Eine große rosafarbene, gesprenkelte Galaxie, die einem Rad mit einem kleinen, inneren Oval Ă€hnelt, mit staubigem Blau dazwischen auf der rechten Seite, mit zwei kleineren Spiralgalaxien gleicher GrĂ¶ĂŸe auf der linken Seite vor einem schwarzen Hintergrund.

Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA hat einen Blick in das Chaos der Cartwheel-Galaxie geworfen und neue Details ĂŒber die Sternentstehung und das zentrale Schwarze Loch der Galaxie enthĂŒllt. (Bild: NASA)

Update vom 3.8.2022: James Webb fÀngt "stellare Gymnastik" in der Cartwheel-Galaxie ein

Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA hat einen Blick in das Chaos der Cartwheel-Galaxie geworfen und neue Details ĂŒber die Sternentstehung und das zentrale Schwarze Loch der Galaxie enthĂŒllt. Der leistungsstarke Infrarotblick des Webb-Teleskops lieferte dieses detaillierte Bild der Cartwheel-Galaxie und zweier kleinerer Begleitgalaxien vor dem Hintergrund vieler anderer Galaxien. Dieses Bild bietet einen neuen Blick darauf, wie sich die Cartwheel-Galaxie ĂŒber Milliarden von Jahren verĂ€ndert hat.

Die ersten 5 offiziellen Bilder des James Webb Teleskops finden Sie hier.

Die Cartwheel-Galaxie, die sich etwa 500 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Sculptor befindet, ist ein seltener Anblick. Ihr Aussehen, das dem eines Wagenrads Ă€hnelt, ist das Ergebnis einer Hochgeschwindigkeitskollision zwischen einer großen Spiralgalaxie und einer kleineren Galaxie, die auf diesem Bild nicht sichtbar ist. Kollisionen galaktischen Ausmaßes verursachen eine Kaskade verschiedener, kleinerer Ereignisse zwischen den beteiligten Galaxien; das Wagenrad ist da keine Ausnahme.

Die Kollision hat vor allem die Form und Struktur der Galaxie verĂ€ndert. Die Cartwheel-Galaxie weist zwei Ringe auf – einen hellen inneren Ring und einen umgebenden, farbigen Ring. Diese beiden Ringe dehnen sich vom Zentrum der Kollision nach außen aus, wie Wellen in einem Teich, nachdem ein Stein hineingeworfen wurde. Aufgrund dieser charakteristischen Merkmale bezeichnen die Astronomen diese Galaxie als "Ringgalaxie", eine Struktur, die seltener ist als Spiralgalaxien wie unsere Milchstraße.

Der helle Kern enthĂ€lt eine enorme Menge an heißem Staub, wobei die hellsten Bereiche die Heimat von gigantischen jungen Sternhaufen sind. Der Ă€ußere Ring hingegen, der sich seit etwa 440 Millionen Jahren ausdehnt, wird von Sternentstehung und Supernovae dominiert. Wenn sich dieser Ring ausdehnt, stĂ¶ĂŸt er auf das umgebende Gas und löst die Sternentstehung aus.

Andere Teleskope, darunter das Hubble-Weltraumteleskop, haben das Cartwheel bereits untersucht. Aber die Galaxie war bisher von Geheimnissen umhĂŒllt – vielleicht sogar buchstĂ€blich, denn die Menge an Staub verdeckt die Sicht. Webb, das in der Lage ist, infrarotes Licht zu erfassen, gibt nun neue Einblicke in die Natur des Cartwheel.

Die Cartwheel-Galaxie von Hubble
Dieses Foto aus dem Dezember 2016 zeigt die Cartwheel-Galaxie, wie sie das Weltraumteleskop Hubble aufgenommen hat. Der QualitÀtsunterschied zu den neuen Aufnahmen durch das James Webb Telescop sind offensichtlich. (Bild: ESA/Hubble&NASA)
Bild nach der erfolgreichen PrĂŒfung der KrĂŒmmungsmitte des James-Webb-Weltraumteleskops
(Bild: NASA)

In KĂŒrze: Was ist das James-Webb-Weltraumteleskop?

Das James-Webb-Weltraumteleskop (kurz einfach nur Webb oder JWST (James Webb Space Telescope)) ist das weltweit grĂ¶ĂŸte, leistungsstĂ€rkste und komplexeste Weltraumteleskop, das je gebaut wurde. Webb soll RĂ€tsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und UrsprĂŒnge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Es wurde am 25. Dezember 2021 per Rakete ins All befördert. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner, der EuropĂ€ischen Weltraumorganisation ESA und der Kanadischen Weltraumorganisation. Seinen Namen hat vom dem ehemaligen PrĂ€sidenten der NASA zur Zeit der Apollo-Mondmissionen. Im Laufe der Jahre hat der Name jedoch zu Diskussionen gefĂŒhrt, da Webb an der homophoben Regierungspolitik der FĂŒnfziger- und Sechzigerjahre beteiligt gewesen sein soll, zudem war er kein Astronom, eher Manager und Politiker.

Zahlen und Fakten zum JWST

Umlaufbahn 1,5 Millionen km von der Erde entfernt in der Umlaufbahn des L2-Punktes (Lagrange), da ein Körper im L2 beim Umlauf um die Sonne die Orientierung in Bezug zur Erde beibehÀlt und gleichzeitig von der Sonne abgewandt frei ins All schauen kann.
Durchmesser des PrimÀrspiegels ca. 6,5 m
Material des PrimÀrspiegels Beryllium mit Goldbeschichtung
Masse des PrimÀrspiegels 705 kg
Anzahl der PrimÀrspiegelsegmente 18
Masse eines einzelnen PrimĂ€rspiegelsegments: 20,1 kg fĂŒr einen einzelnen Berylliumspiegel, 39,48 kg fĂŒr eine gesamte PrimĂ€rspiegelsegmentbaugruppe
Brennweite 131,4 Meter
Abdeckung der WellenlÀngen 0,6 - 28,5 ”m
GrĂ¶ĂŸe des Sonnenschilds 21,197 m x 14,162 m (~300 mÂČ)
Betriebstemperatur unter 50 K (-223,3 °C)
Startdatum

Dezember 25, 2021
Dauer der Mission

5 - 10 Jahre
   

Update vom 28.7: James-Webb-Weltraumteleskop ĂŒbertrifft seinen eigenen Rekord

Der 12. Juli 2022 hat die Raumfahrt jetzt schon verĂ€ndert – und das war erst der Anfang. Astronomen entdecken dank des Datenschatzes, den das James Webb Space Telescope (JWST) sammelt, jetzt reihenweise rekordverdĂ€chtig weit entfernte Galaxien. Darunter befinden sich mehrere Galaxien, die nur gut 200 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind – also vor etwa 13,6 Milliarden Jahren.

Vor dem Start des James-Webb-Weltraumteleskops war die am weitesten entfernte bestĂ€tigte bekannte Galaxie GN-z11, die Astronomen etwa 420 Millionen Jahre nach dem Urknall sahen, was ihr eine Rotverschiebung von 11,6 verleiht (die Rotverschiebung beschreibt, wie sehr das von einer Galaxie kommende Licht durch die Ausdehnung des Universums gestreckt wurde. Je höher die Rotverschiebung, desto weiter zurĂŒck in der Zeit sehen wir eine Galaxie.)

Wie space.com berichtet, meldeten bereits eine Woche nach der Veröffentlichung der ersten wissenschaftlichen Bilder von JWST Astronomen die Entdeckung von Galaxien mit der Rotverschiebung 13, was etwa 300 Millionen Jahren nach dem Urknall entspricht. Jetzt ĂŒbertrifft eine neue Welle wissenschaftlicher Ergebnisse diesen Rekord: Einige Astronomen berichten von der Entdeckung von Galaxien bis zu einer Rotverschiebung von 20. Wenn das stimmt, dann sehen wir diese Galaxien so, wie sie etwa 200 Millionen Jahre nach dem Urknall existierten. Dabei handelt es sich jedoch um ein großes "Wenn": Zum jetzigen Zeitpunkt ist keiner dieser Werte fĂŒr die Rotverschiebung bestĂ€tigt. Um die Entfernungen dieser Galaxien zu bestĂ€tigen, ist eine spektroskopische Analyse erforderlich, bei der das Licht eines Objekts in ein so genanntes Spektrum zerlegt wird. Diese Analyse wird erst zu einem spĂ€teren Zeitpunkt erfolgen. Es scheint jedoch klar zu sein, dass JWST durchaus in der Lage ist, Galaxien aus dieser lĂ€ngst vergangenen Ära zu entdecken.

Video der NASA zu den Höhepunkten der ersten Bilder vom James-Webb-Weltraumteleskop

Mit welchen Techniken wurden die Galaxien entdeckt?

Die Galaxien wurden mit verschiedenen Techniken entdeckt. Astronomen unter der Leitung von Haojing Yan von der University of Missouri-Columbia nutzten die Gravitationslinse des Galaxienhaufens SMACS J0723, um 88 Galaxienkandidaten jenseits einer Rotverschiebung von 11 zu entdecken, darunter eine Handvoll mit einer geschĂ€tzten Rotverschiebung von 20. Bei einer BestĂ€tigung wĂ€ren diese Galaxien die mit Abstand am weitesten entfernten, die jemals entdeckt wurden. Aufgrund der kosmischen Expansion wĂ€ren diese Galaxien heute ĂŒber 35 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt.

In zwei weiteren Veröffentlichungen wird ĂŒber die Entdeckung von Galaxien mit hoher Rotverschiebung in Bereichen des Himmels berichtet, in denen JWST einfach tiefe Aufnahmen gemacht hat, ohne dabei auf Gravitationslinsen zurĂŒckzugreifen. Diese Bilder sind Teil der Durchmusterung Cosmic Evolution Early Release Science (CEERS), die aus Aufnahmen von 10 Himmelsbereichen durch die Nahinfrarotkamera (NIRCam) von JWST besteht. Der Nahinfrarot-Spektrograf (NIRSpec) des JWST beteiligt sich an der Beobachtung von sechs dieser Flecken, wĂ€hrend das Mittelinfrarot-Instrument (MIRI) des Weltraumteleskops vier davon untersucht.

Ein Team von Astronomen unter der Leitung des Doktoranden Callum Donnan von der UniversitĂ€t Edinburgh fand eine Kandidatengalaxie mit einer Rotverschiebung von 16,7, was nur 250 Millionen Jahre nach dem Urknall entspricht. Das Team fand außerdem fĂŒnf weitere Galaxien mit einer Rotverschiebung von mehr als 12, die alle den Rotverschiebungsrekord des JWST-VorgĂ€ngers und jetzigen Kollegen, des Hubble-Weltraumteleskops, ĂŒbertreffen. Unterdessen entdeckte ein anderes Team unter der Leitung von Steven Finkelstein von der University of Texas in Austin mit denselben Beobachtungen von CEERS eine Galaxie mit einer Rotverschiebung von 14,3, also 280 Millionen Jahre nach dem Urknall, die die Forscher nach Finkelsteins Tochter "Maisie's Galaxy" nannten.

Gravitationslinsen erklÀrt

Was sind kosmischen Babys?

Die Vielzahl der entdeckten Galaxien mit hoher Rotverschiebung kann als kosmische Babys bezeichnet werden. Diese Galaxien haben einen Durchmesser von nur etwa 1.000 Lichtjahren und enthalten nur einige zehn Millionen Sterne, wÀhrend moderne Galaxien Hunderte von Milliarden von Sternen beherbergen können. Astronomen schÀtzen, dass die kosmischen Babys weniger als 100 Millionen Jahre alt sind, möglicherweise sogar erst 20 Millionen Jahre.

Die Wissenschaftler haben noch keine der allerersten Galaxien im Universum identifiziert, die möglicherweise bei Rotverschiebung 25 oder darĂŒber liegen. Die neuen Entdeckungen stehen jedoch fĂŒr Generationen von Galaxien, die kurz darauf folgten und die die Wissenschaftler in den frĂŒhen Stadien ihrer Entwicklung sehen.

Die Menge des ultravioletten Lichts (das in die lĂ€ngeren WellenlĂ€ngen des Infrarots umgeschichtet wurde, so dass es fĂŒr JWST sichtbar ist) in Verbindung mit der FĂŒlle an Galaxien mit hoher Rotverschiebung, die so frĂŒh in der Mission gefunden werden, lĂ€sst darauf schließen, dass es in der frĂŒhesten Geschichte des Universums viele Galaxien gab. Entgegen einiger Erwartungen könnte die Sternentstehungsrate allmĂ€hlich abnehmen, je weiter wir in die Vergangenheit blicken, und nicht erst jenseits der Rotverschiebung 11 stark abfallen.
"Sollte die nachfolgende Spektroskopie [diese Rotverschiebungen] bestÀtigen, bedeutet dies, dass unser Universum bereits weniger als 300 Millionen Jahre nach dem Urknall von Galaxien bevölkert war", schreibt Finkelsteins Team in ihrer Arbeit.

Nachdem JWST diese starken Galaxienkandidaten in großer Entfernung entdeckt hat, stellt sich nun die Frage, wie weit zurĂŒck JWST sehen kann und ob es ausreichen wird, die allerersten Galaxien zu entdecken, die vielleicht nur 100 Millionen Jahre nach dem Urknall existierten. Eine solche Entdeckung wĂŒrde eine große Portion GlĂŒck erfordern, da sie auf zufĂ€llige Gravitationslinsen angewiesen wĂ€re, um die ersten Galaxien ins Blickfeld zu bringen.

Update vom 13.7.2022 World Wide Telescope nimmt die Webb-Bilder in die Datenbank auf

Wer sich gefragt hat, wo sich am Nachthimmel die Bilder von gestern verstecken, dem sei das WorldWide Telescope (WWT) empfohlen. Das WWT ist ein virtuelles Teleskop fĂŒr Astronomen, ein virtuelles Observatorium der Erde fĂŒr Geoforscher und ein interaktives Lehr- und Lernwerkzeug fĂŒr WissenschaftspĂ€dagogen. Seit seiner Erstveröffentlichung Ende 2006 ist WWT laut Microsoft zu einem festen Bestandteil der Forschungsplattform vieler Wissenschaftler und zu einem unverzichtbaren Lehrplanbegleiter fĂŒr viele Wissenschaftslehrer weltweit geworden.

Das WWT hat nach der gestrigen Veröffentlichung der fĂŒnf JWST-Bilder reagiert und in seine Datenbank aufgenommen. Durch eine angenehm zu bedienende Navigierleiste, fĂŒhrt das WWT einen schnell zu der entsprechenden (virtuellen) Himmelsstelle. Per Zoom kommt man dann zu den Bildern und bekommt deinen einen kleinen Eindruck, um welche unglaublichen Entfernungen es sich eigentlich handelt.

Die Aufnahmen des Webb-Teleskops vom SĂŒdlichen Ringnebel im WorldWide Telescope
Wo stirbt der Stern im SĂŒdlichen Ringnebel? Das WorldWide Telescope hilft bei der Suche. (Bild: Screenshot von http://worldwidetelescope.org/webclient/)

Ebenfalls im WWT zeigt Alyssa A. Goodman, Astronomie-Professorin in Harvard, die Unterschiede der bisherigen Aufnahmen gegenĂŒber den Bildern, die das James-Webb-Weltraumteleskop geliefert hat: wo frĂŒher nur ein unscharfer Wust an leuchtenden Objekten zu sehen war, bietet das JWST ganz neue Einblicke in Sterne und Galaxien, die Milliarden von Lichtjahren entfernt sind.

Wie geht es nach den ersten Bildern weiter?

So faszinierend wie die Bilder aus dem All auch sind, sie stellen lediglich eine Vorschau auf das dar, was uns noch erwartet. Hubble beispielweise hat ĂŒber Jahrzehnte immer wieder außergewöhnliche Bilder geliefert. Das soll auch beim JWST so sein. NatĂŒrlich sind die bunten Bilder vor allem fĂŒr Laien und Hobbyastronomen interessant. Wissenschaftlter weltweit fiebern aber auch noch Spektren und Daten, die vielleicht nicht so schön aussehen, aber fĂŒr die Forschung von höchsten Interesse sind.

Update 12.7.2022 16:45: James-Webb-Weltraumteleskop liefert Bilder

Kosten von etwa 10 Milliarden US-Dollar, rund 30 Jahre Entwicklungszeit und unzĂ€hlige Personenstunden Arbeit. Heute, am 12.7. 2022, dĂŒrfen sich alle am Projekt Beteiligten ĂŒber die FrĂŒchte ihrer Arbeit freuen: die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA veröffentlicht die ersten fĂŒnf offiziellen Bilder des Weltalls, die das James-Webb-Weltraumteleskop in den letzten Monaten aufgenommen hat. Was sich an dieser Stelle zeigte, auch bei einer Behörde wie der NASA, die ein Projekt wie James Webb auf die Beine gestellt hat, gab es ganz irdische Probleme, die viele aus dem Home Office: Probleme mit dem Ton, der Empfang des GegenĂŒbers versagt und Verbindungsprobleme.

Rund um den Globus hatten sich Menschen versammelt, um gemeinsam den Live-Stream zur Veröffentlichung anzuschauen. Vorab hatte die NASA angekĂŒndigt, dass die Bilder den Carina-Nebel, den Riesenplanet WASP-96 b, den sĂŒdlichen Ringnebel, die fĂŒnf Galaxien Stephans Quintett und den Galaxienhaufen SMACS 0723 zeigen werden. Letzterer war bereits im Preview zu sehen.

Wir sind fasziniert und wĂŒnsche Ihnen viel Spaß mit den Bildern. #GoWebb

Diese Bilder stellen den Auftakt einer neuen Zeitrechnung in der Weltraumforschung dar. Sie ermöglichen einen bisher unmöglichen Einblick in die Geschichte des Universums. VerstĂ€ndlicherweise rief das auch in den sozialen Netzwerken aber auch bei Google entsprechende Reaktionen hervor. Wir haben einige davon gesammelt – weitere werden folgen.

NASA Live: Offizieller Stream von NASA TV zum Release der JWST-Aufnahmen

Update zu den ersten Bildern von James Webb vom 12.7.2022

„Das erste Bild des Webb-Weltraumteleskops ist ein historischer Moment fĂŒr Wissenschaft und Technik. FĂŒr die Astronomie und die Erforschung des Weltraums. Und fĂŒr Amerika und die gesamte Menschheit.“ Mit diesen Worten kommentiert US-PrĂ€sident Joe Biden die ersten Bilder des James-Webb-Teleskops (JWST). Das am 11.7.2022 veröffentlichte Bild von Webb zeigt tausende von Galaxien – darunter die schwĂ€chsten Objekte, die jemals im Infraroten beobachtet wurden. Aufgenommen hat das Teleskop den Galaxienhaufen SMACS 0723, wie er vor 4,6 Milliarden Jahren erschien. Die kombinierte Masse dieses Galaxienhaufens wirkt wie eine Gravitationslinse, die weit entfernte Galaxien dahinter vergrĂ¶ĂŸert. Das beeindruckende Bild wurde von Webbs Nahinfrarotkamera (NIRCam) aufgenommen und besteht aus Einzel-Bildern mit verschiedenen WellenlĂ€ngen. Die Aufnahme benötigte 12,5 Stunden – beim Vergleich mit dem VorgĂ€nger Hubble ist das kurz, da es fĂŒr eine Ă€hnliche Aufnahme zwei Wochen brauchte – in schlechterer QualitĂ€t.

Die NIRCam von Webb hat diese entfernten Galaxien in den scharfen Fokus gerĂŒckt – sie weisen winzige, schwache Strukturen auf, die nie zuvor gesehen wurden, darunter Sternhaufen und diffuse Erscheinungen. Schon bald werden die Forscher mehr ĂŒber die Masse, das Alter, die Geschichte und die Zusammensetzung der Galaxien erfahren, denn Webb ist auf der Suche nach den Ă€ltesten Galaxien im Universum.

„Unser Blick auf das Universum wird sich auf jeden Fall Ă€ndern.“ Wenn es um die bevorstehenden ersten Bilder des James-Webb-Weltraumteleskops am 12. Juli 2022 geht, spart Dr. Kenneth Sembach, Direktor des Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore, Maryland, nicht mit großen Worten. „Es wird ein Universum geben, dass wir vor Webb kannten und eines danach." Und Sembach muss es wissen, denn er leitet mit dem STScI das Operationszentrum fĂŒr die Mission. Auch die ehemalige Astronautin und Nummer 2 der NASA, Pamela Melroy, schĂŒrt die Vorfreude: „Was ich gesehen habe, hat mich berĂŒhrt, als Wissenschaftler, als Ingenieur, und als Mensch.“ Dabei ist die Erwartungshaltung zurecht hoch, haben alle beteiligten Partner mit dem James Webb Space Telescope (JWST) ein Meisterwerk an Ingenieurskunst geschaffen. So lĂ€sst sich mit den Instrumenten an Bord die WĂ€rmesignatur einer Hummel erkennen – die auf dem Mond fliegt.

Wann veröffentlicht die NASA die ersten Bilder vom James-Webb-Weltraumteleskop?

Am Montag, den 11. Juli um 5.00 pm Eastern Time (21:00 UTC) – also um 23.00 in Deutschland (MEZ) –, wird US-PrĂ€sident Joe Biden eines der ersten Bilder des Weltraumteleskops aus den Tiefen des Weltraums enthĂŒllen. Einen Live-Stream dazu gibt es bei NASA-TV.  Dies ist jedoch nur eine Vorschau auf das, was noch kommt.

Die ersten "richtigen" Bilder gibt es am Dienstag, den 12. Juli, um 10:30 Uhr Eastern Daylight Time (EDT) (14:30 UTC) – also 16:30 hierzulande. Dann wird die NASA in Zusammenarbeit mit der ESA (EuropĂ€ische Weltraumorganisation) und der CSA (Kanadische Weltraumorganisation) die ersten Farbbilder und spektroskopischen Daten des James-Webb-Weltraumteleskops im Rahmen einer FernsehĂŒbertragung veröffentlichen, die am Dienstag, den 12. Juli, um 10:30 Uhr EDT (14:30 UTC/15:30 MEZ) vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland, beginnt.

Die Redaktion von all-electronics hÀlt Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.

Vorschau auf die ersten Bilder von James Webb

Was wird auf den ersten Bilder von James Webb zu sehen sein?

Um die neugierige Masse nicht komplett im Dunkeln tappen zu lassen, hat die NASA vorab die Orte im Universum genannt, von denen es Bilder geben wird. Die aufgefĂŒhrten Ziele stellen den ersten Schub von wissenschaftlichen Vollfarbbildern und Spektren dar, die das Observatorium gesammelt hat. Sie stellen den offiziellen Beginn des allgemeinen wissenschaftlichen Betriebs von Webb dar. AusgewĂ€hlt wurden sie von einem internationalen Komitee aus Vertretern der NASA, ESA, CSA und des Space Telescope Science Institute.

  • Carina-Nebel. Der Carina-Nebel ist einer der grĂ¶ĂŸten und hellsten Nebel am Himmel und befindet sich in etwa 7.600 Lichtjahren Entfernung im sĂŒdlichen Sternbild Carina. Nebel sind stellare Kinderstuben, in denen sich Sterne bilden. Der Carina-Nebel beherbergt viele massereiche Sterne, die um ein Vielfaches grĂ¶ĂŸer sind als die Sonne.
  • WASP-96 b (Spektrum). WASP-96 b ist ein Riesenplanet außerhalb unseres Sonnensystems, der hauptsĂ€chlich aus Gas besteht. Der Planet, der fast 1.150 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, umkreist seinen Stern alle 3,4 Tage. Er hat etwa die HĂ€lfte der Masse des Jupiters und seine Entdeckung wurde 2014 bekannt gegeben.
  • SĂŒdlicher Ringnebel. Der SĂŒdliche Ringnebel oder "Eight-Burst"-Nebel ist ein planetarischer Nebel – eine expandierende Gaswolke, die einen sterbenden Stern umgibt. Er hat einen Durchmesser von fast einem halben Lichtjahr und ist etwa 2.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
  • Stephans Quintett: Das etwa 290 Millionen Lichtjahre entfernte Stephans Quintett befindet sich im Sternbild Pegasus. Es ist die erste kompakte Galaxiengruppe, die im Jahr 1877 entdeckt wurde. Vier der fĂŒnf Galaxien innerhalb des Quintetts sind in einen kosmischen Tanz wiederholter enger Begegnungen verwickelt.
  • SMACS 0723: Massive Galaxienhaufen im Vordergrund vergrĂ¶ĂŸern und verzerren das Licht der dahinter liegenden Objekte und ermöglichen so einen tiefen Einblick sowohl in die extrem weit entfernten als auch in die sehr schwachen Galaxienpopulationen.

Was leistet das James-Webb-Weltraumteleskop?

Das Weltraumteleskop James Webb soll uns in den nÀchsten Jahren helfen, viele grundlegende Fragen zu beantworten, deren Antworten in den Weiten des Universums schlummern. Doch die Beobachtungszeit ist heftig umworben; Hunderte Forschende haben sich eingetragen, allerdings bekommen nur wenig den Zuschlag.

Zum technischen Hintergrund: 10-Milliarden-Dollar-Zeitmaschine. Dieser Spitzname fĂŒr das Weltraumteleskop lĂ€sst bereits eine Aufgabe erahnen. Aufgrund seiner Empfindlichkeit fĂŒr lĂ€ngere WellenlĂ€ngen kann Webb Licht von vor 13,5 Milliarden Jahren empfangen und somit einen Blick in die Vergangenheit werfen, in der sich die ersten Sterne und Galaxien gebildet haben. Hintergrund ist, dass die WellenlĂ€nge bestimmt, welche Dinge ein Teleskop beobachten kann. Die Faustregel lautet: Je grĂ¶ĂŸer die WellenlĂ€nge – oder je weiter im Roten – desto Ă€lter sind die beobachteten Objekte. Dabei ist die Rotverschiebung zu beachten, welche die Verschiebung von Spektrallinien hin zu grĂ¶ĂŸeren WellenlĂ€ngen bezeichnet. Handelt es sich hierbei um WellenlĂ€ngen des sichtbaren Lichtes, dann bedeutet ihre VergrĂ¶ĂŸerung, dass sie nĂ€her an den Spektalbereich rĂŒcken, der von Menschen als rotes Licht wahrgenommen wird. Das James-Webb-Teleskop untersucht WellenlĂ€ngen von 0,6 bis 28 ”m, das heißt vom roten Teil des sichtbaren Licht (dieses reicht insgesamt von 0,38 bis 0,78 ”m) bis in das mittlere Infrarot (dieses reicht insgesamt von 0,78 bis 1000 ”m).

Die US-amerikanische Astrophysikerin Jeyhan Kartaltepe will diese Möglichkeiten beispielsweise fĂŒr ihr Vorhaben, den Cosmos Webb Survey, nutzen. Kartaltepe wird versuchen, eine Karte des Universums zu einem besonderen Zeitpunkt zu erstellen, zum Beginn der Re-Ionisationsepoche. Nach dem Urknall war das Universum zunĂ€chst voller heißer Ionen, wie im Innern der Sonne. Nach dem AbkĂŒhlen lag sĂ€mtliche Materie – so der Forschungsstand – ungeladen vor. Allerdings gab es noch keine Objekte, die genug Energie gehabt hĂ€tten, um Licht auszusenden. Forschende sprechen vom Dunklen Zeitalter (Dark Ages). Dieses wurde durch die Re-Ionisation beendet: Unter dem Einfluss der Gravitation hatten sich erstmals Sterne und Galaxien gebildet, die Licht ausgesendet haben – und genau dieses will Kartaltepe einfangen. „Wir wissen, dass es passiert ist, aber wir wissen nicht genau wann“, sagt die Astrophysikerin. Sie geht davon aus, dass die Re-Ionisation zuerst in wenigen Fleckchen geschah, wĂ€hrend der Rest des Universums noch schwarz und undurchsichtig war. Diese Regionen will sie in einer Karte eintragen.

Auch ein Projekt aus Deutschland, hat sich der Erforschung des Weltalls verschrieben. Laura Kreidberg, Astrophysikerin am Max-Planck-Institut fĂŒr Astronomie in Heidelberg, geht der Frage nach „Können Felsplaneten, die um Rote Zwerge kreisen, ihre AtmosphĂ€ren behalten?“ DafĂŒr misst James Webb Infrarot- und damit WĂ€rmestrahlung als entscheidendes Diagnosewerkzeug. Planeten ohne AtmosphĂ€re haben eine extrem heiße Tag- und eine klirrend kalte Nachtseite. Auf Planeten mit AtmosphĂ€re hingegen ist die Temperaturverteilung deutlich homogener. Daraus kann Kreidberg im Idealfall auf das Vorhandensein einer AtmosphĂ€re schließen. ZusĂ€tzlich ist James Webb mit einem Filter ausgestattet, der fĂŒr die Detektion der CO2-Spektrallinie bei 15 ÎŒm (Mikrometer) optimiert ist. Warum Kohlendioxid? CO2 ist ein Produkt von eventuell vorhandenem Vulkanismus. Hinzu kommt: Das MolekĂŒl ist schwer. „Wasser wĂŒrde ins All entkommen, aber Kohlendioxid hĂ€lt sich womöglich am Planeten“, sagte Kreidberg gegenĂŒber VDI-Nachrichten.

Schutz vor Strahlung und Co.: Wie Elektronik fit fĂŒrs Weltall wird

NatĂŒrlich steckt das James-Webb-Teleskop voller Elektronik. Die Anforderungen dabei sind extrem hoch: klein, leicht und vor allem strahlungsfest muss sie sein. Um Zeit, Kosten und Risiken bei der Entwicklung raumfahrttauglicher Systeme zu verringern, können Entwickler mit COTS-Bauelementen (Commercial-Off-The-Shelf) beginnen, die spĂ€ter durch ihre weltraumqualifizierten Versionen ersetzt werden. Dies sind strahlungstolerante Ă€quivalente Bauelemente, untergebracht in Kunststoff- oder KeramikgehĂ€usen mit der gleichen Pinbelegung. Außerdem treiben New-Space-Entwicklungen die Entwicklung von Elektronik fĂŒr den Weltraumeinsatz voran.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: HĂŒthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kĂŒmmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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