Elektronenmikroskopische Aufnahmen des Germanium-Zinn-Transistors: Der Aufbau folgt einer 3D-Nanodrahtgeometrie wie bei der neuesten Generation von Computerprozessoren.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen des Germanium-Zinn-Transistors: Der Aufbau folgt einer 3D-Nanodrahtgeometrie wie bei der neuesten Generation von Computerprozessoren. (Bild: Forschungszentrum Jülich)

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben einen Transistor aus einer Germanium-Zinn-Legierung gefertigt, der gegenüber herkömmlichen Schaltelementen einige Vorteile aufweist. So können sich Ladungsträger in dem Material schneller bewegen als in Silizium oder Germanium, was niedrigere Spannungen im Betrieb ermöglicht.

Etwa alle zwei Jahre verdoppelte sich in den letzten 70 Jahren die Anzahl der Transistoren auf einem Chip – so besagt es das bis heute gültige Mooresche Gesetz. Entsprechend kleiner wurden die Schaltkreise, doch ein Ende der Entwicklung scheint absehbar. Denn inzwischen ist man laut Qing-Tai Zhao vom Peter Grünberg Institut (PGI-9) des Forschungszentrums Jülich bei Strukturen angekommen, die nur noch zwei bis drei Nanometer groß sind. Das entspricht etwa zehn Atomdurchmessern. Damit bewege man sich an den Grenzen des Machbaren. Schon länger suchen Forschende daher nach einem Ersatz für Silizium, dem Grundstoff der Halbleiterindustrie. Die Idee ist, ein Material zu finden, das günstigere elektronische Eigenschaften aufweist und mit dem man die gleiche Performance bei größeren Strukturen erzielen kann.

Kompatibel mit CMOS-Fertigungsprozess

Im Fokus der Forschung steht unter anderem ein Material, das bereits in den Anfängen der Computerära zum Einsatz kam: Germanium. Elektronen können sich darin deutlich schneller bewegen als in Silizium, zumindest in der Theorie. Die Wissenschaftler gingen jetzt noch einen Schritt weiter. Um die elektronischen Eigenschaften weiter zu optimieren, bauten sie Zinn-Atome in das Germanium-Kristallgitter ein. Das Verfahren wurde vor einigen Jahren am Peter Grünberg Institut (PGI-9) des Forschungszentrums Jülich entwickelt.

Das erprobte Germanium-Zinn-System soll es ermöglichen, die physikalischen Grenzen der Siliziumtechnologie zu überwinden. Der Transistor aus Germanium-Zinn zeigt in Experimenten eine 2,5-fach höhere Elektronenbeweglichkeit als ein vergleichbarer Transistor aus reinem Germanium.

Ein weiterer Vorteil: Das neue Material ist mit dem bestehenden CMOS-Prozess zur Chipherstellung kompatibel. Germanium und Zinn stammen aus der gleichen Hauptgruppe im Periodensystem wie Silizium. Die Germanium-Zinn-Transistoren ließen sich daher mit bestehenden Produktionslinien direkt in konventionelle Siliziumchips integrieren.

Der Germanium-Zinn-Prozessor kommt aus der Helmholtz Nano Facility hergestellt, der zentralen Technologieplattform für die Herstellung von Nanostrukturen und Schaltungen in der Helmholtz-Gemeinschaft.
Der Germanium-Zinn-Prozessor kommt aus der Helmholtz Nano Facility hergestellt, der zentralen Technologieplattform für die Herstellung von Nanostrukturen und Schaltungen in der Helmholtz-Gemeinschaft. (Bild: Forschungszentrum Jülich/Sascha Kreklau)

Potenzial für Computer der Zukunft

Neben klassischen Digitalrechnern könnten auch Quantencomputer von dem Germanium-Zinn-Transistor profitieren. Schon länger gibt es Bestrebungen, Teile der Steuerelektronik direkt auf dem Quantenchip anzubringen, der im Innern eines Quantencomputers bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt arbeitet. Messungen legen nahe, dass Germanium-Zinn-Transistoren unter diesen Bedingungen deutlich besser funktionieren als solche aus Silizium.

Die Herausforderung besteht darin, einen Halbleiter zu finden, der auch bei tiefsten Temperaturen noch mit geringen Spannungen schaltbar ist. Für Silizium flacht diese Schaltkurve unterhalb von 50 Kelvin ab. Die Transistoren benötigen dann eine hohe Spannung und viel Energie. Die entstehende Wärme führt letztlich zu Störungen der empfindlichen Quantenbits. Germanium-Zinn schneidet bei Messungen bis zu 12 Kelvin besser ab und es bestehe die Hoffnung, das Material auch bei noch niedrigeren Temperaturen einzusetzen.

Zudem könnte sich der Germanium-Zinn-Transistor als nützlicher Baustein für die optische Onchip-Datenübertragung erweisen. Die Übermittlung von Informationen mit Lichtsignalen ist bereits in vielen Datennetzen Standard, da erheblich schneller und energiesparender als der Transfer über elektrische Leiterbahnen. Im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik werden Daten dagegen meist noch elektrisch übertragen. Institutskollegen der Jülicher Arbeitsgruppe haben in der Vergangenheit bereits einen Germanium-Zinn-Laser entwickelt, mit dem sich die Daten direkt auf einem Siliziumchip optisch übertragen lassen. Der Germanium-Zinn-Transistor ist nun ein weiterer Baustein, um die optische und elektrische Datenübertragung zu vereinen.

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