Heutzutage ist Ethernet eines der wichtigsten Netzwerkprotokolle für kabelgebundene Onboard-Installationen. Es unterstützt zahlreiche Funktionsbereiche, darunter Diagnose, Infotainment, Navigation und Kommunikation. Aufgrund seiner technischen Eigenschaften wie der hohen Datenraten, der Skalierbarkeit und der geringen Latenzzeit hat Automotive-Ethernet gute Chancen, sich in den Fahrzeugen der nächsten Generation zu etablieren. Doch die Technologie bleibt nicht stehen – und Entwickler suchen ständig nach Möglichkeiten, Ethernet-Netzwerke weiterzuentwickeln, um sie für die Zukunft fit zu machen.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Anfänge und die Entwicklung von Automotive-Ethernet und er zeigt, welche Merkmale und Vorteile eine der neuesten Versionen, 10BASE-T1S, für neu entstehende Architekturen im Automotive-Bereich bietet. Außerdem geht der Beitrag auf den Aufbau eines typischen 10BASE-T1S-Automotive-Netzwerks ein und erläutert, wie stromkompensierte Drosseln und Varistoren von TDK eingesetzt werden können, um für diese Systeme den erforderlichen robusten und zuverlässigen Schutz zu gewährleisten.
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Wie Ethernet seinen Weg ins Auto fand
Mit der wachsenden Anzahl und Geschwindigkeit elektronischer Steuergeräte (ECUs) in Fahrzeugen erkannte die Autoindustrie, dass alte Netzwerke, wie das Controller Area Network (CAN), die ihr zuvor gute Dienste geleistet hatten, in Bezug auf die Bandbreite an ihre Grenzen stießen. Mitte der 2000er-Jahre begannen die Automobilhersteller, das bewährte Ethernet-Protokoll als Option für Datenverbindungen zu untersuchen, und 2016 veröffentlichte das IEEE mit dem Dokument IEE802.3bw den ersten Automotive-Ethernet-Standard 100BASE-T1. Neben dem IEEE arbeitet auch die One-Pair Ether-Net (OPEN) Alliance Inc. in diesem Bereich. Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige offene Branchenvereinigung von Unternehmen aus der Automobilindustrie und Technologieanbietern. Ihre Mitglieder arbeiten gemeinsam daran, die großflächige Einführung von Ethernet-basierten Netzwerken in Fahrzeugapplikationen zu fördern und neue Standards und Prüfspezifikationen zu entwickeln.
Es gibt zwar Ähnlichkeiten zwischen dem klassischen Ethernet (10/100 BASE-T) und seinem Pendant im Automotive-Bereich, aber auch einige Unterschiede. Beide Versionen verwenden UTP-Kabel, bei denen zwei Kupferdrähte miteinander verdrillt sind, um elektromagnetische Strahlung und Nebensignaleffekte auf andere Kabel und Bauteile zu reduzieren und gleichzeitig Störungen aus anderen Quellen zu verringern. Das klassische Ethernet verwendet jedoch zwei Paar Drähte: Ein Paar überträgt das gesendete Signal in eine Richtung, während das andere Paar das empfangene Signal in die entgegengesetzte Richtung transportiert. Im Gegensatz dazu verwendet Automotive-Ethernet nur ein einziges Leitungspaar („Single Pair Ethernet“, SPE) zum Senden und Empfangen. Das bedeutet, dass die Kabel leichter und kostengünstiger sind. Das Single Pair ist außerdem „balanciert“, d. h., es überträgt Signale auf jedem Draht in gleicher Stärke, aber mit entgegengesetzter Polarität. Ethernet ist für eine maximale Kabellänge von 100 m spezifiziert, während Automotive-Ethernet für eine maximale Länge von nur 15 m spezifiziert ist – eine Entfernung, die eher der Größe und dem Maßstab eines Fahrzeugs entspricht.
Ein weiterer entscheidender Unterschied besteht darin, dass der in der Computertechnik verwendete RJ45-Steckverbinder für Fahrzeugapplikationen zu groß war und ersetzt wurde. Allerdings hat man sich noch nicht auf einen Standard-Steckverbindertyp geeinigt. Die bisherigen Standards verwenden die MLT-3-Codierung (Multi-Level Transmit), bei der drei Spannungsstufen durchlaufen werden, um Bits auf einem Kabel zu codieren. Im Gegensatz dazu verwendet Automotive-Ethernet die Puls-Amplituden-Modulation (PAM), um Bits mit Spannungen unterschiedlicher Amplitude zu kodieren, sodass bei jeder Übertragung mehr Bits gesendet werden können. Durch die Kombination dieses Schemas mit anderen Kodierungsverfahren wird die Übertragungsfrequenz gesenkt, was dazu beiträgt, elektromagnetische Störungen (EMI) und Nebensignaleffekte zu reduzieren. Die 100-MBit/s-IEEE802.3bw-Version des Ethernet-Standards findet breite Anwendung in geschalteten Peer-to-Peer-Fahrzeugapplikationen, wie in Bild 1 dargestellt.
Das Aufkommen von 10BASE-T1S
Ethernet wurde ursprünglich für Multidrop-Netzwerke entwickelt, wobei die Daten mittels Carrier Sense Multiple Access mit Kollisionserkennung (CSMA/CD) übertragen wurden. Dieses Best-Effort-Übertragungsverfahren erfüllte zwar die Netzwerkanforderungen für die universelle Datenverarbeitung, aber seine nichtdeterministische Eigenschaft (d. h. die Datenübertragung konnte nicht innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls garantiert werden), die durch Paketkollisionen verursacht wurde, führte dazu, dass sich Multidrop-Ethernet-Netzwerke nicht für Echtzeitanwendungen eignen, bei denen die Sicherheit an erster Stelle steht. Da immer mehr Sicherheitsmerkmale wie fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS) in neue Fahrzeuge integriert wurden, stellte diese Einschränkung ein zunehmendes Problem für die Automotive-Industrie dar, die ebenfalls nach Möglichkeiten für den Übergang zu einer neuen Zonenarchitektur suchte. Die Konnektivität in Zonenarchitekturen basiert auf dem physischen Standort und nicht auf der Funktion, die in domänenbasierten Architekturen verwendet wird. Dies hat den Vorteil, dass die Anzahl der elektronischen Steuerungen (ECUs) und damit die Größe des Kabelbaums reduziert wird. Außerdem wird die Abhängigkeit zwischen Hardware und Software aufgehoben, was eine serviceorientierte Architektur (SOA) ermöglicht.
10BASE-T1S wurde entwickelt, um den Anforderungen an eine zuverlässige und deterministische Hochgeschwindigkeitskommunikation im Automotive- und Industriebereich gerecht zu werden. Es wurde als IEEE 802.3cg im Rahmen der TSN-Standard-Reihe (TSN – Time-Sensitive Networking) veröffentlicht. 10BASE-T1S unterscheidet sich von anderen Automotive-Ethernet-Technologien, da es Multidrop-Topologien unterstützt, bei denen alle Knoten über das gleiche ungeschirmte Twisted-Pair-Kabel verbunden sind.
Da für die BUS-Implementierung nur eine einzige Ethernet-Schnittstelle (PHY) an jedem Knoten erforderlich ist (eine Schalter- oder Sterntopologie, wie sie zu anderen Formen des Automotive-Ethernet gehört, ist nicht erforderlich), ist sie kostengünstiger. Der Standard sieht die Unterstützung von mindestens acht Knoten vor, kann aber bei einer Länge des BUS von bis zu 25 m noch wesentlich mehr unterstützen. Ein weiteres neues Merkmal dieses Standards ist die Kollisionsvermeidung auf der physikalischen Schicht (PLCA), die Kollisionen auf dem gemeinsamen Netzwerkmedium verhindert. Dies gewährleistet eine deterministische maximale Latenzzeit in Abhängigkeit von der Anzahl der Netzwerkknoten und der übertragenen Datenmenge. Jeder Knoten darf senden. Wenn keine Daten zu übertragen sind, gibt er die Übertragungsmöglichkeit an den nächsten Knoten weiter, was eine effizientere Nutzung der verfügbaren Bandbreite ermöglicht.
10BASE-T1S-Netzwerke sind AC-gekoppelt, d. h., sie bieten auch eine Stromversorgung. Das spart Kabel und reduziert die Größe der Steckverbinder und verbessert so die Zuverlässigkeit des gesamten Netzwerks. Die Stromversorgung über Datenleitungen (Power over data lines, PoDL) ist bereits für Punkt-zu-Punkt-Implementierungen verfügbar, und das IEEE arbeitet derzeit an der Standardisierung dieses Merkmals für Multidrop-Topologien. Tabelle 1 zeigt die Merkmale der physikalischen Schicht von 10BASE-T1S.
Störquellen bei 10BASE-T1S-Netzwerken beseitigen
Ethernet bietet zwar eine sehr gute Verbindungsstabilität, doch der Einsatz in einer Umgebung mit elektrischen Störungen, wie z. B. in einem Fahrzeug, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Motoren von Elektrofahrzeugen sind Quellen für abgestrahlte oder leitungsgebundene EMI-Störungen. EMI und elektrische Transienten sind Störquellen, die die Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung erheblich beeinträchtigen können. Twisted-Pair-SPE-Kabel sind zwar so konzipiert, dass sie die Auswirkungen von Gleichtaktstörungen reduzieren, aber ein gewisses Maß an induzierten Störungen ist unvermeidlich.
Es gibt verschiedene Kategorien von leitungsgebundenem und abgestrahltem Rauschen. Gleichtaktrauschen tritt als Signal auf, das Differential-Ein- und -Ausgangsanschlüsse sowie positive und negative Spannungsschienen der Netzteile überlagert. Um Gleichtaktstörungen zu reduzieren und gleichzeitig eine unterbrechungsfreie Übertragung der gewünschten differenziellen Signale zu gewährleisten, werden häufig Gleichtaktdrosseln („Common Mode Chokes“, CMC) eingesetzt, die aus zwei Wicklungen bestehen, die einen Ferritkern umschließen.
Differenzielle Störsignale laufen in entgegengesetzte Richtungen und können mit einem geeigneten Filter unterdrückt werden, der aus einem Induktor, einem Kondensator oder einer Gleichtaktdrossel im Differenzialmodus besteht. Elektrostatische Entladung ( ESD) kann zu transienten Spannungsspitzen (große dV/dt) führen, die schädliche Hochspannungen auf Kabeln induzieren und Halbleiter und andere Bauteile beschädigen können. Spannungsabhängige Widerstände (Varistoren) oder Überspannungsschutzvorrichtungen (Transient Voltage Suppressors, TVS) können zum Schutz vor den potenziell schädlichen Auswirkungen von ESD beitragen. Bild 2 zeigt, wie ein typisches Multidrop-10BASE-T1S-Netzwerk, das mehrere Steuergeräte in einem Automobil verbindet, durch eine Kombination aus CMCs und Varistoren geschützt wird.
SPE-Schutz fürs Ethernet implementieren
Da es sich bei 10BASE-T1S um eine Multidrop-Verbindung handelt, bei der viele Steuergeräte an einer einzigen BUS-Leitung angeschlossen sind, kommt es aufgrund der Länge des Kabelbaums zwangsläufig zu Signalreflexionen. Zudem kann die durch mehrere Steuergeräte verursachte zusätzliche Kapazität Störungen auf dem Datensignal hervorrufen. Aufgrund der Eigenschaften von elektronischen Bauteilen, die in differenziellen Kommunikationsleitungen verwendet werden, kann der Übertragungsmodus manchmal vom Differenzialmodus in den Gleichtaktmodus oder umgekehrt umgewandelt werden. Dies wird als Wellenkonversion (Mode Conversion) bezeichnet.
Die Mode Conversion führt dazu, dass Differenzialsignale in Rauschen oder Rauschen in Differenzialsignale umgewandelt werden, was zu einer schlechten Rauschimmunität des Steuergeräts führt und dadurch zu Fehlfunktionen oder noch mehr Rauschen führen kann.
Diese Probleme entstehen durch Asymmetrien (Unterschiede in Induktivität und Kapazität) in differenziellen Kommunikationsleitungen. Bei Automotive-Ethernet werden für die Auswahl der Bauteile und für das Design des Steuergeräts in der Regel die Eigenschaften der Mode Conversion (Sdc11, Ssd21, Ssd12), die Rückflussdämpfung (Sdd11) und die Einfügungsdämpfung (Sdd21) verwendet. Für diese S-Parameter (Streuung) wurden in IEEE802.3cg Standardleitungen (Sdd11, Sdc11) festgelegt. Daher sind die S-Parameter einzelner und kombinierter Bauteile wesentliche Kriterien bei der Entwicklung von Steuergeräten.
Die Gleichtaktfilter/-drossel-Baureihe ACT1210E von TDK ist die branchenweit erste Baureihe für Automotive-Ethernet 10BASE-T1S. Bei diesen Bauteilen kommen der TDK-eigene Drahtwicklungsaufbau und optimale Materialien zum Einsatz, um branchenführende S-Parameter-Werte zu erzielen (Bild 3).
Durch das Laserschweißen von Wickeldrähten an die metallisierten Anschlüsse verfügen diese Produkte über eine hohe Temperaturwechselbeständigkeit und sehr gute Zuverlässigkeit in einem Betriebstemperaturbereich von -40 °C bis +125 °C.
Chip-Varistoren für den ESD-Schutz
Auch für ESD-reduzierende Bauteile gelten strenge Spezifikationen, die u. a. eine geringere Kapazität und geringere Toleranzen als bei ESD-Standardbauteilen vorsehen. Die Chip-Varistoren AVRH10C101KT1R2YE8 und AVRH10C221KT1R5YA8 von TDK, die Teil der AVR-H-Varistor-Familie sind, bieten einen hohen ESD-Schutz und haben eine maximale Kapazität von nur 1,5 pF (typisch) mit einer geringen Toleranz von ±0,13 pF. Darüber hinaus bieten die AVR-H-Varistoren eine verbesserte Robustheit bei hohen Betriebstemperaturen von bis zu 150 °C ohne Verschlechterung des Betriebsverhaltens. Diese Varistoren ermöglichen Designs von Steuergerätenetzwerken mit hoher ESD-Immunität bei minimalen Auswirkungen auf die Qualität der Kommunikation und die Eigenschaften der Mode Conversion. Sie erfüllen außerdem den AEC-Q200-Standard für die Zuverlässigkeit von Automotive-Applikationen und eignen sich damit als ESD-Schutz-Bauteile für 10BASE-T1S-Automotive-Ethernet-Applikationen. Aufgrund der guten Streukapazitäts- und Mode-Conversion-Eigenschaften dieser CMCs eignen sie sich gut für 10BASE-T1S-Installationen.
Zuverlässige und robuste Automotive-Netzwerke
Zusammenfassend ist festzustellen, dass 10BASE-T1S mit mehreren Übertragungskanälen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Zonenarchitekturen in Fahrzeugen der nächsten Generation spielen wird. Die Zuverlässigkeit und Robustheit des Netzwerks ohne Beeinträchtigung von Faktoren wie Bandbreite und Latenzzeit steht für die Entwickler jedoch nach wie vor an oberster Stelle. Hierfür sind qualitativ hochwertige Lösungen zur Filterung von Störungen und zum ESD-Schutz erforderlich. In diesem Beitrag wurden Quellen für elektromagnetisches Rauschen und transiente Spannungen beschrieben, die das Betriebsverhalten von Ethernet-Netzwerken beeinträchtigen können.
TDK bietet Automotive-konforme CMCs und Varistoren/TVS zum Schutz von 10BASE-T1S-Netzwerken sowie zum Schutz anderer Formen von Automotive-Ethernet (z. B. 100BASE-T1) und anderer älterer Automotive-Netzwerke. Die in diesem Beitrag vorgestellten Bauteile sind alle bei dem autorisierten TDK-Distributor Mouser Electronics erhältlich. (na)