Grafik zeigt Rückgang bei Kennziffern in der Elektro- und Digitalindustrie: Produktion -9,3 %, Exporte -4 %, nominale Erlöse 223 Mrd. Euro, Beschäftigung 892.000 Personen, 38.000 in Kurzarbeit.

Kein Licht am Ende des Tunnels: Der ZVEI erwartet bei Produktion, Export und Beschäftigung rückläufige Kennzahlen. (Bild: ZVEI)

„Das vergangene Jahr war für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie sehr schwierig“, resümierte Dr. Gunther Kegel, Präsident des ZVEI, auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Verbands. Produktion und Exporte sind eingebrochen, während hohe Bürokratiekosten und Standortnachteile die Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Neben Kegel sprach auch Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, der insbesondere den wachsenden Bürokratieaufwand, die hohen Energiekosten und den drohenden Investitionsstau kritisierte.

Beide Redner forderten daher eine „Effizienzwende“: weniger Bürokratie, mehr wirtschaftliche Freiheit, bessere steuerliche Rahmenbedingungen und eine gezielte Förderung neuer Technologien.

Warum steckt die Elektro- und Digitalindustrie in der Krise?

Die wirtschaftliche Lage der deutschen Elektro- und Digitalindustrie hat sich 2024 dramatisch verschlechtert. Laut ZVEI ging die preisbereinigte Produktion zwischen Januar und November um über neun Prozent zurück. Auch die Umsätze schrumpften um sechseinhalb Prozent, während die Exporte um vier Prozent nachgaben.

Besonders problematisch: Alle wichtigen Absatzmärkte zeigten eine negative Entwicklung, darunter China und die USA. Die Zahl der Beschäftigten sank um zwei Prozent auf 892.000 Personen, wobei rund 30.000 Arbeitnehmer in Kurzarbeit geschickt wurden.

Dr. Gunther Kegel macht deutlich: „Immer deutlicher tritt zutage, dass die Probleme nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Art sind. Der Industriestandort Deutschland ist überreguliert und zu teuer.“

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„Eine schnelle Trendumkehr ist nicht zu erkennen. Ohne politische Reformen droht das dritte Rezessionsjahr in Folge.“

Dr. Gunther Kegel, ZVEI-Präsident

Welche strukturellen Probleme belasten die Branche?

Die wirtschaftlichen Probleme der Elektroindustrie sind nicht allein auf eine schwache Konjunktur zurückzuführen. Strukturelle Faktoren erschweren das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche erheblich.

Ein wesentlicher Faktor ist die übermäßige Regulierung und Bürokratie. Seit 2019 wurden in der EU 13.000 neue Regulierungen verabschiedet, während es in den USA nur 3.000 waren. Die Bürokratiekosten für Unternehmen belaufen sich auf 65 Milliarden Euro pro Jahr. Besonders belastend sind die CSRD-Nachhaltigkeitsberichtspflichten, das Lieferkettengesetz und die Datenschutzgrundverordnung. Wolfgang Weber brachte es auf den Punkt: „America innovates, Europe regulates.“

Auch die hohen Strompreise und die unzureichende Netzinfrastruktur bereiten der Branche große Probleme. Die Stromsteuer in Deutschland ist im internationalen Vergleich zu hoch. Der ZVEI fordert daher eine Senkung auf den EU-Mindestsatz. Zudem hinkt der Netzausbau hinterher. Für eine stabile Energieversorgung müssen in den kommenden Jahren 800.000 Kilometer neue Stromleitungen verlegt werden. Unternehmen leiden unter hohen Netzentgelten, da die Modernisierung von Stromnetzen nicht ausreichend aus Steuermitteln finanziert wird.

Ein weiteres Problem ist die schlechte steuerliche Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Unternehmenssteuerbelastung liegt sechs Prozent über dem OECD-Durchschnitt. Der ZVEI fordert daher eine grundlegende Reform, um Investitionen in Deutschland attraktiver zu machen.

Zitat

America innovates, Europe regulates.

Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung:
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Seit 2019 gab es in der EU 13.000 neue Regulierungen, in den USA nur 3.000. Das zeigt, dass wir auf dem falschen Weg sind.

Dr. Gunther Kegel, ZVEI-Präsident

Welche Lösungen fordert der ZVEI?

Dabei sahen Dr. Kegel und Wolfgang Weber vor allem die neue Bundesregierung in der Verantwortung und erwarten ein entschlossenes Handeln.

Beispielsweise müsse die Politik beim Bürokratieabbau Maßnahmen zur Reduktion der Berichtspflichten ergreifen. Namentlich wurden die CSRD-Vorgaben genannt, die dringend überarbeitet werden müssen. Auch das Lieferkettengesetz soll die Regierung neugestalten und bürokratische Hürden für KI-Zertifizierungen abbauen. Um die Energiekosten zu senken, fordert der ZVEI eine Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz. Außerdem müsse der Netzausbau stärker staatlich finanziert werden, um steigende Netzentgelte zu vermeiden.

Auch steuerliche Entlastungen für Unternehmen sind dringend erforderlich. Der Solidaritätszuschlag sollte abgeschafft werden. Zudem fordert der ZVEI beschleunigte Abschreibungen und Investitionsprämien, um den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu machen. Zukunftstechnologien wie die Halbleiterproduktion und KI-Projekte müssen gezielt gefördert werden. Um den Anschluss an den internationalen Wettbewerb nicht zu verlieren, schlägt der Verband eine steuerliche Normungszulage vor, um Unternehmen zu ermutigen, sich stärker in internationale Standardisierungsprozesse einzubringen.

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Die nächste Bundesregierung muss eine Regierung des Machens werden. Sie muss die großen Herausforderungen mutig adressieren und lösen.

 

Dr. Gunther Kegel, ZVEI-Präsident

Wie sieht die Prognose für 2025 aus?

Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie befindet sich an einem kritischen Punkt. Nach den dramatischen Rückgängen im Jahr 2024 erwartet der ZVEI für 2025 eine weitere leichte Schrumpfung der Produktion um zwei Prozent. Eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht, denn die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bleiben herausfordernd.

Die Exporte in die USA und nach China werden voraussichtlich nur eine moderate Erholung zeigen. Der amerikanische Markt könnte sich durch das massive Investitionsprogramm des „Inflation Reduction Act“ stabilisieren, doch gleichzeitig drohen neue protektionistische Maßnahmen. Falls eine neue US-Regierung unter Donald Trump wieder stärkere Handelsbarrieren errichtet, könnte dies zu neuen Schwierigkeiten für die deutsche Elektroindustrie führen. Auch in China bleibt die Nachfrage verhalten. Nach zwei schwachen Jahren wird zwar mit einer Stabilisierung gerechnet, jedoch ohne das frühere dynamische Wachstum.

In Deutschland selbst gibt es große Unsicherheiten. Entscheidend für die Entwicklung der Branche wird sein, ob und wie schnell die Politik auf die Herausforderungen reagiert.

Wann erwartet die Branche Unterstützung der Politik?

Der ZVEI sieht die Bundestagswahl 2025 als entscheidenden Wendepunkt. Auf Nachfrage von all-electronics, in welchem Zeitraum sich der ZVEI Unterstützung der neuen Bundesregierung erhofft, gab Dr. Kegel zu Protokoll: „Die kommende Regierung muss vom ersten Tag an Maßnahmen ergreifen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Das entscheidende Element ist die Psychologie: Wenn Unternehmen das Vertrauen gewinnen, dass Investitionen in Deutschland wieder rentabel sind, werden sie auch handeln.“ Solche Signale unmittelbar nach Amtsantritt würden klare Signale setzen, dass sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern wird.

Die Industrie erwartet daher erste Ankündigungen innerhalb der ersten 100 Tage nach Regierungsbildung.

  • Sofortmaßnahmen wie Bürokratieabbau können direkt umgesetzt werden, da sie keine großen finanziellen Mittel erfordern. Dies betrifft insbesondere die Überarbeitung der CSRD-Berichtspflichten und die Entlastung bei den Lieferkettenregelungen.
  • Steuerliche Maßnahmen wie eine Senkung der Stromsteuer oder Investitionsanreize müssen im ersten Haushaltsentwurf der neuen Regierung verankert werden, um Planbarkeit für Unternehmen zu schaffen.
  • Mittelfristige Investitionen in die Netzinfrastruktur und digitale Technologien sollten spätestens ab 2026 spürbar werden, um den Standort Deutschland nachhaltig zu stärken.

Falls diese Maßnahmen ausbleiben oder zu spät kommen, droht eine noch tiefere Krise. Ohne politische Unterstützung könnte 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge für die Branche werden.

Was kann die Industrie selbst tun, wenn politische Unterstützung ausbleibt?

Die Unternehmen der Elektro- und Digitalindustrie sind global vernetzt und haben in der Vergangenheit immer Wege gefunden, sich an schwierige Bedingungen anzupassen. Als Beispiel nannte Kegel dabei "sein" Unternehmen Pepperl+Fuchs. Doch diese Anpassungen haben oft gravierende Folgen für den Standort Deutschland.

Falls die neue Bundesregierung nicht entschlossen handelt, könnten viele Unternehmen verstärkt auf folgende Maßnahmen setzen:

  • Verlagerung von Investitionen ins Ausland: Bereits jetzt verlagert jedes dritte große Industrieunternehmen in Deutschland seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zumindest teilweise ins Ausland. Besonders attraktive Alternativen sind die USA, wo massive Förderprogramme laufen, sowie asiatische Märkte mit niedrigeren Produktionskosten.
  • Energieintensive Produktion auslagern: Angesichts der hohen deutschen Strompreise könnte es für viele Unternehmen sinnvoller sein, bestimmte Produktionsschritte in Länder mit günstigeren Energiekosten zu verlegen.
  • Reduzierung von Arbeitsplätzen in Deutschland: Bisher konnte die Branche den Personalabbau moderat halten. Doch wenn die Wirtschaftslage angespannt bleibt, könnten mehr Unternehmen gezwungen sein, ihre Belegschaft anzupassen. Eine Welle von betriebsbedingten Kündigungen könnte die Folge sein.
  • Fokus auf Digitalisierung und Automatisierung: Um die hohen Kosten für Energie und Personal auszugleichen, werden viele Unternehmen verstärkt in Automatisierung investieren. Dies könnte langfristig Arbeitsplätze sichern, bedeutet aber kurzfristig hohe Investitionen.

Dr. Kegel warnt: „Unternehmen sind flexibel. Wenn sie in Deutschland keine guten Rahmenbedingungen vorfinden, dann investieren sie woanders. Doch das wird langfristig dem Standort Deutschland massiv schaden.“

Fazit zur Prognose: Ein Jahr der Entscheidungen

Das Jahr 2025 wird entscheidend für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie. Die Unternehmen stehen an einem Wendepunkt: Entweder sie erhalten die notwendigen politischen Rahmenbedingungen, um in Deutschland zu investieren und zu wachsen – oder sie werden gezwungen sein, sich international neu aufzustellen, was auf Kosten des deutschen Industriestandorts gehen könnte.

Die Bundestagswahl wird zur Schicksalsfrage. Eine neue Bundesregierung hat die Chance, mit mutigen Reformen eine wirtschaftliche Trendwende einzuleiten. Doch falls sie zögert oder nicht entschlossen handelt, droht ein langfristiger Schaden für eine Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft.

Daher rief der ZVEI auch explizit dazu auf, sich an der Wahl und damit an der Zukunft des Standorts zu beteiligen. Eine Wahlempfehlung für eine Partei gab Dr. Kegel nicht ab. Namentlich erwähnte er nur die AfD, wobei er sich sehr kritisch äußerte. Er machte deutlich, dass sie nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland darstellen. „Rechtsextremistische Parteien schaden schon heute dem Wirtschaftsstandort und unserem internationalen Ansehen. Rassismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und faschistische Ideologien lehnen wir entschieden ab. Das gilt auch für die AfD.“

FAQ – Dringende Fragen zur Zukunft der Elektroindustrie

Warum steckt die Branche in der Krise?
Die Elektroindustrie leidet unter einem starken Rückgang bei Produktion, Exporten und Umsätzen. Die Probleme sind nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur.

Was sind die Hauptprobleme der Elektroindustrie?
Hohe Bürokratiekosten, überhöhte Energiekosten und eine zu hohe Steuerlast behindern das Wachstum der Unternehmen.

Welche Maßnahmen fordert der ZVEI?
Der Verband fordert einen massiven Bürokratieabbau, eine Senkung der Stromsteuer, steuerliche Entlastungen für Unternehmen sowie gezielte Investitionen in Halbleiterproduktion und KI-Projekte.

Wie könnte sich der Markt 2025 entwickeln?
Ohne politische Reformen droht ein weiteres Rezessionsjahr. Eine moderate Erholung ist möglich, wenn die Standortbedingungen verbessert werden.

Warum ist die Bundestagswahl 2025 so wichtig?
Die neue Bundesregierung kann durch mutige Reformen den Wirtschaftsstandort Deutschland retten oder durch Untätigkeit eine weitere Krise riskieren.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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