Läuft es wirtschaftlich nicht oder es gibt andere unternehmerische Gründe, müssen Firmen Maßnahmen ergreifen. Welche das in letzter Zeit getan haben, wer davon betroffen ist und was die Gründe dafür sind.(Bild: ChatGPT / OpenAI)
Werksschließungen, Produktionsstopps und zunehmende Insolvenzen prägen die Elektronikbranche im Jahr 2025. Unsere Übersicht zeigt, welche Unternehmen wann und wie betroffen sind und welche Entwicklungen dahinter stehen.
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Deutschland erlebt 2025 ein neues Hoch bei Unternehmensinsolvenzen: Nach einem Zuwachs von 22 % im Jahr 2024 prognostiziert Allianz Trade für 2025 nochmals 10 % mehr Fälle – das entspricht rund 24.300 Verfahren und ist der höchste Stand seit 2015. Besonders betroffen sind Kleinstunternehmen, aber auch größere Betriebe – bei Letzteren stieg die Zahl der Insolvenzen 2024 um 44,4 %.
Als Hauptursachen gelten hohe Finanzierungskosten, Investitionszurückhaltung, geopolitische Unsicherheiten und ein zunehmender Standortnachteil Deutschlands. ZVEI-Präsident Kegel brachte es so auf den Punkt: „Deutschland ist überreguliert und zu teuer!“ Betroffen ist vor allem das Dienstleistungsgewerbe, doch auch die Industrie steht unter Druck – insbesondere die Elektronik: gestiegene Energie- und Materialkosten, globale Überkapazitäten und wegbrechende Aufträge aus der Automobilindustrie setzen die Branche massiv unter Zugzwang. (Dazu später mehr)
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Die folgende Übersicht zeigt, welche Unternehmen 2024/25 Standorte schließen oder Insolvenz anmelden mussten.
Kathrein in der Krise:Die Rosenheimer Unternehmensgruppe Kathrein musste für mehrere Gesellschaften Insolvenz anmelden. Nach derKathrein SEfolgten auch Kathrein Electronics und Kathrein Digital Systems, während Kathrein Broadcast bereits im Frühjahr Insolvenz beantragt hatte und inzwischen einen Investor gefunden hat. Gegründet 1919, war Kathrein jahrzehntelang einer der weltweit führenden Anbieter von Antennen- und Satellitentechnik und galt als Aushängeschild Rosenheims.(Bild: Kathrein)
Cellforce vor dem Aus:Porsche will die Batterietochter weitgehend abwickeln, rund 200 Mitarbeiter am Standort Kirchentellinsfurt verlieren ihre Jobs. Laut IG Metall sollen dieKündigungen in Kürze verschickt werden, und auchdie geplante Massenentlassung ist bereits angezeigt. Übrig bleiben soll lediglich eine kleine Einheit für Forschung und Entwicklung, während der Aufbau einer größeren Batteriezellfertigung endgültig vom Tisch ist. Damit endet ein Projekt, das ursprünglich als Vorzeigebeispiel für die deutsche Batteriezellenproduktion gestartet war.(Bild: Cellforce)
Wolfspeed hat am30. Juni 2025 Insolvenz nach Chapter 11 angemeldet, um seine Schuldenlast von rund 6,5 Mrd. USD zu restrukturieren. Geplant ist ein Schuldenschnitt von etwa 70 % (ca. 4,6 Mrd. USD) sowie eine Reduktion der jährlichen Zinszahlungen um 60 %. Das Unternehmen verfügt über etwa 1,3 Mrd. USD an Barmitteln und will den Restrukturierungsprozess bis Ende Q3 2025 abschließen. Trotz der Insolvenz bleibt der operative Betrieb vorerst bestehen. Wolfspeed liefert weiterhin Produkte aus und bezahlt Lieferanten.Das geplante Chipwerk im Saarland, ein 3-Mrd.-Euro-Projekt in Kooperation mit ZF Friedrichshafen, wurde bereits im Oktober 2024 auf unbestimmte Zeit verschoben.Hintergrund der Krise sind sinkende Nachfrage im E-Mobilitäts- und Industriesektor, aggressive Konkurrenz aus China, Exportprobleme durch US-Zollpolitik und Unsicherheiten bezüglich der CHIPS Act-Förderung unter der Trump-Administration.(Bild: Wolfspeed)
Lilium – München (Bayern)Der Münchner Entwickler elektrisch betriebener Senkrechtstarter (eVTOL) Lilium hat im Februar 2025 zum zweiten Mal Insolvenz angemeldet, nachdem bereits im Oktober 2024 ein erstes Verfahren eröffnet worden war. Die ursprünglich zugesagte Rettung durch ein Investorenkonsortium scheiterte an einer ausgebliebenen Hauptzahlung. Der Betrieb wurde eingestellt, rund 770 Mitarbeitende waren betroffen. Eine nachhaltige Umstrukturierung erscheint derzeit unwahrscheinlich.(Bild: Lilium)
Volocopter – Bruchsal (Baden-Württemberg)Auch der Flugtaxi-Entwickler Volocopter hat Ende Dezember 2024 Insolvenz angemeldet. Der Geschäftsbetrieb soll vorerst weiterlaufen, während ein Sanierungskonzept erarbeitet wird. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags beschäftigte das Unternehmen rund 500 Mitarbeitende. Grund für die finanzielle Schieflage war das Scheitern von Finanzierungsverhandlungen mit Investoren. Volocopter plant weiterhin, die Marktzulassung für seine vollelektrischen eVTOL-Fluggeräte zu erhalten.(Bild: Volocopter)
Würth Elektronik – Schopfheim (Baden-Württemberg)Würth Elektronik schließt die Leiterplattenproduktion am Standort Schopfheim. Über 300 Beschäftigte sind betroffen. Der Schritt erfolgt wegen stark rückläufiger Auftragslage in der europäischen Serienfertigung. Die Produktion wird auf andere Standorte wie Niedernhall und Rot am See verlagert.Im Februar 2025 wurde ein Sozialplan mit Vermittlungsunterstützung beschlossen.(Bild: Würth Elektronik)
Plexus – Darmstadt (Hessen)Der US-amerikanische EMS-Dienstleister Plexus schließt sein Design Center in Darmstadt zum 28. Juni 2024 und zieht sich damit vollständig aus Deutschland zurück. 56 Mitarbeitende sind betroffen. Grund ist die sinkende Nachfrage in den Bereichen Healthcare und Industrie sowie eine globale Kostensenkungsstrategie.(Bild: Plexus)
Panasonic – Enns (Oberösterreich)Panasonic wird den Standort Enns, an dem Basismaterial für Leiterplatten gefertigt wird, bis Ende 2025 vollständig schließen. Rund 140 Mitarbeitende sind betroffen. Die Entscheidung ist Teil einer globalen Produktionskonsolidierung.Zur Meldung(Bild: arliftatoz2205 @ AdobeStock)
ContiTech – Mehrere Standorte in DeutschlandContinental-Tochter ContiTech plant im Jahr 2025 die Schließung von fünf Produktionsstandorten in Deutschland: Bad Blankenburg, Stolzenau, Moers, Frohburg und Geithain. Betroffen sind rund 580 Arbeitsplätze. Hintergrund sind anhaltende Nachfragerückgänge, etwa durch den Braunkohleausstieg und schwache Märkte in der Automobil- und Fördertechnik. Zusätzlich soll die Luftfeder-Produktion in Hannover-Vahrenwald bis 2026 nach Tschechien verlagert und der Standort Hamburg im Geschäftsfeld OESL deutlich verkleinert werden.Mehr zur Werksschließung. Parallel prüft der Mutterkonzern Continental eine vollständige Verselbstständigung oder den Verkauf der Sparte ContiTech bis 2026.Zur Verkaufsankündigung.(Bild: Continental / Collage)
Eissmann Automotive – Bad Urach, Gera, PirnaDer Automobilzulieferer Eissmann Automotive, spezialisiert auf Interieur-Komponenten und elektronische Systeme, meldete im März 2024 Insolvenz an. Betroffen sind rund 1.000 Mitarbeitende in Deutschland, vor allem an den Standorten Gera, Pirna und Bad Urach. Trotz des laufenden Verfahrens sollen die Werke vorerst weiter betrieben und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Laut Insolvenzverwalter gibt es keine akuten Schließungspläne, und Löhne werden seit Mai 2024 wieder durch das Unternehmen selbst gezahlt. Ziel ist eine vollständige Übernahme aller Produktionsstandorte durch einen Investor.(Bild: Eissmann Automotive)
Deltec Automotive – Furth im Wald (Bayern)Der Hersteller von elektronischen Baugruppen Deltec Automotive meldete im Dezember 2024 Insolvenz an. Betroffen waren rund 400 Mitarbeitende. Gründe waren laut Geschäftsführung Nachfragerückgänge im Automobilsektor sowie Umsatzverlagerungen ins Ausland. Trotz Insolvenz lief der Geschäftsbetrieb stabil weiter – mit Erfolg: Im Frühjahr 2025 wurde das Unternehmen in einer übertragenen Sanierung an den neuen Eigentümer Carsten Ellermeier übergeben. Etwa 300 Arbeitsplätze und der Standort in Furth im Wald bleiben damit erhalten.(Bild: Deltec)
United Robotics Group – Bochum (Nordrhein-Westfalen)Die United Robotics Group, ein Zusammenschluss von acht Servicerobotik-Unternehmen unter dem Dach der RSBG, meldete im Februar 2025 Insolvenz in Eigenverwaltung an. Zur Gruppe gehörten unter anderem SoftBank Robotics Europe (ehemals Aldebaran, bekannt durch „Pepper“ und „NAO“), Rethink Robotics („Sawyer“, „Baxter“) sowie weitere spezialisierte Unternehmen aus den Bereichen mobile Robotik, soziale Robotik und Systemintegration. Ursachen der Insolvenz waren unter anderem hohe Entwicklungskosten, fehlende Profitabilität und der Finanzierungsstopp durch die RAG-Stiftung. Rund 800 der 1.600 Arbeitsplätze sind gefährdet.(Bild: United Robotics Group)
ArtiMinds Robotics – Karlsruhe (Baden-Württemberg)Der auf intelligente Robotik-Software spezialisierte Softwarehersteller ArtiMinds Robotics hat im Februar 2025 Insolvenz beantragt. Das Unternehmen, eine Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), beschäftigt 54 Mitarbeitende. Die Gehälter sind über Insolvenzgeld vorerst gesichert. Auslöser waren starke Auftragseinbrüche aus der Automobil- und Zulieferindustrie. Der Geschäftsbetrieb wird fortgeführt, ein Investorenprozess läuft – die Chancen auf eine Sanierung gelten als realistisch.(Bild: Artiminds)
Warum geraten Elektronikunternehmen unter Druck?
Die steigende Zahl an Werksschließungen und Insolvenzen in der Elektronikbranche ist kein Zufall, sondern Ausdruck tiefgreifender struktureller Herausforderungen. Viele der Probleme sind hausgemacht, andere durch globale Entwicklungen verschärft worden. Dabei treffen gleich mehrere Belastungsfaktoren aufeinander – von energiekostengetriebener Wettbewerbsverzerrung bis hin zu branchenspezifischen Nachfrageschwächen.
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Zu den zentralen Ursachen zählen:
Hohe Energie- und Produktionskosten
Die Herstellung elektronischer Baugruppen, Leiterplatten und Komponenten ist in vielen Prozessschritten stark energieabhängig. Deutschland zählt im europäischen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Strom- und Gaskosten – das belastet insbesondere mittelständische Produzenten, die nur begrenzt in Effizienztechnologien oder Eigenversorgung investieren können. Der Kostendruck verschärft sich zudem durch steigende Löhne und Materialpreise.
Als größter Abnehmer elektronischer Komponenten sorgt die Automobilindustrie für starke Ausschläge im Auftragsvolumen. Die derzeitige Absatzkrise bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, Produktionsstopps in der E-Mobilität sowie Lagerüberhänge bei Tier-1-Zulieferern führen dazu, dass weniger Elektronik abgerufen wird; mit direkten Folgen für viele Elektronikfertiger.
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Strukturelle Transformation
Viele Elektronikunternehmen befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Klassische Produkte mit niedriger Marge, wie Standardsteuergeräte, einfache Sensorik oder konventionelle Leiterplatten, werden zunehmend ausgelagert oder aus dem Portfolio gestrichen. Stattdessen fokussieren sich Anbieter auf wachstumsstarke Segmente wie Embedded Systems, Industrieelektronik oder Software-nahe Lösungen. Diese Umstrukturierung gelingt jedoch nicht allen vor allem nicht unter hohem Kosten- und Innovationsdruck.
Standortnachteile in Deutschland
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Hinzu kommen strukturelle Standortprobleme: Langwierige Genehmigungsverfahren, hohe regulatorische Anforderungen und ein zunehmender Fachkräftemangel hemmen notwendige Investitionen in Fertigung und Entwicklung. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Auch, weil es an staatlicher Unterstützung oder strategischer Industriepolitik mangelt.
Was bedeutet Insolvenz – und was folgt daraus?
Der juristische Begriff für die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens ist Insolvenz. Umgangssprachlich werden auch die Begriffe Konkurs, Pleite oder Insolvenzantrag verwendet. Das Ziel des Verfahrens ist nicht zwingend die Liquidation (vollständige Abwicklung), sondern häufig die Sanierung oder der Verkauf des Betriebs. Ausschlaggebend ist, ob das Unternehmen überschuldet ist oder seine Rechnungen nicht mehr fristgerecht zahlen kann. In der Regel folgt ein gerichtliches Verfahren mit einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter. Währenddessen können Löhne über Insolvenzgeld gesichert werden. Eine Insolvenz bedeutet nicht automatisch den Verlust aller Arbeitsplätze, denn oft gelingt eine sogenannte übertragene Sanierung. Im Idealfall erhalten Gläubiger anteilige Rückzahlungen. Für die Region und Lieferketten kann eine Insolvenz jedoch weitreichende Folgen haben.
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.