Eine häufige Ausfallursache bei elektronischen Baugruppen ist mangelnde Reinheit. In erster Linie sind damit ionische Verunreinigungen gemeint, welche sich auf der Oberfläche der Baugruppe befinden und dann zu den typischen Ausfallursachen wie Korrosion, elektrochemische Migration oder Kurzschlüsse im Zusammenspiel mit Feuchte führen können. Probleme müssen aber nicht erst im Laufe eines Lebenszyklus von Baugruppen auftreten. So kann schon während der Fertigung auf der Baugruppe zurückbleibende Verunreinigung zu Problemen beim Lackieren (Coating) oder Vergießen führen.
Wie die ionische Kontaminationsmessung mit dem Rose-Test funktioniert
Ein etabliertes Verfahren zur Bestimmung der ionischen Verunreinigung auf Leiterplatten und Baugruppen ist der Rose-Test nach IPC-TM-650 2.3.25. Hierbei werden Leiterplatten und Baugruppen mittels eines Kontaminometers vermessen. Das Messverfahren beruht auf der Leitfähigkeitsänderung und gibt als Endergebnis einen Summenwert an, der die gesamte ionische Verunreinigung in ein Verhältnis zu Natriumchlorid setzt. Ein gemessener Endwert von z. B. 1,4 µg/cm² äquivalent NaCl bedeutet demnach, dass die gesamte ionische Verunreinigung auf einem Quadratzentimeter die gleiche elektrische Leitfähigkeit wie 1,4 µg Natriumchlorid aufweist. Solch ein Summenwert ermöglicht es, einen Gesamtüberblick über die ionische Sauberkeit von Leiterplatten und Baugruppen zu erhalten. Eine stoffspezifische Darstellung der Verunreinigung kann der Rose-Test jedoch nicht liefern. Dies ist stattdessen mit der Ionenchromatografie möglich.
Vorteile des Ionenchromatografie-Messverfahrens als Alternative zum Rose-Test
Wie beim Rose-Test beruht das Ionenchromatografie-Messverfahren auf der elektrischen Leitfähigkeit von Ionen und ist in seiner Durchführung in der IPC-TM-650 2.3.28 geregelt. Der entscheidende Unterschied ist, dass bei der Ionenchromatografie im Gerät spezielle Trennsäulen zum Einsatz kommen, die es ermöglichen, Ionen nicht nur nach der Menge, sondern auch nach ihrer Art aufzulösen. Die Trennsäulen müssen auf die Art der in der Elektronik auftretenden Verunreinigungen abgestimmt sein. Die Anwendung eines zusätzlichen Tools zur lokalen Extraktion auf einer Baugruppe und anschließender Ionenchromatografie der zuvor gewonnenen Extraktionsflüssigkeit bringt einen weiteren Vorteil: Neben Menge und Art der Ionen kann ihr lokales Auftreten auf der Baugruppe bestimmt werden.
Genau diese Fähigkeit, ionische Verunreinigung im Detail aufschlüsseln zu können, ist der wesentliche Unterschied gegenüber dem Rose-Test. Mit diesem kann eine vorhandene ionische Verunreinigung auf einer Baugruppe nur als Summenwert festgestellt werden. Rückschlüsse über Quantität und Qualität der Zusammensetzung im Einzelnen sowie daraus eine Abschätzung des Ursprungs und das damit verbundene Gefahrenpotenzial der Verunreinigung liefert nur die Ionenchromatografie.
Malat, Adipat, Succinate – Ionenchromatografie identifiziert die Verunreinigung
Werden zum Beispiel auf einer Baugruppe die Salze von schwachen organischen Säuren gefunden (Malat, Adipat, Succinate), so kann dies in den meisten Fällen auf Flussmittel zurückgeführt werden, welches sich noch auf der Baugruppe befindet. Zugleich lässt sich anhand der physikalisch-chemischen Eigenschaft, beispielsweise von Malat, ein Gefahrenpotenzial vorhersagen. In diesem Fall wären das mögliche Betauungsprobleme durch die hygroskopische Wirkung von Malat. Sollten Sulfate detektiert werden, gibt die Ionenchromatografie einen Hinweis auf ein Risiko durch Schwefel-Korrosion. Derartige Zusammenhänge, also welches Risiko auf welche Ionen zurückzuführen ist, können für in der Elektronik relevante Ionen hergestellt werden.
Einer differenzierten Betrachtungsweise bedarf es zum Beispiel beim Vorfinden von Calcium. Werden annähernd gleiche Mengen von Calcium und Magnesium auf der Baugruppe gefunden, so kann die Ursache eine schlechte Wasserspülung nach der Flussmittelentfernung sein. Wird hingegen Calcium in Verbindung mit Flammhemmern und/oder kurzkettigen organischen Säuren gefunden, so kann dies auf eine unvollständige Vernetzung des Lötstopplacks hindeuten. Dieser Befund kann über REM-EDX- und IR-Spektroskopie-Untersuchungen nachverfolgt und abgesichert werden.
Dies sind Beispiele, die grundsätzlich die Möglichkeiten der Ionenchromatografie aufzeigen. Schlussendlich benötigen Unternehmen, die sich für dieses Verfahren entscheiden, ein kompetentes Analyselabor, das die Analysedaten nicht nur erzeugt, sondern für die Elektronik sachgemäß und fundiert interpretiert, bewertet und die richtigen Schlussfolgerungen ziehen kann.
Beide Messverfahren im Kontext des Grenzwerts der J-STD 001G
Nachdem nun beide Verfahren beschrieben wurden, geht der Artikel im Folgenden darauf ein, wie laut der IPC J-STD 001G ein Grenzwert für die Rose-Test-Messung ermittelt wird. Damit die Reinheit mittels Rose-Test schnell beurteilt werden kann, muss ein Referenzwert vorliegen. Früher wurde 1,56 µg/cm² NaCl eq. als oberer Grenzwert in der IPC J-STD 001 definiert – vor allem für gereinigte Baugruppen. Da es im Elektronikbereich durch die kontinuierlichen Technologiefortschritte in den letzten Jahren wesentliche Änderungen gab, sind die Reinheitsanforderungen auch deutlich strenger geworden. Daher ist der Wert 1,56 µg/cm² NaCl eq. seit langem nicht mehr praxisrelevant. Mit der IPC J-STD 001G Amendement 1 wurde nun dieser historische Wert als inakzeptabel eingestuft. Stattdessen soll ein Referenzwert über Klima-Widerstandsmessungen (Surface Insulation Resistance Test, also SIR-Test) und nach IPC-9202 grundsätzlich über Ionenchromatografie qualifiziert werden.
Ein SIR-Test an einem Testcoupon, kombiniert mit Ionenchromatografie, nach IPC-9202/-9203, ermöglicht eine gute Abschätzung des Risikos feuchtebedingter Ausfallmechanismen, die durch die Materialien und Prozessverunreinigungen verursacht werden können. Deshalb ist es wichtig, die Materialien und Prozesse beim Test zu verwenden, die auch für das Endprodukt verwendet werden. Es ist darüber hinaus hilfreich, wenn die aus den SIR-Testsubstraten erhaltenen Ionenchromatografie-Ergebnisse mit den Ionenchromatografie-Ergebnissen des Endprodukts verglichen werden, um die Konsistenz in Bezug auf die erfassten Ionen und die gemessenen Konzentrationen zu überprüfen. Wenn die durchgeführten SIR-Tests erfolgreich sind und die Ionenchromatografie-Messungen für die Testcoupons und das Endprodukt ähnliche Informationen bezüglich der Ionenkontamination liefern, kann eine kleine statistische Reihe von Ionenkontaminationsmessungen mit dem Rose-Test durchgeführt werden, um einen Ionenkontaminationswert, ausgedrückt in µg/cm² NaCl eq., und dessen Streuung zur Verfolgung der späteren Produktionsstabilität, insbesondere beim Launch eines Produktes, abzuschätzen. Auf diesem Weg kann ein IPC J-STD 001G Amendement 1 konformer Grenzwert für den Rose-Test ermittelt werden.
Qualitative und quantitative Bewertung von Verunreinigung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ionenchromatografie als hochauflösende, stoffanalytische Methode in der Elektronik die Möglichkeit hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Bewertung von Verunreinigung auf elektronischen Leiterplatten und Baugruppen darstellt. Sie entspricht damit den Anforderungen der IPC-9202 für den Reinheitsnachweis und ermöglicht die Begründung oder Interpretation von SIR-Testergebnissen. Nach dem endgültigen Wegfall des Grenzwerts von 1,56 µg/cm² NaCl eq. wird laut IPC J-STD 001 für die Rose-Test-Messung ein baugruppenspezifischer Grenzwert über die Ionenchromatografie und den SIR-Test ermittelt. Durch diese Standardanpassung gewinnt die Ionenchromatografie in Kombination mit dem SIR-Test somit an Stellenwert. Darüber hinaus lässt sich über die lokale Extraktion sogar die Position von Verunreinigungen auf einer Baugruppe bestimmen.
Ein weiteres interessantes Anwendungsfeld der Ionenchromatografie ist die Zuverlässigkeitsuntersuchung, vor allem im Rahmen von Schadensanalysen und Risikobewertungen hinsichtlich elektrochemischer Migration, Kriechströme und Korrosion. Das Vorhandensein bestimmter Ionen ist oft eine Voraussetzung für die genannten Ausfallmechanismen. Außerdem bietet die Ionenchromatografie einen Zugang zu Qualitätsmängeln und -störungen aus der Lieferkette, wie Leiterplatten mit problematischen Lötstoppmasken. Solche Mängel oder Störungen können aber auch in der Produktion, meist im Kontext des Lötprozesses, auftauchen.
Der Rose-Test dagegen findet überall dort seine berechtigte Anwendung, wo es um die Überwachung einer Prozessstabilität geht. Um die baugruppenspezifisch gesetzte Grenzwerteinhaltung überprüfen zu können, bedarf es einer einfachen Überwachung, die mit der Ionenchromatografie nicht leistbar ist. Damit bleibt der Rose-Test das Monitoring-Verfahren für die ionische Reinheit.
(hw)