Aktuelle Elektrofahrzeug- und Hybridmodelle mit deutlich gesteigertem Aktionsradius haben die Gemeinsamkeit, dass ihre Antriebsstrang-Plattform von Anfang an für höhere Reichweiten ausgelegt ist – beispielsweise durch eine höhere Batteriespannung, die wiederum die Verwendung leistungsstärkerer Motoren ermöglicht. Die Batteriespannung heutiger EVs beträgt typisch etwa 400 V, aber für mehr Leistung ist besonders in Fahrzeugen der Oberklasse eine Erhöhung auf 800 V erforderlich, denn eine höhere Spannung sorgt für mehr Leistung bei gleicher Stromstärke. Niedrigere Ströme wiederum senken die Wärmeentwicklung und erlauben die Verwendung von kleineren Kabelquerschnitten, was das Gewicht der Kabel senkt.
Anhebung der Leistungsdichte
Leistung und Abmessungen des Antriebsstrangs entscheiden über die Leistungsfähigkeit eines HEV oder EV. Das Verhältnis zwischen Leistung und Gesamtabmessungen, also die Leistungsdichte, stellt im Bereich des Power-Managements eine wichtige Kennzahl dar, die es zu maximieren gilt. Im Bereich der Antriebsstrang-Systeme arbeitet die EV-Industrie mithilfe zunehmender Integration darauf hin, möglichst viel Leistung in möglichst geringem Volumen unterzubringen, wobei sich das geringe Volumen sowohl auf die Leiterplatten als auch auf das Gehäusematerial bezieht.
Im Bereich der Leistungselektronik hat es erhebliche Umwälzungen bei den Topologien und Architekturen, den integrierten IC-Lösungen und den Halbleiter-Leistungsschaltern gegeben, die in den Subsystemen des Antriebsstrangs, also beispielsweise im On-Board-Ladegerät (On-Board Charger, OBC), im DC/DC-Wandler und im Traktionswechselrichter zum Einsatz kommen. Das Blockschaltbild eines typischen Antriebsstrang-Systems für ein HEV bzw. EV ist in Bild 1 zu sehen.
Entwicklungssprung mit Wide-Bandgap-Halbleitern
Die Leistungselektronik spielt eine zentrale Rolle in dem Bemühen, die hoch gesteckten Leistungsdichte-Vorgaben zu erfüllen. Die dabei verwendeten Leistungshalbleiter müssen folgende Eigenschaften mitbringen: geringe Verluste, Eignung für hohe Frequenzen und hohe Sperrschichttemperaturen, hohe Spannungsfestigkeit und eine sehr gute Wärmeableitung.
Die Verwendung von fortschrittlichen Hochspannungs-Bauelementen wie etwa Wide-Bandgap-Halbleitern auf der Basis von Siliziumkarbid (SiC) oder Galliumnitrid (GaN) macht es in HEVs und EVs möglich, höhere Wirkungsgrade zu erzielen als bei Verwendung traditioneller Leistungsschalter auf Siliziumbasis (z. B. MOSFETs und IGBTs).
Mit zunehmender Leistung wird bei Si-MOSFETs und IGBTs die Entwärmung problematisch, da die zulässige Sperrschichttemperatur dieser Bauelemente begrenzt ist. Der Entwickler kommt in solchen Antriebssträngen nicht um die Verwendung von Kühlvorrichtungen wie etwa großen, wasserummantelten Kupferblöcken herum – insbesondere im Fall des Traktionswechselrichters, dessen Leistung mehr als 100 kW betragen kann. Die zusätzlichen Kühlkomponenten aber benötigen nicht nur Platz, sondern machen das Fahrzeug auch schwerer und teurer.
Bei SiC-Bausteinen ist die maximale Sperrschichttemperatur dagegen deutlich höher, und auch die Wärmeleitfähigkeit von SiC ist deutlich größer als die von Silizium. Tatsächlich macht die von SiC gebotene Kombination aus hoher Sperrschichttemperatur und hoher Wärmeleitfähigkeit dieses Material zum idealen Kandidaten für Antriebsstrang-Systeme, denn auf die zuvor erwähnten Kühlmaßnahmen lässt sich so verzichten. Da sie für Schaltfrequenzen im Kilohertz- bis Megahertzbereich geeignet sind, können GaN-Bauelemente in OBCs und DC/DC-Wandlern zusätzlich eine deutliche Verkleinerung der passiven Bauelemente (z. B. Induktivitäten und Kondensatoren) ermöglichen.
Bereits jetzt setzen mehrere Automobilhersteller Wide-Bandgap-Halbleiter in ihren HEV/EV-Antriebssträngen ein, um die Leistung und den Wirkungsgrad zu steigern – begleitet von einer Anhebung der Batteriespannung. Das bessere Wärmemanagement von Wide-Bandgap-Halbleitern und die mit ihnen mögliche Größenreduzierung wirken überdies kostensenkend. Nicht verschwiegen werden darf hingegen die Tatsache, dass Wide-Bandgap-Schalter derzeit noch teuer sind, jedoch wird sich das Kostenniveau im Lauf der Zeit verringern. Für das System insgesamt ergibt der Wegfall bzw. die Minimierung der mechanischen Kühlbauteile zusammen mit den kleineren passiven Bauelementen und Gehäusen dennoch auch heute schon einen Kostenvorteil.
Schwerpunktthema: E-Mobility
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Isolierte Gatetreiber-IC für die Leistungshalbleiter-Ansteuerung
Zum effizienten Ansteuern der Leistungsschalter sind isolierte Gatetreiber notwendig, die die PWM-Signale des Controllers in Ein- und Ausschaltimpulse für die Leistungsschalter umwandeln. Wegen der hohen Batteriespannungen geht es hierbei nicht ohne eine galvanische Isolation zwischen Controller und Leistungsschalter. Eine solche Isolation trennt die verschiedenen Funktionsbereiche elektrischer Systeme so voneinander, sodass das Fließen unerwünschter Ströme zwischen ihnen unterbunden wird. Dennoch ist es notwendig, Daten und Energie über die Isolationsbarriere hinweg zu übertragen. Hier spielt die kapazitive Isolation eine wichtige Rolle, bei der sich die zu übertragenden Signale mithilfe digitaler Schaltungen codieren und decodieren lassen.
Vorteilhaft an der kapazitiven Isolationstechnik sind ihre hohe Datenrate und ihre hohe Störbeständigkeit (Common Mode Transient Immunity, CMTI) von mehr als 150 V/ns. Mit ihr lassen sich somit die potenziellen Schalteigenschaften von Wide-Bandgap-Lösungen im praktischen Einsatz ausschöpfen. Da Antriebsstränge starken Störbeeinflussungen und Vibrationen ausgesetzt sind, empfiehlt sich der Einsatz von Gatetreibern mit hohen CMTI-Werten. Isolierte Gatetreiber kommen zudem mit weniger Leiterplattenfläche aus und wirken sich wegen des Verzichts auf Impulsübertrager oder externe, diskrete Isolatoren günstig auf die Kosten und das Gewicht der Fahrzeuge aus.
Funktionale Sicherheit mit isolierten Gatetreibern
Bei Betrachtung des Systems als Black-Box gliedern sich Antriebsstrang-Systeme in den digitalen Controller (Mikrocontroller), den isolierten Gatetreiber und den Leistungshalbleiter. Vermehrt sind in den Gatetreiber auch Überwachungs- und Schutzfunktionen integriert. Dabei liefert der FIT-Wert (Failure In Time) eine wichtige Aussage über die Sicherheitsintegrität. Zum Beispiel sollte der FIT-Wert für ASIL D (z. B. für einen Traktionswechselrichter) kleiner als 10 sein, denn schließlich sorgt dieses Bauteil für den Vortrieb des Fahrzeugs. Für OBCs und DC/DC-Wandler gelten inzwischen ähnliche ASIL-Vorgaben (meist ASIL B oder C).
Im Interesse minimaler FIT-Werte werden die sonst diskret implementierten Diagnose- und Schutzfunktionen inzwischen in den isolierten Gatetreiber integriert (Bild 2), um den Bauteileaufwand, die Leiterplattenfläche und damit auch die Kosten deutlich zu senken. Der jüngst von TI vorgestellte UCC5870-Q1 bringt einen großen Umfang an Diagnose- und Schutzfunktionen mit und ermöglicht das Realisieren des gewünschten ASIL-Levels für ein Traktionswechselrichter-System (Bild 3).
Finales Ziel: Integriertes Antriebsstrang-System
Der Fokus lag in den vergangenen Jahren auf Integration, Kostensenkung und Steigerung der Leistungsdichte. Hier gehen die OEMs jetzt noch einen Schritt weiter und integrieren das gesamte System zu einer einzigen Einheit – ganz ähnlich wie das System-on-Chip-Konzept in der IC-Industrie. In einem ersten Schritt wurden das OBC- und das DC/DC-Wandler-Subsystem bzw. der Traktionswechselrichter und der DC/DC-Wandler zu jeweils einer Einheit zusammengefasst, jedoch sollen künftig alle drei Komponenten in einer Box kombiniert werden.
Unabhängig von der Konfiguration kann das Konzept des integrierten Antriebsstrangs das Gesamtgewicht des Antriebsstrangs signifikant senken, das Leistungsgewicht verbessern, den Verkabelungsaufwand zwischen den Subsystemen eliminieren und die DTC-Ziele verwirklichen. Studien und Prototypen ergaben Kostensenkungen um bis zu 15 Prozent. Neben der Gatetreiber-Integration kann die gemeinsame Nutzung eines Mikrocontrollers für alle Subsysteme die Gesamtkosten reduzieren.
Abgesehen von dem Nachteil, dass OEMs weniger Flexibilität beim Bezug der einzelnen Komponenten haben, ist die Antriebsstrang-Integration somit insgesamt als ein rundum positives Konzept zu betrachten.
Fazit
Erschwinglichkeit und Reichweitenerhöhung – die zwei wichtigsten Stellschrauben für die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen – lassen sich durch integrierte Antriebsstrang-Systeme erreichen. Auf der Halbleiterseite sorgen Wide-Bandgap-Halbleiter für einen echten Innovationsschub, denn mit ihrer besseren Temperaturverträglichkeit und durch höhere Schaltfrequenzen lässt sich einerseits auf schwere und platzintensive Kühllösungen verzichten und gleichzeitig fallen die passiven Bauteile kleiner aus. Wird das gesamte System in einer Box integriert, so lässt sich mit diesem nun vollintegrierten Antriebsstrang-System eine weitere Gewichtssenkung und Leistungssteigerung erreichen – alles zugunsten von Reichweite und Kosten. (na)
Nagarajan Sridhar ist Marketing Manager, High-Voltage Power, High-Power Drivers, bei Texas Instruments.