Die Raumfahrtindustrie ist heute viel größer und vielfältiger als vor 20 Jahren. Sie benötigt Prozessoren, die die hohen Anforderungen an Rechenleistung und Zuverlässigkeit unter schwierigsten Bedingungen erfüllt.

Die Raumfahrtindustrie ist heute viel größer und vielfältiger als vor 20 Jahren. Sie benötigt Prozessoren, die die hohen Anforderungen an Rechenleistung und Zuverlässigkeit unter schwierigsten Bedingungen erfüllt. (Bild: 24K-Production - stock.adobe.com)

Im Jahr 2022 beauftragte die NASA Microchip mit der Entwicklung des neuen PIC64-High-Performance-Spaceflight-Prozessors (HPSC), der die Neuerungen in der Raumfahrt-Avionik und Nutzlast in den kommenden Jahrzehnten vorantreiben wird. PIC64-HPSC-MPUs erfüllen die Anforderungen der Raumfahrt-Hardware- und Dienstleistungsbranche, die dem World Economic Forum zufolge ab 2023 jährlich um 7 Prozent von 330 auf 755 Milliarden US-Dollar im Jahr 2035 wachsen wird. Die Prozessoren sollen die Datenverarbeitungsherausforderungen als Teil eines neuen Ökosystems für die Entwicklung fortschrittlicher raumfahrttauglicher Rechner lösen. Dieses Ökosystem wird viele der gleichen weit verbreiteten Standards und Techniken nutzen, die weltweit kommerzielle und industrielle Neuerungen vorangetrieben haben.

Die Vision für den High-Performance-Spaceflight-Prozessor PIC64-HPSC

Eine weltraumtaugliche MPU für das nächste Kapitel der Raumfahrt musste zwei sehr unterschiedliche Anforderungen erfüllen: für Langzeitmissionen im Weltraum und für kürzere kommerzielle Missionen in erdnahen Umlaufbahnen (LEO; Low Earth Orbit). Gleichzeitig mussten die MPUs Neuerungen besser fördern, indem sie über die zweckgebundenen und veralteten Architekturen von gestern hinausgingen, um offene Standards und Open-Source-Software zu unterstützen. Dabei mussten sie viele der gleichen skalierbaren und erweiterbaren Techniken integrieren, die gleichzeitig alles vom Rechenzentrum bis zur E-Mobilität verändern.

Die ersten beiden Versionen der PIC64-HPSC-MPU-Reihe verwirklichen diese Vision. Die strahlungsfeste (RH; Radiation Hardened) PIC64-HPSC-RH-MPU bietet autonomen Missionen die lokale Verarbeitungsleistung für Echtzeitaufgaben wie die Vermeidung von Gefahren für Rover auf der Mondoberfläche sowie den geringen Stromverbrauch und den Strahlenschutz für Weltraummissionen. Für LEO-Missionen bietet die strahlungsresistente (RT; Radiation Tolerant) PIC64-HPSC-RT-MPU eine kostenoptimierte Lösung mit der erforderlichen Fehlertoleranz und Beständigkeit gegen Strahlung.

Hochleistung im All: Der PIC64-HPSC mit RISC-V-CPUs und Post-Quantum-Kryptographie

Zu den wichtigsten Neuerungen weltraumtauglicher MPUs gehört die Einbindung gängiger RISC-V-CPUs, ergänzt um Vektorverarbeitung, die KI/ML-Anwendungen unterstützt. Die MPUs enthalten auch branchenübliche Schnittstellen und Protokolle, die bisher für Weltraumanwendungen nicht verfügbar waren.

Zu den weiteren Leistungsmerkmalen zählen:

  1. Weltraumtaugliche 64-Bit-MPU-Architektur. Die Integration von acht 64-Bit-CPU-Cores SiFive RISC-V-X280 unterstützt Virtualisierung und Echtzeitbetrieb. Vektorerweiterungen bieten bis zu 2 TOPS (int8) oder 1 TFLOPS (bfloat 16) Vektorleistung für KI/ML in autonomen Missionen.
  2. Schnelle Netzwerkanbindung. Unterstützt mehrere schnelle Datenanbindungsoptionen, darunter a) bis zu 10-GbE-Time-Sensitive-Networking-/TSN-Ethernet; b) ein 240-GBit/s-TSN-Ethernet-Switch; c) skalierbare und erweiterbare PCIe-Gen-3- und Compute-Express-Link-/CXL-2.0-Anbindung mit x4- oder x8-Konfigurationen; und d) RMAP-kompatible SpaceWire-Ports mit internen Routern.
  3. Datenübertragung mit geringer Latenz. Die MPUs maximieren die Rechenleistung, indem sie Daten entfernter Sensoren in die Nähe der CPU bringen. Dies erfolgt über Remote Direct Memory Access (RDMA) über Converged-Ethernet-/RoCEv2-Hardwarebeschleuniger.
  4. Plattformbasierte Sicherheit auf Verteidigungsniveau. Die tiefgreifende Sicherheit der MPUs unterstützt Post-Quanten-Kryptographie und Manipulationsschutz.
  5. Hohe Fehlertoleranz. Die MPUs unterstützen den Dual-Core-Lockstep-Betrieb (DCLS), verwenden eine WorldGuard-Hardware-Architektur für die durchgängige Partitionierung und Isolierung und verfügen über einen integrierten Systemcontroller zur Fehlerüberwachung und -minderung.
  6. Flexible Leistungsanpassung. Mehrere Steuerelemente ermöglichen es den MPUs, die Rechenanforderungen in den verschiedenen Phasen von Weltraummissionen zu erfüllen. Gleichzeitig lassen sich Funktionen und Schnittstellen anwendungsspezifisch aktivieren.

Raumfahrt-Prozessoren: Neues Ökosystem für Innovationen

Die neuen MPUs für Hochleistungsrechner sind Teil dreier Säulen weltraumtauglicher Datenverarbeitungslösungen innerhalb eines neuen Innovationsökosystems. Zu diesem Säulen gehören auch Mikrocontroller (MCUs) für intelligente Edge-Verarbeitung sowie FPGAs und SoCs, die während verschiedener Missionsphasen rekonfigurierbare Funktionen sowie hohe Zuverlässigkeit und Sicherheit bieten (Bild 1).

Bild 1: Die drei Säulen der Weltraum-Datenverarbeitungslösungen von Microchip: MCUs, MPUs und FPGAs/SoCs
Bild 1: Die drei Säulen der Weltraum-Datenverarbeitungslösungen von Microchip: MCUs, MPUs und FPGAs/SoCs (Bild: Microchip)

Das größere Ökosystem der PIC64-HPSC-MPUs aus weltraumtauglichen Produkten und Software von Drittanbietern wird die Entwicklung integrierter Lösungen auf Systemebene vorantreiben. Zusätzlich zur Evaluierungsplattform von Microchip, die aus der MPU, einer Erweiterungskarte und einer Vielzahl von Peripherie-Tochterkarten besteht, umfasst das Ökosystem Avionik-taugliche Single-Board-Computer (SBCs), die gängige Formfaktoren und Industriestandards einbringen. Zu den ersten Mitgliedern des Ökosystems, die Ressourcen und Know-how bereitstellen, gehören SiFive, Moog, IDEAS-TEK, Ibeos, 3D PLUS, Micropac, Wind River, Linux Foundation, RTEMS, Xen, Lauterbach, Entrust und viele mehr.

Das Ökosystem umfasst auch weltraumtaugliche Companion-ICs. Diese sind so konzipiert und qualifiziert, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit bieten, um den rauen Bedingungen im Weltraum standzuhalten. Bild 2 zeigt, wie diese Komponenten in einem gängigen SBC im SpaceVPX-Formfaktor eingesetzt werden, um für die Raumfahrt die Entwicklung integrierter Avionik- und Nutzlastlösungen auf Systemebene zu beschleunigen.

Bild 2: Aktuelle Raumfahrtsysteme benötigen weltraumtaugliche Peripherie, darunter Takt-ICs und Zeitgeber, Speicher, diskrete Bauelemente und vieles mehr.
Bild 2: Aktuelle Raumfahrtsysteme benötigen weltraumtaugliche Peripherie, darunter Takt-ICs und Zeitgeber, Speicher, diskrete Bauelemente und vieles mehr. (Bild: Microchip)

Mehrere Partner des Ökosystems werden serienmäßige SBCs (wie in Bild 2) bereitstellen, die den von Organisationen wie VITA, SOSA oder PICMG festgelegten Standards entsprechen. Dadurch kann ein HPSC-SBC eines Anbieters nahtlos mit Steckkarten verschiedener anderer Anbieter in einem einheitlichen Gehäuse zusammenarbeiten. 

Unterschiede zwischen traditionellen und New-Space-Anforderungen an Prozessoren

Eine schnellere Systementwicklung durch ein umfassendes Ökosystem fördert die „New Space“-Ära. Im Gegensatz zum „Traditional Space“, in dem Raumfahrtprogramme und Entwicklung hauptsächlich von Regierungsbehörden und öffentlichen Mitteln vorangetrieben wurden, zeichnet sich New Space durch eine starke Beteiligung des Privatsektors und einen unternehmerischen Ansatz bei Weltraumprojekten aus. Die Beteiligten setzen sich für wirtschaftlichere und zugänglichere Ansätze bei der Entwicklung der Raumfahrt ein, insbesondere für LEO-Konstellationen. Diese weisen einzigartige Merkmale auf, z. B. geringere Strahlungsintensität, kürzere Missionsdauern, unterschiedliche Anforderungen an die Fehlertoleranz und ein häufigerer Austausch von Satelliten.

Die Prozessoranforderungen des traditionellen und des New Space spiegeln diese Unterschiede wider:

  • Traditional Space: Strahlungsfeste Prozessoren müssen so konstruiert sein, dass sie den extremen Bedingungen in der mittleren Erdumlaufbahn (MEO), der geosynchronen Erdumlaufbahn (GEO), im Weltraum und bei Planetenmissionen standhalten. Sie müssen in Umgebungen funktionieren, in denen die Elektronik starker Strahlung ausgesetzt ist.
  • New Space: Strahlungstolerante Prozessoren müssen auf die Anforderungen von LEO-Konstellationen zugeschnitten sein. Die optimale Lösung unterstützt Missionen, bei denen niedrigere Strahlungswerte einen kostengünstigeren Ansatz ermöglichen.

Diese Unterschiede werden aus Entwicklungssicht überbrückt, wenn Prozessor-Pin- und Software-Kompatibilität gegeben ist. Nutzer können so mit einem einzigen Entwicklungsdurchlauf maßgeschneiderte Lösungen für LEO- und Deep-Space-Missionen erstellen. Eine solche Kompatibilität zwischen den strahlungsfesten PIC64-HPSC-RH-MPUs und den strahlungsresistenten PIC64-HPSC-RT-MPUs erleichtert einen optimierten Designprozess, senkt die Entwicklungskosten und beschleunigt den Einsatz von Weltraumtechnik in verschiedenen Orbitalbereichen.

Die wachsende Rolle von 64-Bit-Embedded-MPUs

Neben der Weiterentwicklung weltraumtauglicher Rechner kommen 64-Bit-Embedded-MPUs auch in neuen KI-fähigen Edge-Computing- und anderen Embedded-Hochleistungsanwendungen hier auf der Erde zum Einsatz. Sie ergänzen 8-, 16- und 32-Bit-Mikrocontroller und -Prozessoren sowie FPGAs und SoCs, die alle von einem gemeinsamen Entwicklungstool-Ökosystem unterstützt werden. Dies bietet Entwicklern die Flexibilität und Wiederverwendbarkeit, die sie benötigen, um die Datenverarbeitungsanforderungen in zahlreichen Märkten und Anwendungen zu lösen und die Art und Weise zu verändern, wie Embedded-Systeme entworfen und betrieben werden – sei es in Edge-Anwendungen erdgebundener Netzwerke oder im Weltraum. (na)

Kevin So

Director of Product Line Marketing and Management der Communications Business Unit bei Microchip

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