
Aufmacher: Der Akku-Baukasten: Im Projekt Scalebat entstand ein skalierbares, variantenreiches und wirtschaftliches Batteriegehäuse für Großserien-E-Autos. (Bild: EDAG)
In Kooperation mit Baomarc Automotive Solutions, Cloos Schweißtechnik und Siemens Digital Industries Software hat EDAG auf der Basis der E-Plattform Scalebase drei Konzepte entwickelt, mit denen sich der zeitliche Aufwand im Vergleich zu einer vollständigen Batteriekasten-Neuentwicklung um mehrere Monate senken lässt. Das Projektteam hat mit Scalebat als potenzielle Zielgruppe OEMs sowie Start-up-Unternehmen im Visier.
Stückkosten reduzieren
Das Flachboden-Batteriekonzept ist ausgelegt für Radstände von 2800 bis 3000 mm. Besonders interessant unter den insgesamt drei möglichen Scalebat-Konzepten ist die Variante Medium mit 27 Modulen, die bei einer Bruttokapazität von 86,8 kWh bei einer Nennspannung von 400 V für eine Reichweite von etwa 450 km sorgt. Ein Modul besteht aus zwölf Zellen mit jeweils 73 Ah bei einer Spannung von 3,67 V. Wegen der avisierten hohen Stückzahlen von bis zu 300.000 Einheiten pro Jahr besteht die Rahmenstruktur nicht aus Aluminium-Extrusion-Profilen, sondern aus kaltgewalzten Stahl-Rollformprofilen. Sie erhöhen die Masse der Rahmenstruktur zwar von 52,14 auf 58,87 kg, senken aber den Stückpreis bei 300.000 Einheiten um rund 33 Prozent. Es kommen allerdings noch Zusatzkosten für Lackierung, Wachsen und Handling von acht bis elf Euro pro Fahrzeug hinzu. Doch selbst bei einer Kleinserie mit 25.000 Einheiten pro Jahr reduziert die Stahlbauweise die Stückkosten.

Bild 2: Das Batteriegehäuse ist so konzipiert, dass es auch den schrägen Pfahlaufpralltest für unterschiedliche Positionen des Pfahls besteht. EDAG
Ein technisches Highlight ist das in der Bodenplatte integrierte Kühlkonzept, das aus drei Aluminium-Tiefziehbauteilen besteht. Die einzelnen Kühlkreisläufe haben eine Counterflow-Anordnung mit direkt nebeneinander angeordnetem Zu- und Rücklauf: Das Gegenstromprinzip trägt zu einer besonders homogenen Temperaturverteilung über die gesamten Batteriemodule bei. Die Projektpartner empfehlen optional den Wärmeverteiler per 3D-Druck zu fertigen, weil sich durch die größtmögliche Funktionsintegration ein nahtlos integrierter Prozess von der Entwicklung bis zur Produktion realisieren lässt. Dank der Optimierung der Strömungs- und Topologie lässt sich bei dem additiv hergestellten Kühlmittelverteiler außerdem der Druckverlust um 30 Prozent reduzieren.
Doch was kostet der 3D-Druck? Das Projektteam kam bei einem typischen 3D-Drucker für Kunststoffteile – in diesem Fall ein HP-Multi Jet Fusion – bei 100.000 bis 300.000 additiv aus PA12 gefertigten Bauteilen inklusive aller Nebenkosten pro Wärmeverteiler auf 10 bis 14 Euro. Diese Kalkulation beweist, dass 3D-Druck auch für die Großserien-Produktion finanzierbar ist.
Sicherheitsaspekte
Maßgeschneiderte Fügetechnik spielt eine wichtige Rolle beim Projekt Scalebat: Das Projektteam setzt auf einen automatisierten hybriden Fügeprozess, bei dem das Laserstrahlschweißen die verzinkten Peripheriebauteile prozesssicher fügt. Carl Cloos Schweißtechnik entwickelte für das Fügen der Batteriekasten-Rahmenstruktur das MAG-Schweißen weiter. Der nun spritzerarme, wärmereduzierte und optisch überwachte Prozess erzeugt spaltüberbrückende Schweißnähte, die für eine gas- und mediendichte Rahmenstruktur sorgen, ohne den Korrosionsschutz verzinkter Bleche zu beschädigen.
Eine wichtige Frage der Elektromobilität lautet: Wie crashsicher ist das Batteriegehäuse? Das Projektteam orientierte sich an den höchsten Crashanforderungen der internationalen Zielmärkte: Im Mittelpunkt standen optimierte Lastpfade speziell für seitliche und frontale Lastfälle. In der Simulation bestand die BEV-Karosserie alle virtuellen Tests: Batteriemodule sind auch nach einem Crash noch immer intakt – bei einem weiterhin bestehendem Überlebensraum für den Fahrgast. Das Batteriegehäuse ist so konzipiert, dass es auch den schrägen Pfahlaufpralltest für unterschiedliche Positionen des Pfahls besteht.

Bild 4: Im Projekt Scalebat entstand ein Greenfield-Produktionskonzept, das 30 bis 40 Prozent weniger Platz als konventionelle Lösungen benötigt. EDAG
Frühzeitiges Simultaneous Engineering des Produktionskonzeptes senkte den Platzbedarf für eine Greenfield-Produktion im Vergleich zu konventionellen Lösungen um 30 bis 40 Prozent. Parallel dazu entstand mit digitalen Werkzeugen ein Konzept für durchgängiges Produktlebenszyklus-Management einer skalierbaren Fertigung für 50.000 bis 300.000 Einheiten pro Jahr, die Batterien für E-Fahrzeuge von der Kompaktklasse bis zum SUV herstellt. Ein anpassbarer Materialfluss soll dabei zusätzlich für flexible Prozessabläufe sorgen. Prozesse und Energiemanagement optimierte das Projektteam mit Plant Simulation und Process Simulate. Es entstand eine skalierbare, digitale Fertigung, die vorrichtungsloses Gehäuseschweißen und untereinander sowie mit Menschen kooperierende Roboter ermöglicht. Für sparsamen Umgang mit Energieeffizienz sorgte die Energiesimulation vor allem bei der Regelung der Anlagentechnik. Die Energiebilanz fällt aber auch positiv aufgrund des Einsatz von medienfreier Greiftechnik aus.
AR/VR-Kooperationen

Bild 5: Mit dem Tool AR/VR-Colloboration lassen sich internationale Projekte auch vom Wohnzimmer aus managen. EDAG
Mit dem Einsatz von AR/VR-Collaboration soll sich laut Hersteller die internationale Zusammenarbeit weiter verbessern lassen. Eine neue und vor allem nachhaltige Art der globalen Zusammenarbeit spricht hierfür – sehr interessant in Corona-Zeiten. Ein Mitarbeiter eines weltweiten OEM-Partners betrachtet mit einer Augmented-Reality (AR)-Brille vor Ort eine Produktionsszene, die ihm gleichzeitig den Blick auf die virtuelle und reale Welt ermöglicht. Ein reales Roboter-Lehr-Pendant ermöglicht es ihm dann beispielsweise, virtuelle Roboter zu steuern. Unterstützung erhält er bei seiner Arbeit von weltweiten Experten, die sich als Avatare via Virtual Reality (VR) in diese Szene einklinken. So lassen sich ohne Reisekosten und mit sehr geringem Energieaufwand Produktionsabläufe planen, absichern und in Betrieb nehmen sowie Mitarbeiter schulen. Diese digitalen Werkzeuge senken zudem die Engineering- und Anlaufkosten für interkontinentale Projekte. AR/VR-Collaboration hat sich bereits bei internationalen Engineering-Projekte von EDAG bewährt.
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Christian Teppich
Lucas Epperlein
Dr.-Ing. Frank Breitenbach
Dr.-Ing. Martin Hillebrecht
(aok)
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