Für manche Ingenieure treten EMV-Probleme völlig überraschend auf, entsprechend schwierig gestaltet sich die Lösung. Ein Cypress-Kunde aus der Infotainment-Branche versuchte beispielsweise ein System zu entwerfen, das Videobilder seriell an TFT-LCD-Bildschirme übermittelt. Auf den ersten Blick waren alle EMV-Anforderungen erfüllt: die Kabel waren geschirmt und fachgerecht an Masse angeschlossen. Die Videoquelle war ebenfalls ordnungsgemäß geerdet. Dennoch rasselte dieses System durch alle EMV-Tests.
Quell des Übels bei diesem Projekt war Strahlung, die der Grundfrequenz und deren Vielfachen des Parallel-Seriell-Wandlerchips entsprach. Der Entwickler musste erst die Videoerzeugung und die Serialisierung besser voneinander entkoppeln und terminieren, eine echte Massefläche schaffen und die Erdschleifen berücksichtigen. Mit diesen Ergänzungen waren seine EMV-Probleme im Handumdrehen gelöst – das hätte er einfacher haben können. Der folgende Leitfaden enthält Hinweise, wie Hardwareingenieure EMV-Probleme bereits in der Entwicklungsphase der Platine vermeiden und ein System ohne EMV-Funktionsstörungen erhalten.
Funkverbot
Die Taktraten, Clock-Frequenzen und Busdatenraten steigen und mit ihnen werden die Konstruktion und das Layout von Leiterplatten zu einer immer größeren Herausforderung. Mit den richtigen Design-Regeln lassen sich aber bereits beim Entwurf viele Probleme vermeiden.
Gute Masse
Der Schutz vor EMV-Problemen beginnt beim Erdungssystem. Es braucht einen geringen induktiven Widerstand: Wer die Massefläche auf einem Board maximiert, senkt damit die Induktivität der Masse innerhalb des Systems und verringert die elektromagnetischen Emissionen sowie das Übersprechen.
Signale können mit verschiedenen Methoden an Masse angeschlossen sein. Bei einer schlechten Platinenkonstruktion sind die Komponenten willkürlich an verteilte Massepunkte angeschlossen. Das führt zu einem hohen induktiven Widerstand der Masse und verursacht unweigerlich EMV-Probleme. Viel besser ist eine komplette Massefläche: diese sorgt für die geringste Impedanz, wenn der Strom wieder zu seiner Quelle zurückfließt.
Eine Massefläche erfordert jedoch eine eigenes Platinen-Layer, was bei zweilagigen Leiterplatten unter Umständen nicht machbar ist. In diesem Fall empfehlen sich Erdungsgitter (Bild 1a). Die Induktivität der Masse hängt dann vom Abstand zwischen den einzelnen Gitternetzen ab.
Einmal Erde und zurück
Eine große Rolle spielt auch die Art, wie ein Signal zur Systemerde zurückkehrt. Wenn es einen längeren Weg nimmt, erzeugt das Signal eine Erdschleife, die eine Antenne bildet und Energie abstrahlt. Deshalb sollte jede Leiterbahn, die Strom zurück zur Quelle transportiert, den kürzesten Weg nehmen und sie muss direkt zur Massefläche laufen.
Es ist nicht ratsam, zuerst alle einzelnen Massen miteinander zu verbinden und diese dann an die Massefläche anzuschließen. Das vergrößert die Stromschleife sowie die Wahrscheinlichkeit des so genannten Ground Bouncing (induktives Übersprechen von Masse zu Masse). Bild 1b zeigt, wie man es richtig macht.
Ein Faradayscher Käfig ist eine weitere gute Möglichkeit, um EMV-Probleme zu verringern (Bild 1c). Hierzu muss die Masse an die komplette Peripherie der Leiterplatte angeheftet sein und außerhalb dieser Begrenzung darf kein Signal verlaufen. Dieser Mechanismus begrenzt die Emissionen und Interferenzen von und zur Platine innerhalb und außerhalb des Käfigs.
Sauber trennen
Die Komponenten auf der Platine müssen entsprechend ihrer Funktionalität gruppiert sein, zum Beispiel analog, digital, Stromversorgung, Schaltkreise mit langsamer oder solche hoher Übertragungsgeschwindigkeit. Die Leiterbahnen einer jeden Gruppe sollten nur in dem ihnen zugewiesenen Bereich verlaufen. Muss ein Signal von einem Subsystem in ein anderes gelangen, sollte man am Übergang einen Filter einsetzen.
Auch die korrekte Anordnung der Leiterplattenschichten ist aus EMV-Sicht bedeutend. Falls mehr als zwei Schichten zum Einsatz kommen, sollte eine komplette Schicht als Massefläche dienen. Bei einer Leiterplatte mit vier Schichten sollte die Schicht unter der Massefläche als Stromversorgungsebene fungieren (Bild 2, oben). Dabei muss der Entwickler sorgfältig darauf achten, dass sich die Massefläche stets zwischen den Leiterbahnen für Hochfrequenzsignale und der Stromversorgungsebene befindet. Bei Leiterplatten mit nur zwei Schichten, auf denen keine der Schichten komplett als Massefläche dienen kann, sollte man auf Erdungsgitter zurückgreifen. Falls keine separate Stromversorgungsebene genutzt wird, sollten die Erdungsleiterbahnen parallel zu den Stromleiterbahnen verlaufen, um die Stromversorgung nicht zu beeinträchtigen.
Prima Taktgefühl
Bei digitalen Schaltkreisen muss der Entwickler Taktgebern und anderen Hochgeschwindigkeitssignalen besondere Aufmerksamkeit schenken. Leiterbahnen, die solche Signale miteinander verbinden, sollten so kurz wie möglich sein und an die Massefläche angrenzen, um die Strahlung und das Übersprechen zu kontrollieren. Bei solchen Signalen sollten die Ingenieure auf Durchkontaktierungen verzichten und die Leiterbahnen nicht an der Platinen-Kante oder in der Nähe von Anschlüssen verlaufen lassen. Diese Signale müssen außerdem von der Stromversorgungsebene fern gehalten werden, denn sie können auch dort stören.
Bei Leiterbahnen für einen Oszillator sollte – abgesehen von der Erdungsleiterbahn – keine andere Leiterbahn parallel oder unter dem Oszillator und seinen Leiterbahnen verlaufen. Der Quarz sollte sich ebenfalls in der unmittelbaren Nähe der entsprechenden Chips befinden.
Rückstrom folgt stets dem Pfad mit dem geringsten Blindwiderstand. Daher sollten sich Erdungsleiterbahnen, die Rückstrom führen, dicht bei der Leiterbahn befinden, die das zugehörige Signal transportiert, um die Stromschleife so kurz wie möglich zu halten. Leiterbahnen mit Differenzsignalen sollten dicht nebeneinander verlaufen, um den Vorteil der Aufhebung des Magnetfelds mit größtmöglicher Effizienz zu nutzen.
Leiterbahnen, die Taktgebersignale von einer Signalquelle zu einem Gerät transportieren, brauchen übereinstimmende Terminierungen. Wenn ein Impedanzunterschied besteht, wird ein Teil des Signals reflektiert. Wenn man beim Umgang mit diesem reflektierten Signal nicht die nötige Sorgfalt walten lässt, werden enorme Energiemengen abgestrahlt. Es gibt viele effiziente Terminierungen, einschließlich Abschlüssen an der Quelle oder am Endstück oder einer so genannten AC-Terminierung, also einem Leitungsabschluss mit kapazitiver Kopplung.
Rauschen vermeiden
Leiterbahnen für analoge Signale sollten sich nicht in der Nähe von Hochgeschwindigkeits- oder Schaltsignalen befinden und sie müssen immer mit einem Erdungssignal geschützt sein. Es sollte stets ein Tiefpassfilter verwendet werden, um eingekoppelte Hochfrequenzgeräusche von umliegenden analogen Leiterbahnen zu beseitigen. Außerdem ist es wichtig, dass analoge und digitale Subsysteme nicht dieselbe Massefläche benutzen.
Jeglicher Noise an der Stromversorgung neigt dazu, die Funktionsfähigkeit eines gerade im Betrieb befindlichen Geräts zu beeinträchtigen. Meist sind solche Störungen hochfrequent, weshalb ein Entkopplungskondensator benötigt wird. Der schafft in Richtung Masse einen niederohmigen Pfad für Hochfrequenzstrom.
Mit Kondensatoren gegen HF-Störungen
Der Pfad, dem der Strom auf dem Weg zur Masse folgt, bildet allerdings eine Erdschleife. Dieser Pfad sollte auf der kleinstmöglichen Stufe gehalten werden, indem in unmittelbarer Nähe des integrierten Schaltkreises ein Entkopplungskondensator platziert wird (siehe Bild 2, unten). Eine große Erdschleife verstärkt die Strahlung und kann eine potenzielle Quelle für EMV-Störungen sein.
Der Blindwiderstand eines idealen Kondensators geht mit steigender Frequenz gegen Null. Allerdings ist ein solcher idealer Kondensator nicht realistisch, außerdem sorgen der Anschlussdraht und das IC-Gehäuse für einen zusätzlichen induktiven Widerstand. Um den Entkopplungseffekt zu verbessern, eignen sich Mehrfachkondensatoren mit einer niedrigen ESL (äquivalente Reiheninduktivität).
Störende Kabel
Die meisten EMV-Probleme stammen von Kabeln, die digitale Signale transportieren und wie eine Antenne wirken. Idealerweise fließt Strom in ein Kabel hinein und verlässt dieses am anderen Ende wieder. Tatsächlich wird jedoch durch parasitäre Kapazität und Induktivität Strahlung erzeugt. Verdrillte Doppelleitungen helfen, die Kopplung gering zu halten: Eventuell erzeugte Magnetfelder heben sich auf. Bei Flachbandkabel müssen Mehrfachrückleitungen verfügbar sein. Hochfrequenzsignale brauchen geschirmte Kabel, bei denen die Abschirmung sowohl am Anfang als auch am Ende des Kabels mit der Masse verbunden ist.
Darüber hinaus kann es zwischen zwei beliebigen Leiterbahnen zu einem Übersprecheffekt kommen, der von der gegenseitigen Induktivität und Kapazität abhängt und proportional zum Abstand der beiden Leiterbahnen, der Flankensteilheit und der Impedanz der Leiterbahnen ist. In digitalen Systemen ist das induktive Übersprechen typischerweise stärker als das kapazitive Übersprechen. Die gegenseitige Induktivität kann man verringern, indem man den Abstand zwischen den Leiterbahnen vergrößert oder den Abstand zur Massefläche verkleinert.
Mit Schirm
Letztlich ist Abschirmen keine elektrische Lösung, sondern ein mechanischer Ansatz zur Bekämpfung von EMV-Problemen. Metallgehäuse (leitfähige und/oder magnetische Materialien) verhindern, dass elektromagnetische Störausstrahlungen aus dem System entweichen. Eine Abschirmung kann das gesamte System oder einen Teil davon schützen.
Eine Abschirmung kann man sich vorstellen wie einen geschlossenen, leitfähigen und geerdeten Behälter, der die Größe der Rahmenantennen wirksam verringert, indem er einen Teil ihrer Strahlung absorbiert und reflektiert. Die Abschirmung wirkt wie eine Trennwand zwischen zwei Bereichen: Sie vermindert die elektromagnetische Energie, die ein Bereich in Richtung des anderen abstrahlt. Das betrifft sowohl die E-Feld- als auch die H-Feldkomponente der Strahlungswelle.
EMV-sicheres Design
Die genannten Tipps stellen als Best Practice keine besonderen Herausforderungen an einen erfahrenen Design-Ingenieur. Sie vermeiden aber bereits in einem frühen Entwicklungsstadium Ärger, dem man später messtechnisch nur schwer auf die Schliche kommen würde. Wichtig ist, dass der Entwickler an jede Störquelle denkt – es genügt eine EMV-Schwachstelle, um das komplette System in Mitleidenschaft zu ziehen. Wer die Tipps beachtet, wird kaum von EMV-Problemen überrascht und findet – wenn doch – schneller die möglichen Ursachen.
Ashish Kumar und Pushek Madaan
(lei)