Nachhaltige Strategien für die Elektronikfertigung

Nachhaltigkeit in der Elektronikproduktion stärken

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Impulse für die Zukunft: Auf dem Podium diskutierten die Experten (v. r. n. l.: Anton Shmatko, Christian Ortmann, Christian Rückert, Maximilian Meindl und Jörg Nolte) engagiert über Strategien und Chancen für ‚Sustainable Electronics‘.
Impulse für die Zukunft: Auf dem Podium diskutierten die Experten (v. r. n. l.: Anton Shmatko, Christian Ortmann, Christian Rückert, Maximilian Meindl und Jörg Nolte) engagiert über Strategien und Chancen für ‚Sustainable Electronics‘.

Nachhaltigkeit prägt zunehmend die Elektronikfertigung. Effiziente Prozesse, Recycling, lokale Energieerzeugung und Reparaturmaßnahmen zeigen Wege, ökologische Verantwortung und Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden.

Unter der Moderation von Christian Rückert, Produktmanager Technologie bei Ersa GmbH, diskutierten Vertreter von Partnerunternehmen sowie Experten von Ersa über die vielfältigen Ansätze für mehr Nachhaltigkeit in der Elektronikproduktion. Mit auf dem Podium: Christian Ortmann (kolb Cleaning Technology GmbH), Anton Shmatko (MTM Ruhrzinn), Maximilian Meindl (Atlas Copco) und Jörg Nolte (Ersa GmbH).

Schon nach den Eingangsstatements wurde deutlich, dass es keine einzelne Maßnahme gibt, die den entscheidenden Unterschied macht. Nachhaltigkeit entsteht vielmehr durch das Zusammenspiel vieler kleiner Schritte – von effizienteren Fertigungsprozessen über Recyclinglösungen bis hin zu neuen Materialien. Am Ende kann diese Kombination europäische Elektronikhersteller in eine Position bringen, in der Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch geboten, sondern auch ein klarer Wettbewerbsvorteil ist.

Ressourcenschonende Reinigung – Effizienz als Hebel

Einen Schwerpunkt setzte Christian Ortmann von kolb Cleaning Technology. Er zeigte auf, dass Reinigung längst nicht mehr nur eine Frage der Qualitätssicherung ist, sondern ein zentraler Hebel für Ressourceneffizienz. Mit Niedrigtemperaturreinigern und intelligenter Prozessteuerung lassen sich Energie, Wasser und Chemie deutlich einsparen.

Besonders eindrucksvoll: Durch Vakuumdestillation kann der Frischwasserbedarf in Reinigungsanlagen um bis zu 95 % reduziert werden. Zudem erläuterte Ortmann anhand der Kaskadenspülung, wie sich durch geschickte Prozessführung der Verschmutzungsgrad steuern lässt – das erste Becken stark belastet, das letzte dauerhaft sauber. Auch komplett wasserfreie Verfahren, etwa bei der Wartungs- und Schablonenreinigung, sind inzwischen Realität. Sein Fazit: Gründliche Reinigung verlängert die Lebensdauer elektronischer Baugruppen und trägt damit ganz unmittelbar zur Nachhaltigkeit bei.

Recycling – Rohstoffe im Kreislauf halten

Anton Shmatko von MTM Ruhrzinn lenkte den Blick auf den Material- und Energieeinsatz. Für ihn ist Recycling von Lotabfällen gleich in mehrfacher Hinsicht sinnvoll: ökonomisch, regulatorisch und vor allem ökologisch. Denn Metalle wie Zinn, Kupfer und Edelmetalle lassen sich nahezu unbegrenzt wiederverwenden.

Zwar sei die sortenreine Trennung aufwendig, doch legierungsreine Aufbereitung ermögliche kurze Materialkreisläufe, die den CO₂-Ausstoß deutlich senken. Darüber hinaus reduziere sich die Abhängigkeit von Rohstoffimporten, was nicht nur ökologische, sondern auch geopolitische Vorteile bringt. Shmatko betonte, dass Nachhaltigkeit nur dann funktioniert, wenn viele Akteure ihren Teil beitragen und die Branche die Summe dieser Beiträge als Gesamtleistung versteht.

Stickstoff vor Ort erzeugen

Welche Rolle Energieeffizienz spielt, verdeutlichte Maximilian Meindl von Atlas Copco. Beim Einsatz von Stickstoff als Schutzgas sei die Erzeugung am „Point of Use“ die nachhaltigste Lösung, da aufwendige und CO₂-intensive Transporte entfallen.

Darüber hinaus stellte Meindl die Frage, ob in jedem Anwendungsfall tatsächlich die höchste Reinheit des Stickstoffs notwendig ist. Sein Befund: In manchen Prozessen lassen sich mit geringeren Reinheiten bis zu 50 % Energie sparen – ohne Einbußen bei der Prozesssicherheit. Ergänzend brachte er das Konzept „Power to Gas“ ins Spiel: die Stickstoffproduktion auf Vorrat, wenn überschüssige regenerative Energie im Netz vorhanden ist. Ein Beispiel, wie sich nachhaltige Produktion mit Flexibilität und Wirtschaftlichkeit verbinden lässt.

Reparatur und Rework – Elektroschrott vermeiden

Am Ende der Wertschöpfungskette stehen Reparatur und Nacharbeit – Themen, die nach Einschätzung von Jörg Nolte (Ersa) enorm an Bedeutung gewinnen. Angesichts von weltweit rund 60 Mio. Tonnen Elektroschrott pro Jahr bei einer Recyclingquote von nur 25 % sei Rework eine unverzichtbare Säule nachhaltiger Elektronikproduktion.

Nolte machte deutlich, dass komplexe Systeme wie Nahverkehrszüge oder CNC-Maschinen nicht entsorgt werden können, nur weil eine Steuerplatine defekt ist. Das „Recht auf Reparatur“, das die EU-Kommission vorantreibt, müsse daher auch auf Alltagsgeräte wie Toaster oder Notebooks ausgeweitet werden.

Ersa selbst arbeitet auf mehreren Ebenen: Rework-Systeme verlängern die Lebensdauer von Baugruppen, effiziente Selektivlötanlagen sorgen für optimale Ergebnisse bei minimalem Energieeinsatz, Reflow-Öfen sind thermisch hoch isoliert und geben Abwärme über Wärmetauscher zurück. Zusätzlich plant das Unternehmen, Kunden künftig mit prozessbezogener Energieberatung zu unterstützen.

Blick in die Zukunft – viel Potenzial, noch offene Baustellen

Trotz der vielfältigen Fortschritte ist klar: Noch steckt manches im Entwicklungsstadium. Neue Basismaterialien, die das Standardmaterial FR4 ersetzen könnten, sind noch nicht marktreif. Biobasierte Reinigungsmedien zeigen bislang nicht die erforderliche Leistung. Auch Lotpasten mit niedrigeren Schmelzpunkten befinden sich noch in der Erprobungsphase. Ansätze zur Materialreduktion, wie der selektive Auftrag von Lötstopplack – etwa bei Würth – sind bisher eher Pilotprojekte.

Mut zu neuen Konzepten

Zum Abschluss der Diskussion rief Hansjürgen Bolg, Bereichsleiter Lötwerkzeuge und Rework-Systeme bei Ersa, die Branche dazu auf, mutig zu sein. Neue Konzepte müssten ausprobiert, Recyclingprozesse konsequent etabliert und Energieeffizienz immer wieder hinterfragt werden. Nur wer Nachhaltigkeit aktiv in die Produktionsrealität integriert, wird die Elektronikfertigung zukunftsfähig machen – ökologisch wie ökonomisch.

Das Technologieforum in Wertheim zeigte eindrücklich, dass Nachhaltigkeit in der Elektronikproduktion keine ferne Vision ist. Ob Ressourceneffizienz, Recycling, Energieeinsparung oder Reparatur – es gibt bereits heute zahlreiche wirksame Ansätze. Noch sind viele Technologien in der Entwicklung, doch die Richtung ist klar: Schritt für Schritt entsteht eine Fertigung, die Umweltverantwortung mit Wettbewerbsfähigkeit verbindet.

Der Artikel basiert auf Unterlagen von Ersa GmbH, Wertheim am Main.

Petra Gottwald

Chefredakteurin productronic

Petra Gottwald