Ein visuell beeindruckender Eisblock, der mit feurigem Licht beleuchtet wird, zeigt die Verschmelzung und den Gegensatz von heißen und kalten Elementen und fesselt den Betrachter mit seiner Kunstfertigkeit.

Im Gegensatz zur "heißen" Fusion, benötigt die kalte Fusion keine extrem hohen Temperaturen. Das klingt verlockend, weshalb die Idee immer wieder diskutiert wird. (Bild: Valentyna – Adobe Stock)

Die Kalte Fusion, auch "Low Energy Nuclear Reactions" (LENR) genannt, ist eine der faszinierendsten und zugleich umstrittensten Ideen der modernen Physik. Ihr Versprechen: eine nahezu unbegrenzte, saubere Energiequelle, die den Bedarf an fossilen Brennstoffen ersetzen könnte. Doch trotz jahrzehntelanger Forschung bleibt die Kalte Fusion ein ungelöstes Rätsel. Was steckt hinter dieser Technologie, warum ist sie so schwer zu realisieren und könnte ein neuer theoretischer Ansatz die Wende bringen?

Was ist kalte Fusion?

Kalte Fusion bezeichnet die mögliche Fusion von Atomkernen bei relativ niedrigen Temperaturen und ohne den enormen Druck, wie er beispielsweise in der Sonne herrscht. Fusion ist grundsätzlich ein Prozess, bei dem zwei kleine Atomkerne zu einem größeren verschmelzen und dabei gewaltige Energiemengen freisetzen. Allerdings verhindert die sogenannte Coulomb-Barriere – die starke elektrostatische Abstoßung zwischen positiv geladenen Kernen – eine einfache Annäherung.

Für heiße Fusion wird diese Barriere überwunden, indem die Kerne durch extreme Hitze und Druck beschleunigt werden. Doch auch hier ist trotz Milliardenschwerer Projekte wie Iter oder Wendelstein sowie vieler privater Unternehmungen die Experimentierphase noch nicht überschritten.  Kalte Fusion verfolgt dagegen einen anderen Ansatz: Durch das Einbetten von Kernen, meist Deuterium, in ein festes Material wie Palladium könnte die elektrostatische Abstoßung reduziert werden. Dies geschieht vermutlich durch Wechselwirkungen innerhalb des Metallgitters.

Im Video: Physiker sagen, sie wissen, wie kalte Fusion funktioniert

Historische Entwicklung und Herausforderungen der Kalten Fusion

Dabei ist die Idee der Kalten Fusion nicht neu: Bereits in den 1920er Jahren wurde sie diskutiert, doch erst das Experiment von Martin Fleischmann und Stanley Pons im Jahr 1989 rückte das Thema ins Rampenlicht. Sie behaupteten, durch die Elektrolyse von schwerem Wasser in Palladium-Elementen die Coulomb-Barriere erfolgreich überwunden zu haben. Doch der Durchbruch war nur von kurzer Dauer: Andere Forscher konnten die Ergebnisse nicht reproduzieren. In der Wissenschaft galt die Arbeit bald als Fehlschlag – die Kalte Fusion geriet ins Abseits.

Der schlechte Ruf wurde durch Betrugsfälle und übertriebene Behauptungen noch verstärkt. Doch einige Wissenschaftler blieben hartnäckig. Ihre Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Materialien und Bedingungen die Fusionseffekte verstärken könnten, auch wenn diese bisher nur im Labor nachgewiesen wurden und mehr Energie verbrauchen als freisetzen.

Neue theoretische Ansätze zur kalten Fusion

Ein aktueller theoretischer Durchbruch könnte die Perspektive auf kalte Fusion verändern. Laut einer neuen Studie gibt es drei Mechanismen, die zusammenarbeiten könnten, um die Coulomb-Barriere zu überwinden:

  1. Elektronenschilde in Gitterdefekten: Elektronenwellenfunktionen in metallischen Gittern könnten sich an bestimmten Defekten so fokussieren, dass sie die positive Ladung der Atomkerne abschirmen. Dies würde die Abstoßung zwischen den Kernen deutlich reduzieren und die Fusionswahrscheinlichkeit um bis zu 25 Größenordnungen erhöhen.

  2. Kernresonanzen: Pulsierende Laserstrahlen könnten Deformationen in Atomkernen hervorrufen, die die Fusionsenergie senken. Obwohl diese Methode viel Energie verbraucht, glauben Forscher, dass ähnliche Resonanzeffekte bei niedrigeren Energien auftreten könnten, wodurch die Fusion um sieben Größenordnungen wahrscheinlicher würde.

  3. Quanten-Tunnel-Effekte: Die Umgebung des Metallgitters könnte einen Energieaustausch ermöglichen, bei dem kleinere Atomkerne temporär Energie von umliegenden Kernen "ausleihen", fusionieren und diese Energie dann zurückgeben. Dies könnte die Fusionsrate um bis zu 30 Größenordnungen steigern.

Wie unterscheiden sich Kalte und Heiße Fusion?

 

Merkmal Heiße Fusion Kalte Fusion
Temperatur Über 100 Millionen Grad Celsius notwendig Ziel: Fusion bei Zimmertemperatur oder relativ niedrigen Temperaturen
Methode Plasmazustand mit starken Magnetfeldern oder Lasersystemen Alternative Methoden wie elektrochemische Prozesse oder Myonen-katalysierte Fusion
Wissenschaftliche Anerkennung Wissenschaftlich anerkannt, in großen Forschungsprojekten wie ITER erforscht Skeptisch betrachtet, da bisherige Ergebnisse nicht reproduzierbar
Energiebilanz Ziel: Positiver Energiegewinn, bisher jedoch noch nicht erreicht Energieaufwand ist bei funktionierenden Methoden höher als der Energiegewinn
Forschungsstand Intensive Forschung mit Milliarden-Investitionen und internationaler Zusammenarbeit Meist kleinere Forschungsgruppen, teilweise mit neuer Förderung (z. B. 10 Millionen Dollar von ARPA-E im Jahr 2023)
Ziel Gewinnung sauberer, nahezu unbegrenzter Energie durch Kernfusion Dasselbe Ziel, jedoch keine praktischen Erfolge bisher

Herausforderungen und Perspektiven

Trotz dieser faszinierenden Ansätze bleibt die Kalte Fusion eine große Herausforderung. Viele Experimente zeigen widersprüchliche Ergebnisse, die oft auf die Variabilität der verwendeten Materialien zurückzuführen sind. Einige Forscher vermuten, dass die Fusion nur in winzigen Bereichen mit spezifischen Defekten, so genannten Nanorissen, stattfindet. Auch der Nachweis von Fusionsprodukten wie Neutronen oder Tritium bleibt schwierig und umstritten. Gleichzeitig gibt es ermutigende Entwicklungen: Institutionen wie die NASA, das MIT und sogar Firmen wie Clean Planet Inc. arbeiten intensiv an der Erforschung von LENR. Ihre Ergebnisse sind jedoch noch nicht reproduzierbar oder liefern keine Nettoenergie.

Was nun, Kalte Fusion?

Die Kalte Fusion bleibt ein ehrgeiziges Ziel mit ungewisser Zukunft. Obwohl es an belastbaren Beweisen für einen funktionierenden Energiegewinn mangelt, gibt es Hinweise darauf, dass physikalische Phänomene eine genauere Untersuchung verdienen. Die potenziellen Vorteile – saubere, unbegrenzte Energie – rechtfertigen weitere Forschung. Vielleicht überrascht uns die Wissenschaft eines Tages mit einer Lösung, die die Energiefrage der Menschheit neu definiert.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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