichtschranke oder Näherungssensor eingesetzt werden. Bild 5 zeigt die Unterschiede. Mit um 90° gedrehter Ausrichtung dient der Sensor als eindimensionale Bedienoberfläche. Im Gegensatz zu herkömmlichen Näherungssensoren, die die Signalstärke als Indikator für die Position eines Objekts auswerten, bestimmt hier die Kombination von Sender- und Empfängersignal die Position eines Objekts.

Touchscreen ohne Berührung

Während der Ersatz konventioneller Touchscreens nahe liegt, findet die zForce-Technologie weitere Einsatzgebiete. Ideal geeignet ist sie für die Monitore bildgebender Verfahren in der Medizintechnik. Die Bildqualität wie Kontrast, Vergütung, Entspiegelung und Parallaxe bleibt erhalten, da die optischen Eigenschaften der Displayoberfläche nicht beeinflusst werden. Nicht nur hier zeigt sich der Vorteil, mit sterilen Handschuhen keine Oberfläche berühren zu müssen, sondern auch an öffentlichen Plätzen, wo Aufzüge gerufen, Automaten bedient und Toilettenspülungen ausgelöst werden sollen: Keime haben keine Chance sich auszubreiten. Auch in der Lebensmittelindustrie oder der Restaurantküche können Geräte mit schmutzigen Fingern bedient werden, ohne die Oberfläche zu berühren und den darunter liegenden Bildschirm unlesbar zu machen.

In der Funktion als Lichtschranke kann die Technologie verwendet werden, um die Präsenz von (unerwünschten) Objekten zu erkennen, und das System kann entsprechende Aktionen vornehmen. Als Näherungssensor kann es auch in bewegte Objekte eingebaut werden, um Kollisionen mit der Umwelt zu vermeiden, wie zum Beispiel in Saug- oder Mährobotern.

Der eingebaute Controller präsentiert sich als USB-HID (Human Interface Device) und arbeitet des­halb sofort mit dem Betriebssystem eines entsprechenden Hosts zusammen und ersetzt oder ergänzt die Maus-Funktionen als Single- oder Multitouch.

Auf der nächsten Seite geht es um den Vergleich mit anderen Touchtechnologien

601 Hy Line Bild 6 - Sensor_Modules_Close

Bild 6: Sensormodul; rechts befindet sich die Öffnung für Sender und Empfänger. Neonode

601 Hy-Line-Bild 7 - korrigiert Technologie-Vergleich

Bild 7: Vergleich gängiger Touchtechnologien. Hy-Line

Im Vergleich mit anderen Technologien schneidet zForce gut ab. Insbesondere die fehlende Kopplung zum darunterliegenden Display ermöglicht Applikationen, die so mit anderen Touchscreens nicht realisierbar sind. Bild 6 zeigt den Sensor in der Seitenansicht.

Da die Technik ohne Abdeckung des Displays funktioniert, kann das Display hier für die Applikation optimiert werden. Optische Parameter wie Transparenz, Reflexion und Kontrast werden von zForce nicht beeinflusst.

Dadurch, dass die direkte Verbindung zum Display nicht nötig ist, kann ein Monitor über einen Retrofit-Bausatz nachträglich aufgerüstet werden. Für Note­book-Anwender gibt es fertige Leisten, die es zu einem Touchscreen-Notebook aufrüsten.

Robustheit

Der Touchsensor selber ist gegenüber herkömmlichen Chemikalien resistent, die zur Reinigung oder auch Sterilisierung im medizinischen Umfeld verwendet werden. Der Vandalismus, der sich meist gegen das Display richtet, wird dort mit einer geeigneten Frontscheibe unwirksam gemacht. Da das Funktionsprinzip nicht auf elektromagnetischen Feldern, sondern auf unsichtbarem Licht basiert, gibt der Sensor weder elektromagnetische Strahlung ab, noch lässt er sich von anwesenden Feldern oder Störimpulsen in der Funktion beeinträchtigen. Umgebungslicht von der Sonne oder starken Lichtquellen sieht der Sensor aufgrund von Filtern nicht. Die Lebensdauer ist hoch, unabhängig von der Zahl der Betätigungen.

Während das Argument für PCAP die ebene, bündig abschließende Oberfläche ist, kann der zForce-Sensor mit der Eignung für spezielle Applikationen punkten. Er bietet Multitouch-Funktionen mit der Erkennung von mehreren Fingern und Gesten und ist mit allen Medien bedienbar, seien es dicke Handschuhe, Kreditkarten oder Fingernägel. Diese Eigenschaft kann auch ausgenutzt werden, um eine berührungslose Bedienung in sterilen Bereichen oder mit verschmutzten Händen zu ermöglichen. Unter dem Aspekt besonderen Designs kann der Touchsensor auch ganz in einer Oberfläche verschwinden und verborgen zur Bedienung verwendet werden. Bild 7 stellt die Technologien im Vergleich vor.

Rudolf Sosnowsky

Leiter Technik, Hy-Line Holding

(neu)

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