Wie laufen die Geschäfte bei Molex in Zeiten der Covid-19-Pandemie?
Bill Fitzer: Wir haben es geschafft, die COVID-19 Auswirkungen zu minimieren, vor allem, weil unsere Ausrichtung, unsere Produkte und Technologien so diversifiziert sind. Dennoch waren mehrere Geschäftssektoren, darunter die Automobilindustrie, von der durch die Pandemie verursachten Marktvolatilität betroffen. Wir arbeiten derzeit weiterhin eng mit unseren Kunden und Partnern zusammen, um die Auswirkungen der Pandemie zu verringern. Für uns erfreulich ist dabei die gestiegene Nachfrage in unseren Unternehmens- und Medizinsektoren, die alle Herausforderungen in anderen Bereichen ausgeglichen hat.
Einer der größten Wettbewerbsvorteile von Molex ist unsere globale Präsenz, denn wir verfügen über interne EMS-Fabriken auf der ganzen Welt. Dadurch sind wir in der Lage, schnell und effektiv auf die sich verändernde Marktdynamik zu reagieren. Wenn ein bestimmtes Marktsegment schwächer wird, können wir diese internen Ressourcen nutzen, um wachsende Bereiche in unserem gesamten Unternehmensspektrum zu unterstützen, in dem wir ihnen die gleichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Qualität, Fertigung und Produktmanagement bieten.
Was waren für Molex die Gründe, Laird CVS zu übernehmen? Vorher war Molex vor allem ein Steckverbinder-Hersteller, jetzt ist da so viel mehr.
Bill Fitzer: Als Teil von Koch Industries hat Molex Zugang zu Weltklasse Technologien und Lösungen. Dies hat uns in die Lage versetzt, uns von einem Unternehmen, das für seine Kompetenz im Bereich Steckverbinder bekannt ist, zu einem branchenführenden Anbieter von End-to-End-Systemen zu entwickeln. Unser Geschäftsbereich Connected Mobility Solutions repräsentiert dies in gewisser Weise. Molex wird zunehmend als führender Player in der Verbindung, Übermittlung und Korrelation von Hochgeschwindigkeitsdaten wahrgenommen.
Als Beispiel kann die Übernahme von Laird Connected Vehicle Solutions (CVS) dienen. Dabei ging es nicht nur um Marktanteile. Molex hatte bis dahin keine wirklich starke Präsenz in Deutschland. Unsere Gesamtstrategie war der Eintritt in den deutschen Markt mit einem klaren Wertversprechen über Steckverbinder hinaus. Die Strategie bestand darin, eine große Präsenz zu schaffen und gleichzeitig unsere Position als Innovationsführer zu stärken.
Gary Manchester: Im Antennenbereich sind wir auf dem Mobilfunkmarkt seit Jahren stark, sodass wir wirklich viel Kenntnis von diesem Markt hatten. Als wir uns mehr in den Bereich der Lösungen und der Bereitstellung der gesamten Verbindungsseite für die Automobilindustrie begaben, insbesondere da die Autos immer stärker miteinander vernetzt werden, war es für uns sinnvoll, in Laird CVS zu investieren, um unsere kombinierten Technologien speziell in die Automobilindustrie einzubringen. Wir werden zwar immer noch vor allem als Konnektorfirma wahrgenommen. Wir unterstützen aber auch seit 20 Jahren die Entwicklung von Ethernet-Software – und das seit den ersten Tagen als das Ethernet als Industriestandard diskutiert wurde. Unsere Industriegruppe führte eine Menge jener Software-Standards ein, die heute in Kraft sind. Wir haben also technologisch einen starken Interconnect-Hintergrund und bringen den heute ins Fahrzeug.
Bill Fitzer: Abgesehen von den Stärken, die wir bei Laird CVS gesehen haben, liegt der große Vorteil darin, dass das Unternehmen über umfassende Kompetenzen im Bereich der kabellosen Hochfrequenztechnik verfügt. 5G ist auf dem Vormarsch und ist in vielen Bereichen ein Game Changer. Wir sehen heute schon, dass eine unserer größten Investitionen darin besteht, einen Wettbewerbsvorteil bei diesen neuen Technologien zu haben, die jetzt ins Fahrzeug kommen.
Der Wechsel vom klassischen Steckverbinder-Unternehmen hin zum Tier 1 stellt eine ganz andere Perspektive dar. Bis zu einem gewissen Grad werden Sie also sogar mit Ihren früheren Kunden konkurrieren. Wie funktioniert das für Sie?
Bill Fitzer: Das ist ein sehr schmaler Grat. Wir konzentrieren uns auf die Bereiche, in denen wir wirklich etwas bewegen können, wie eben in der Hochgeschwindigkeitsverkabelung. Wir gehen in diesem Bereich nicht in direkte Konkurrenz zu anderen Tier 1 Unternehmen, sondern entwerfen und entwickeln mit ihnen zusammen im Auftrag eines OEMs. Zudem arbeiten wir mit den OEMs an ihren Anforderungen, die sie an die nächste Generation stellen, sprich: Wir arbeiten an den Interconnect-Voraussetzungen mit.
Es gibt außerdem Bereiche, in denen wir ehemalige Kunden als EMS-Partner unterstützen. Das haben wir in der gesamten Geschichte von Molex schon so gehandhabt. Die Überschneidungen in diesem Bereich sind gering, aber sollten sie trotzdem auftreten, setzen wir auf Transparenz, um das Beste daraus zu machen.
Gary Manchester: Wir wollen nicht mit den traditionellen Tier 1 konkurrieren, sondern wir investieren in Bereiche, die OEMs voranbringen können. Das heißt, dass wir mit ergänzenden Lösungen hauptsächlich dazu beitragen wollen, die Technologie weiterzuentwickeln. Die Netzwerktechnik, die heute ins Auto kommt, ist für uns bei Molex keine neue Technologie. Wir befassen uns seit den 1980er und 1990er Jahren im Zusammenhang mit der Netzwerk- und Computerindustrie mit Fragen der Signalintegrität und EMI. Jetzt bringen wir diese Technologie ins Fahrzeug.
Wir entwickeln also nicht nur die Hochgeschwindigkeitsverbindungen, sondern auch die Hochgeschwindigkeits-Steuergeräte, gezielt für das Auto. Wir wollen den Markt voranbringen; Molex versteht, wie man diese Art von Produkten für Fahrzeuge entwirft. Wir versuchen, wirklich innerhalb dessen zu bleiben, was wir als unser Fachgebiet definieren und wo wir unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten können. Das sehen wir nicht nur vom Standpunkt der reinen Produkttechnologie aus, sondern auch aus Sicht der Fertigung. Wir verfügen über einige ziemlich einzigartige Fertigungsmöglichkeiten zur Herstellung eines Gesamtsystems.
Bei einigen Herstellern hat sich Ethernet bereits etabliert, andere arbeiten mit Ethernet und CAN, LIN oder sogar MOST, andere wieder verzichten ganz auf Ethernet. Wo sehen Sie hier die Perspektive?
Bill Fitzer: Wir schauen uns besonders die Zonen-Architekturen an. Im Fahrzeug kommen immer mehr Kameras, Sensoren und andere Geräte hinzu. Traditionell würde man immer mehr Punkt-zu-Punkt-Verbindungen legen. Aber das erhöht die Kosten und verstärkt die EMI-Probleme. Ethernet wird weiterhin wachsen, aber der Übergang wird nicht einfach über Nacht passieren. Es wird eine Übergangszeit mit Ethernet und anderen neuen Protokollen geben.
Gary Manchester: Wir befinden uns noch ganz am Anfang dieses Übergangs. CAN und LIN werden nicht einfach verschwinden. Sie sind kosteneffizient und machen ihren Job sehr gut. Aber schon allein bei Betrachtung von Safety- und Security-Belangen in Fahrzeugnetzwerken wird Ethernet eine große Rolle spielen. Außerdem müssen wir andere Technologien wie Automotive SerDes berücksichtigen, die beispielsweise BMW zurzeit stark vorantreibt. Diese Technologie soll Informationen sehr effizient bewegen und höhere Bandbreiten bereitstellen, also das, was hochentwickelte Fahrzeuge wie sie zum Beispiel in Deutschland gefertigt werden, in Zukunft benötigen. Wir sprechen hier von Datenraten von 10-Gigabit und darüber hinaus. Dies ist kein Ersatz für Ethernet, sondern eine Ergänzung. Wir können auch heute schon einen 100-Gigabit-Backbone realisieren. Die Frage ist nur: können wir das auch kosteneffizient ins Fahrzeug bringen?
Viele OEMs wollen Domain-orientierte Architekturen einführen, anstatt mehr als 100 ECUs ins Fahrzeug zu bringen. Stellen Sie das auch fest in Ihren Gesprächen mit den Herstellern oder gehen einige auch den traditionellen Weg weiter?
Gary Manchester: Die Schlüsselhersteller in Deutschland, den USA und Japan setzen auf Zonen-Architekturen. Sie legen den Fokus auf Technologien wie beispielsweise ASA (Automotive SerDes Alliance) und auf Sensor-Aggregation mit dem Ziel, die Kosten zu senken. Denn unterm Strich lässt sich autonomes Fahren und hochentwickeltes ADAS nur so realisieren. Vor drei oder vier Jahren war Molex bereit für einen 10-Gigabit-Backbone – und jeder wollte ihn haben. Aber die Halbleiterindustrie hat sich mit ihren Komponenten nicht schnell genug weiterentwickelt, um die dafür erforderliche Automotive Grade zu liefern. Im Moment gehen wir davon aus, dass wir Anfang 2021 über den ersten 10-Gigabit-Ethernet-PHY (Automotive Grade) verfügen werden und in der Lage sein werden, die erste Multi-Gigabit-Lösung anzubieten. Die Automotive-Grade war hierbei nicht nur eine Frage der Signalgeschwindigkeit, sondern auch der Bereitstellung von ASIL B- oder D-Komponenten.
Lassen Sie uns einmal über drahtlose Kommunikation sprechen. Wo sehen Sie eine Veränderung von drahtgebundener Kommunikation zu Wireless und wie unterstützen Sie das im Fahrzeug?
Bill Fitzer: Ich denke die Endkunden erwarten beide Technologien. Gerade für die Stromversorgung gibt es via USB viele Möglichkeiten, immerhin haben wir es heute nicht mehr nur traditionell mit 5 W, sondern mit bis zu 60 W Ladeleistung zu tun. Bei der Drahtloskommunikation, vor allem mit dem Aufkommen von 5G, ist natürlich die Antenne ein zentraler Punkt. Es gibt einige neue Technologien mit denen wir uns befassen und bei denen wir traditionell die Einheiten verkabeln würden. Wir schauen uns aber selbstverständlich auch kabellose Hochgeschwindigkeitsdatenverbindungen an, um Kosten zu reduzieren und die Channel Performance zu erhöhen.
Gary Manchester: Die Frage ist doch, wann es sinnvoll ist, über Kabel und wann drahtlos kommuniziert wird. Ein gutes Beispiel sind Sensoren im Auto und Millimeterwellen-Technologien, bei denen wir untersuchen, wie wir diese im Fahrzeuginneren zur Kommunikation nutzen können – drahtlos oder über plastische Wellenleiter. Und auch außerhalb des Fahrzeugs befassen wir uns mit der Nutzung dieser Technologien. Die Millimeterwellen-Technologie lässt sich potenziell dazu nutzen, Daten mit hoher Geschwindigkeit aus dem Fahrzeug zu übertragen. Wir versuchen dabei immer, Kosteneffizenz und Performance unter einen Hut zu bringen.
Auch durch die Übernahme von Laird CVS verfügen wir über viel Know-how und langjährige Erfahrung um beurteilen zu können, wann wir was mit drahtloser Technologie tun können und wann nicht. Das Ganze steht und fällt aber mit der Infrastruktur: Natürlich kann man Millimeterwellen- und 5G-Technologie ins Auto einbauen, aber wenn keine ausreichende Infrastruktur für die Kommunikation da ist, wie soll das Auto mit ihr interagieren? Zudem gibt es die Herausforderung, wie unterschiedlich die Regionen auf der Welt ihre Infrastrukturen entwickeln. Auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land spielen eine Rolle. Gerade Millimeterwellen-Technologie mit ihrem Versprechen, Multi-Gigabit-Datenströme zu liefern, befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.
Lassen Sie uns zu einem Ihrer klassischen Geschäftsbereiche kommen: der Shark-Fin-Antenne. Niemand mag sie, würde sie am liebsten loswerden. Wie sieht Ihre Strategie aus?
Gary Manchester: Die Shark-Fin-Antenne (also Haifischflosse) wird noch lange Zeit eine dominierende Rolle einnehmen, aber gerade in Deutschland gibt es einige Technologietreiber in der Automobilindustrie, die die Fahrzeugarchitektur innovativ weiterentwickeln. Mit uns als Antennen-Partner arbeiten sie an neuen Technologien, die einen geringeren Signalverlust ermöglichen, und gleichzeitig höhere Bandbreite und geringerer Latenz vorantreiben. Hier geht es um smarte Antennen und die Antennenfusion mit den Transceivern.
Ein ganz neuer technologischer Ansatz sind verteilte Antennen. Die Frage hier ist: lässt sich über mehrere verteilte Antennen am Fahrzeug effizienter mit der Infrastruktur und Umgebung kommunizieren und lässt sich Verarbeitung der Daten kosteneffizient zentralisieren? Molex befasst sich eingehend damit, welche die beste Antennenarchitektur mit Hinblick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist. Das Premiumsektor treibt dabei diese technischen Innovationen und bereitet damit den Weg für den Massenmarkt. Gerade bei Antennenarchitekturen sehen wir, dass der Markt weltweit verschiedene Lösungen favorisiert. Wir arbeiten weltweit mit unseren Kunden zusammen und versuchen, die Antennentechnologien auf der Grundlage der spezifischen Plattformen und Anforderungen der OEMs weiter zu entwickeln.
Was sind Ihre nächsten Schritte bei Molex? Wo geht die Reise hin?
Bill Fitzer: Im Hinblick auf Deutschland und die Übernahme von Laird CVS ist es für Molex wichtig, branchenführende Technologie zu nutzen und gleichzeitig unsere Marktpräsenz zu optimieren. Wenn wir über Antennen der nächsten Generation sprechen, ist es für uns entscheidend, eine qualitativ erstklassige Lösung zu entwickeln und herzustellen, die als Plattform dient und die wir an die spezifischen Anforderungen der OEMs anpassen können.
Dabei dürfen wir die Verkabelung nicht aus den Augen verlieren. Schließlich stellen wir bis zu 100 Millionen Hochgeschwindigkeitskabel pro Jahr her. Und insbesondere da die Verbesserung der Sicherheit von der steigenden Anzahl an Kamerasensoren in Autos abhängt, wird die Signalintegrität immer wichtiger. Die Messlatte wird hier sehr hochgelegt. Wir werden diese Strategie in den nächsten zwei bis drei Jahren fortsetzen und vor allem in Bereichen, in denen es noch keine Lösungen gibt, wie z.B. der Optimierung der Wärmeableitung oder Millimeterwellen, noch aktiver werden. Wir haben auch eine sehr enge Beziehung zu Halbleiterherstellern, die die Zusammenarbeit bei Referenzdesigns für Automobilanwendungen vorantreiben wird.
Alfred Vollmer
(na)