EMV-Probleme im Hybrid und im Elektrofahrzeug treten oft erst in späteren Phasen der Entwicklung oder gar erst in seriennahen Testaufbauten auf. Zu diesem Zeitpunkt ist der Bauraum im System in der Regel bereits stark begrenzt und es fehlt oft die Zeit, aufwendige, anwendungsspezifische Lösungen zu entwickeln, die den vorhandenen Bauraum optimal ausnutzen.
Es besteht daher eine hohe Nachfrage nach schnell verfügbaren Lösungen, um kurzfristig EMV-Tests durchzuführen, ohne dass Werkzeug- oder Qualifizierungskosten anfallen. Vacuumschmelze (VAC) bietet dafür eine Standardbaureihe gemäß AEC-Q200 von Ringbandkernen und induktiven Bauelementen auf Basis des nanokristallinen, weichmagnetischen Werkstoffs Vitroperm an, die hochfrequente Störungen reduzieren.
Der Werkstoff Vitroperm
Vitroperm-Legierungen basieren auf den Rohstoffen Fe, Si und B mit Zusätzen von Nd und Cu, welche in einem Rascherstarrungsprozess als dünne Bänder mit geringen Banddicken von kleiner 20 µm hergestellt werden. Der komplette Herstellungsprozess ist eine Voraussetzung für das Erreichen hoher Permeabilität und kleiner Koerzitivfeldstärken.
Der relativ hohe elektrische Widerstand von 1,1 μΩm bis 1,2 μΩm sorgt für niedrige Wirbelstromverluste und einen sehr guten Frequenzgang der Permeabilität. Die Kombination dieser Eigenschaften, verknüpft mit Anfangs-Permeabilitäten bis µ 100.000 und einer Sättigungsflussdichte von 1,2 T sowie günstige thermische Eigenschaften, machen das nanokristalline weichmagnetische Material zu einer universellen Lösung für EMV-Probleme, die laut Hersteller konventionellen Ferriten und amorphen Werkstoffen in vielen Punkten überlegen ist.
Für stromkompensierte Drosseln (SKD) und Kerne zur Entstörung kommt überwiegend die Legierung Vitroperm 500 F zum Einsatz. Die Materialeigenschaften dieses nanokristallinen Werkstoffs wie Permeabilität µ, Sättigungsflußdichte BS und Magnetostriktion λ sind nur in geringem Maße temperaturabhängig. Dies und die lineare Magnetisierungskurve ermöglichen eine stabile Impedanz über einen weiten Gleichtakt-Strombereich (Bild 2).
Da sich die Dämpfungseigenschaften über die Temperatur nur geringfügig ändern, lassen sich Filter sogar bei Raumtemperatur testen. Aufgrund der hohen Curie-Temperatur nanokristalliner Werkstoffe von mehr als 600 °C darf die maximale Arbeitstemperatur von Vitroperm zeitlich befristet Werte von 180 °C bis 200 °C erreichen.
Die Sättigungsflussdichte von der Legierung ändert sich im Anwendungstemperaturbereich bis 150 °C nur um wenige Prozent, während sie bei MnZn-Ferriten bis 100 °C um bis zu 40 Prozent abfällt.
Neue Legierung ab 2021 verfügbar
Die Legierung Vitroperm 550 HF soll die Eigenschaften von Vitroperm 500 F noch übertreffen. Kerne aus dieser Legierung sollen ab Anfang 2021 erhältlich sein. Sie besitzen im Frequenzbereich ab etwa 100 kHz eine 30 Prozent höhere Permeabilität. So lässt sich entweder eine höhere EMV-Performance bei gleicher Baugröße realisieren oder die Kerne tragen zu einer weiteren Miniaturisierung und Gewichtseinsparung beim Filter bei. Weiterverarbeitet zu bewickelten Bauelementen sinkt der Kupfereinsatz, die Bauteilkosten gehen zurück und die Verluste fallen geringer aus. Bild 3 zeigt einen Überblick der Leistungsdaten beider Werkstoffe.
Vorteile nanokristalliner Werkstoffe
Je besser die Dämpfungseigenschaften des verwendeten Materials sind, desto kleiner und leichter wird das Gesamtsystem. Mit nanokristallinen Werkstoffen für die Gleichtaktunterdrückung hochfrequenter Störungen lassen sich deutlich kompaktere Filter aufbauen als mit ferritbasierten Lösungen. Auch für schwierige Einbausituationen lassen sich so Lösungen zur Gleichtaktbedämpfung realisieren.
Auf der Hochvolt-Seite von DC/DC-Wandlern kommen zur Entstörung üblicherweise 2-phasige stromkompensierte Drosseln zum Einsatz. Durch Einsatz hochpermeabler Ringkerne mit µ 100.000 erzielen die SKDs neben einer hohen Dämpfung im niederfrequenten Bereich auch sehr gute Dämpfungseigenschaften bei hohen Frequenzen und weisen daher ein breitbandiges Entstörverhalten auf. Mit der hohen Permeabilität des Kernmaterials sind sehr kompakte Designs mit hohem Wirkungsgrad möglich, weil gegenüber Ferriten geringere Windungszahlen erforderlich sind und so niedrigere ohmsche Verluste entstehen.
Basierend auf gewickelten Ringbandkernen sind Ring- und Ovalkerne sowie stromkompensierte Drosseln zur Gleichtaktunterdrückung als Standardprodukte von VAC in unterschiedlichen Abmessungen verfügbar. Die Bauteile sind mit mechanisch sehr robusten Kunststoffgehäusen aufgebaut, der obere Temperaturbereich beträgt bis zu 150 °C.
Es stehen 16 unterschiedliche Drosseln in stehender Bauform für die Leiterplattenmontage zur Verfügung. Die Abmessungen betragen L × B × H 35 mm × 23 mm × 35 mm und 31 mm × 22 mm × 33 mm. Der Strombereich reicht von 8 A bis 21 A (Bild 1).
Kerne für Antriebsinverter
Während hochpermeable Bandkerne im Hochspannungs-Gleichstrom-Bordnetz Verwendung finden, kommen auf der Antriebsseite üblicherweise niederpermeable EMV-Kerne im Bereich µ 20.000 bis 30.000 zum Einsatz. Diese sind toleranter gegenüber Unsymmetrieströmen. Die Standardreihe mit 18 Kernvarianten umfasst Lösungen für EMV-Probleme beider Permeabilitätsstufen.
Aufgrund der hohen Ströme im DC-Bordnetz, die bis zu einigen 100 A betragen können, kommen Einleiterlösungen mit rechteckigen Stromschienen oder Kabel mit hohen Querschnitten zum Einsatz. Bei Leiterführung zweier Stromschienen parallel übereinander bieten sich Ringkerne mit Außendurchmessern von 23 mm bis 67 mm an. Bei parallel nebeneinanderliegenden Stromschienen oder Kabeln sind Ovalkerne die beste Lösung (siehe Bild 4).
Schwerpunktthema: E-Mobility
In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.
Frank Truetsch
(na)