Trotz jahrzehntelanger Forschung bleibt die Kernfusion ein schwer erreichbarer Traum. Von extremen Materialanforderungen bis zu ineffizienten Systemen: Der Weg zur Energie-Revolution ist steinig.(Bild: Da)
Die Kernfusion verspricht saubere, unerschöpfliche Energie, doch enorme technische und finanzielle Hürden bremsen den Fortschritt. Materialprobleme, Effizienzfragen und hohe Kosten blockieren bisher den Traum von marktreifen Fusionskraftwerken.
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Die Einführung zur Kernfusion hat gezeigt, welches Potenzial die Technologie zur Lösung globaler Energieprobleme birgt. Doch zwischen der Theorie und der praktischen Umsetzung liegen noch große Hürden. Von der Materialbeständigkeit über die Erzeugung von Tritium bis hin zur Effizienzsteigerung – die Fusionsforschung muss zahlreiche Herausforderungen bewältigen, um den Traum von unbegrenzter, sauberer Energie Wirklichkeit werden zu lassen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die größten technischen und finanziellen Schwierigkeiten und warum es bisher noch keinen marktreifen Fusionsreaktor gibt.
Technische und wirtschaftliche Hürden auf dem Weg zur Marktreife der Kernfusion
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Die Kernfusionsforschung steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um diese Technologie zur Marktreife zu bringen. Eine der größten Hürden sind die Materialien für die Reaktorwände. Diese müssen extremen Temperaturen und einem ständigen Neutronenbeschuss standhalten. Wolfram, ein Material mit einem der höchsten Schmelzpunkte, wird zwar häufig verwendet, zeigt jedoch auch Grenzen in Bezug auf seine Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer.
Darüber hinaus ist die Entwicklung von Fusionskraftwerken äußerst kostenintensiv. Die größten internationalen Projekte wie ITER haben bereits mehrere Milliarden Dollar verschlungen, wobei ein Ende noch nicht abzusehen ist. Auch private Unternehmen wie Commonwealth Fusion Systems haben ebenfalls hohe Investitionen von Sponsoren erhalten. Hier stellt sich die Frage, ob die Technologie in einer liberalen Marktumgebung tatsächlich wirtschaftlich umgesetzt werden kann oder ob staatliche Unterstützung unerlässlich bleibt.
Plasmaphysik als Basis-Herausforderung
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Ein grundlegendes Problem der Kernfusion ist die Erzeugung und Stabilisierung des Materiezustands Plasma. Plasma ist der Zustand, in dem die Fusion stattfinden kann, und erfordert, dass zwei wesentliche Parameter exakt aufeinander abgestimmt werden: die Temperatur, die die Geschwindigkeit der Teilchen bestimmt, und die Teilchendichte, also die Anzahl der Teilchen pro Kubikmeter. Diese Kombination stellt die plasma-physikalische Grundaufgabe dar, die Forscher weltweit lösen müssen.
Darauf aufbauend ist es notwendig, Maschinen zu entwickeln, die diesen Zustand erzeugen und aufrechterhalten können. Diese Maschinen müssen zudem mit den nuklearen Prozessen umgehen können, die bei der Fusion entstehen. Im Unterschied zur Sonne, die reinen Wasserstoff verwendet, werden auf der Erde Wasserstoffisotope genutzt. Dabei entstehen bei der Verschmelzung Neutronen, die sowohl zur Tritiumerzeugung benötigt werden, als auch die Stahlstruktur des Reaktors aktivieren.
Effizienz und Dauerbetrieb
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Ein weiterer kritischer Punkt ist die Effizienz. Besonders bei der Trägheitsfusion müssen die Laser nicht nur effizienter werden, sondern auch in hoher Frequenz feuern. Derzeitige Technologien erlauben maximal einige Schüsse pro Tag, während für einen kontinuierlichen Betrieb mehrere Schüsse pro Sekunde erforderlich sind. Zudem gibt es Ansätze, bei denen zwar Energie gewonnen werden konnte, die investierte Energie jedoch höher lag. Auch die Skalierung der Reaktoren und die Senkung der Bau- und Betriebskosten bleiben entscheidende Faktoren. Mehr über die aktuellen Fortschritte und die Rolle privater Initiativen lesen Sie hier.
Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.
Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.(Bild: Proxima Fusion)
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=ymu8PhsrIJY)
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.(Bild: ITER)
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.(Bild: Iter)
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Anja Ullmann)
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.(Bild: National Ignition Facility)
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.(Bild: Lawrence Livermore National Laboratory)
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.(Bild: Von Michel Maccagnan -Eigenes Werk,CC BY-SA 3.0,Link)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)(Bild: Korea Institute of Fusion Energy (KFE))
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.(Bild: Institute of Plasma Physics at Hefei Institutes of Physical Science, Chinese Academy of Sciences)
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)(Bild: Modifiziert nach Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. - (2017-03-24). "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.(Bild: Universität Sevilla)
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.(Bild: Zap Energy)
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.(Bild: Zap Energy)
Tritiumerzeugung und -nutzung
Zusätzlich muss die Erzeugung und Lagerung von Tritium im Reaktor effizient gestaltet werden. Tritium, das für die Kernfusion benötigt wird, stellt auch ein potenzielles Proliferationsrisiko dar – also die Gefahr, es für Massenvernichtungswaffen nutzen zu können, da es in der Wasserstoffbombentechnologie verwendet werden kann. Die Frage, wie die Produktion und Verwendung dieses Isotops sicher kontrolliert werden kann, ist ein weiterer Aspekt, der bei der großflächigen Einführung von Fusionskraftwerken berücksichtigt werden muss. Die Entwicklung sicherer und effektiver Methoden zur Tritiumproduktion bleibt eine Herausforderung, die gelöst werden muss, um eine kontinuierliche Energieproduktion zu gewährleisten. Mehr über die Brennstoffe der Kernfusion und die entsprechenden Herausforderungen gibt es hier.
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Umwelt und Nachhaltigkeit
Obwohl die Kernfusion als umweltfreundliche Technologie gilt, entstehen bei der Reaktion Neutronen, die die Reaktorwände aktivieren und zu radioaktiven Abfällen führen können. Zwar sind diese Abfälle im Vergleich zur Kernspaltung weniger gefährlich und ihre Halbwertszeiten sind kürzer, dennoch muss ein sicheres Management dieser Abfälle gewährleistet werden, um langfristige Umweltauswirkungen zu minimieren. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um die Kernfusion als nachhaltige und gesellschaftlich akzeptierte Energiequelle zu etablieren.
Strahlenschutz und Robotik
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Da die Fusion eine nukleare Technologie ist, stellen der Strahlenschutz und die Handhabung radioaktiver Komponenten weitere Herausforderungen dar. Die Neutronen, die bei der Fusion freigesetzt werden, aktivieren die Stahlstruktur der Reaktoren, wodurch diese radioaktiv werden. Dies erfordert umfassende Strahlenschutzmaßnahmen, wie Abschirmung, Messungen und das Einhalten von Sicherheitsabständen. Besonders wichtig ist der Einsatz von Robotern für Remote-Handling, um den sicheren Umgang mit aktivierten Bauteilen zu gewährleisten. Diese Verbindung von Plasmaphysik und Nukleartechnologie ist eine der komplexesten Aufgaben der Fusionsforschung.
Der Weg zur Marktreife: Warum ist Kernfusion die Hoffnung für die Energiezukunft?
Obwohl in der Kernfusionsforschung große Fortschritte erzielt wurden, ist der Weg zur Marktreife noch weit. Experten schätzen, dass es noch mehrere Jahrzehnte dauern könnte, bis Fusionskraftwerke wirtschaftlich betrieben werden können. Die Ziele, die derzeit für die 2030er Jahre gesetzt werden, sind ambitioniert und hängen stark von den Fortschritten in den nächsten Jahren ab. Die Optimierung der Effizienz und die Reduzierung der Kosten sind dabei die entscheidenden Faktoren.
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Zusätzlich wird daran gearbeitet, wie Fusionskraftwerke in bestehende Energiesysteme integriert werden könnten. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf der Stabilität und Verfügbarkeit der Energiequelle, sondern auch auf der Skalierbarkeit und den wirtschaftlichen Aspekten, um Fusionsenergie als Ergänzung zu erneuerbaren Energien und als langfristige Lösung für die Grundlastversorgung zu etablieren.
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.