Erstes Plasma im SMART-Tokamak, aufgenommen mit einer superschnellen Kamera im sichtbaren Spektrum

Erstes Plasma im SMART-Tokamak, aufgenommen mit einer superschnellen Kamera im sichtbaren Spektrum (Bild: Universität Sevilla)

Die Fusionsenergie gehört zu den Technologien, auf die viele Wetten laufen, wenn es darum geht, der Menschheit eine nachhaltige und unerschöpfliche Energiequelle zu sichern. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist ein echter Durchbruch, geschweige denn die Alltagstauglichkeit, jedoch noch weit entfernt. Nun ist die Universität Sevilla einen bedeutenden Schritt näher gekommen. Mit der erfolgreichen Erzeugung des ersten Plasmas im SMART-Tokamak (SMall Aspect Ratio Tokamak) haben die Forscher einen Meilenstein erreicht, der das Potenzial hat, die Zukunft der Fusionsenergie grundlegend zu beeinflussen. Doch was genau ist passiert, was macht den SMART-Tokamak so besonders und wohin geht die Reise in der Fusionsforschung?

Was ist der SMART-Tokamak, wo steht er und wer betreibt ihn?

Der SMART-Tokamak (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien. Realisiert und betrieben wird er vom dortigen Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Sein Name leitet sich aus dem geringen Aspektverhältnis (small aspect ratio) ab, was für ein besonders kompaktes Reaktordesign steht.

Mit Abmessungen von 1,6 × 1,6 Metern für das Vakuumgefäß ist SMART deutlich kleiner als viele herkömmliche Tokamaks. Zum Vergleich: Der weltweit größte Tokamak, ITER, hat einen Plasmaradius von 6,2 m und einem Plasmavolumen von 840 m³. Diese kompakte Bauweise ermöglicht nicht nur eine platzsparende Integration in bestehende Forschungseinrichtungen, sondern reduziert auch die Baukosten erheblich. Trotz der geringen Größe bietet SMART dank seiner flexiblen Plasmageometrie und innovativen Technologien eine leistungsfähige Plattform für die Untersuchung neuer Plasmaformen, insbesondere der negativen Triangularität. Vereinfacht ausgedrückt hat das Plasma in einem Tokamak eine umgekehrte D-Form, wodurch es stabiler und effizienter wird. Dazu später mehr.

Im Januar 2025 schaffte SMART den Sprung in den Fokus der internationalen Fusionsforschung, als er erfolgreich sein erstes Plasma erzeugte. Dank seiner flexiblen Bauweise und der gezielten Untersuchung negativer Triangularität weckt der Reaktor große Hoffnungen für künftige, kompaktere Fusionskraftwerke.

Skizze des SMART-Tokamaks. Toroidalfeldspulen, Poloidalfeldspulen und die zentrale Magnetspule sind in rot dargestellt. Drei Paare von Poloidfeldspulen befinden sich im Inneren des Gefäßes, geschützt durch Spulengehäuse.
Skizze des SMART-Tokamaks. Toroidalfeldspulen, Poloidalfeldspulen und die zentrale Magnetspule sind in rot dargestellt. Drei Paare von Poloidfeldspulen befinden sich im Inneren des Gefäßes, geschützt durch Spulengehäuse. (Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)

Was hat der SMART aktuell geleistet?

Der bedeutendste Schritt in der jüngsten Phase des Projekts ist die Erzeugung des ersten Plasmas zu Jahresbeginn 2025. Damit hat SMART offiziell die Betriebsphase eingeläutet. In ersten Tests wurde Argon-Gas mithilfe von Mikrowellen aufgeheizt, bis ein magnetisch eingeschlossenes Plasma entstand.

Besonders bemerkenswert ist, dass dieses Plasma mit Hochgeschwindigkeitskameras beobachtet und ausgewertet wurde. Die so gewonnenen Daten helfen den Forschenden, die Stabilität, Temperaturverteilung und Wandbelastung zu analysieren – wesentliche Aspekte für den nächsten Schritt: die Erzeugung von Plasmen mit negativer Triangularität unter reaktorrelevanten Bedingungen.



Wie funktioniert die negative Triangularität im SMART-Tokamak, welche Vorteile bietet sie und wie beeinflusst sie die Stabilität des Plasmas?

Die Triangularität beschreibt, ob der Querschnitt des Plasmas eher einem normalen „D“ (positive Triangularität) oder einem umgekehrten „D“ (negative Triangularität) ähnelt. SMART setzt gezielt auf Letzteres:

  • Formgebung: Mithilfe der Poloidal- und Toroidalfeldspulen wird das Plasma so geformt, dass die Wölbung nach innen zum Reaktorkern zeigt.
  • Unterdrückung von Instabilitäten: Erste Studien deuten darauf hin, dass die umgekehrte D-Form weniger Turbulenzen aufweist, was den Energieverlust reduziert und die Partikelkonzentration im Plasma stabil hält.
  • Schonung der Reaktorwände: Wenn weniger Teilchen weggeschleudert werden, verringert sich der Verschleiß an den Wänden und damit die Wartungsintensität.
  • Bessere Wärmeverteilung: Negative Triangularität ermöglicht eine homogenere Abfuhr der Wärme, was für höhere Leistung und längere Pulsdauern essenziell ist.
Beispiele für verschiedene Gleichgewichte, die bei SMART erreicht werden können.
Beispiele für verschiedene Gleichgewichte, die bei SMART erreicht werden können. (Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)

Wie unterscheidet sich die SMART-Anlage von anderen Tokamaks und welche technischen Innovationen hat sie eingeführt?

Wie schon erwähnt, unterscheidet sich die SMART-Anlage wesentlich von herkömmlichen Tokamaks durch ihre kompakte kugelförmige Bauweise. Während klassische Tokamaks eine torusförmige, also donutförmige Struktur mit einem relativ großen Aspektverhältnis besitzen, setzt SMART auf ein äußerst kleines Aspektverhältnis und erreicht eine nahezu kugelförmige Geometrie mit Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern. Diese kompakte Bauweise ermöglicht eine effizientere Nutzung der Magnetfeldlinien und spart sowohl Platz als auch Kosten erheblich ein. Zum Vergleich: Der ITER-Tokamak hat einen Durchmesser von etwa 30 Metern, was SMART zu einer signifikanten Größenreduktion verhilft.

Ein weiteres herausragendes Merkmal von SMART ist die flexible Formgebung des Plasmas. Die Anlage ist speziell darauf ausgelegt, Plasmen in unterschiedlichsten Formen zu erzeugen, wobei die negative Triangularität – eine umgekehrte „D“-Form – ein zentrales Forschungsziel darstellt. Diese Fähigkeit zur flexiblen Plasmageometrie ist in anderen Projekten nur selten im Fokus und eröffnet neue Möglichkeiten für die Stabilisierung und Effizienzsteigerung der Fusionsreaktionen.

Darüber hinaus verfügt SMART über eine hohe Diagnostik-Dichte, die durch umfangreiche Investitionen in moderne Messtechnik erreicht wurde. Hochgeschwindigkeitskameras sowie präzise Temperatur- und Dichtesensoren ermöglichen eine detaillierte und genaue Bewertung der neuartigen Plasmageometrien. Diese fortschrittlichen Diagnoseinstrumente sind essenziell, um das Verhalten des Plasmas in Echtzeit zu überwachen und wertvolle Daten für die Weiterentwicklung der Fusionsforschung zu sammeln.

Schließlich ist SMART integraler Bestandteil der Fusion2Grid-Strategie, einem umfassenden Programm, das die Grundlagen für kompakte Fusionskraftwerke legen soll. Im Rahmen dieser Strategie arbeitet SMART eng mit internationalen Partnern zusammen, um die an der Anlage gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Entwicklung von Prototypen für zukünftige Fusionskraftwerke einfließen zu lassen. Diese enge Verzahnung mit globalen Forschungsinitiativen unterstreicht die bedeutende Rolle von SMART in der internationalen Fusionsforschung und trägt dazu bei, die Vision einer praktikablen und effizienten Fusionsenergie voranzutreiben.

Wie könnte die negative Triangularität die Zukunft der Fusionsenergie beeinflussen?

Die negative Triangularität im SMART-Tokamak könnte einen maßgeblichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Fusionsenergie haben. Einer der entscheidenden Vorteile liegt in der Möglichkeit, kompaktere Reaktoren zu bauen. Wenn ein kleinerer Tokamak durch negative Triangularität ähnlich stabile und leistungsstarke Plasmen erreichen kann wie konventionelle Großanlagen, würden die Baukosten deutlich sinken, die sonst im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Dies macht die Realisierung von Fusionskraftwerken wirtschaftlicher und beschleunigt deren praktische Umsetzung.

Ein weiterer signifikanter Vorteil ist die weniger Wandbelastung. Durch die verbesserte Plasmastabilität und reduzierte Turbulenzen wird die Lebensdauer der Komponenten verlängert. Dies trägt nicht nur zur Wirtschaftlichkeit von Fusionskraftwerken bei, sondern erhöht auch deren Zuverlässigkeit. Längere Lebensdauern der Reaktorkomponenten bedeuten geringere Wartungskosten und weniger Ausfallzeiten, was die Gesamtbetriebskosten weiter senkt.

Darüber hinaus fördert die negative Triangularität eine mehrere Forschungsvielfalt. Neben etablierten Tokamak-Konzepten wie ASDEX Upgrade und ITER bereichert negative Triangularität die internationale Fusionslandschaft und eröffnet neue Perspektiven für das Kraftwerksdesign. Diese Vielfalt an Forschungsansätzen kann zu innovativen Lösungen führen, die bislang unberücksichtigt blieben, und so die Fortschritte in der Fusionsforschung beschleunigen.

Schließlich könnte SMART laut dem Team in Sevilla als attraktiver "Game Changer" fungieren. Die Kombination aus geringer Baugröße und hoher Energieeffizienz bietet ein zukunftsorientiertes Design für Fusionskraftwerke. Diese Eigenschaften machen SMART zu einem vielversprechenden Kandidaten, der die Entwicklung nachhaltiger und effizienter Fusionsenergie vorantreiben könnte. Wenn sich die positiven Effekte der negativen Triangularität weiter bestätigen, könnte SMART den Weg für eine neue Ära der Fusionsenergie ebnen, in der kompakte und leistungsstarke Reaktoren eine zentrale Rolle spielen.

Welche Herausforderungen musste das SMART-Team überwinden?

Um den neuen Reaktor in Gang zu bekommen, musste das Team gleich mehrere Probleme lösen:

  • Kombination bewährter und neuer Technologien: SMART vereint bestehende Komponenten zu einem völlig neuen Konzept. Das Team musste sowohl bauliche als auch magnetfeldbezogene Fragestellungen lösen.
  • Aufbau der hochflexiblen Spulenanordnung: Acht Poloidalfeldspulen und zwölf Toroidalfeldspulen müssen präzise zusammenwirken, um unterschiedliche Plasmaformen – insbesondere die negative Triangularität – zu erzeugen und zu stabilisieren.
  • Materialbelastung in kompakter Bauform: Beim geringeren Radius eines Spherical Tokamak treten zum Teil höhere lokale Belastungen an den Wänden auf. Entsprechend robust müssen die Wandmaterialien und Kühlsysteme ausgelegt werden.
  • Transferierbarkeit: Als kompaktes Experiment soll SMART Ergebnisse liefern, die auf größere Anlagen übertragen werden können. Die Reaktorgröße darf die Skalierbarkeit der Erkenntnisse nicht beeinträchtigen.

Welche Rolle spielt die Plasmakammer bei der Erzeugung von NT-Plasmen?

Die Plasmakammer ist das Herzstück eines jeden Tokamaks, denn sie hält ein Hochvakuum aufrecht und schützt die Umgebung vor den extremen Bedingungen im Inneren:

  • Formgebende Voraussetzung: Die Kammergeometrie muss so beschaffen sein, dass sie negative Triangularität überhaupt zulässt. SMARTs Kammer bietet entsprechend Spielraum für die komplexe Spulenanordnung.
  • Materialanforderungen: Hohe Hitze- und Teilchenflüsse erfordern widerstandsfähige Wandmaterialien mit passender Kühlung. Insbesondere bei neuartigen Plasmaformen weiß man nie genau, wo es zu Hotspots kommt.
  • Diagnostischer Zugang: Die Plasmakammer muss genügend Ports und Durchführungen für Kameras, Sonden und andere Messinstrumente aufweisen, um das Verhalten des negativ geformten Plasmas umfassend untersuchen zu können.

Ausblick

Der SMART-Tokamak in Sevilla geht mit seinem kompakten, kugelförmigen Design und der negativen Triangularität neue Wege in der Fusionsforschung. Mit einem Vakuumgefäß von nur 1,6 × 1,6 Metern ist SMART deutlich kleiner als viele herkömmliche Tokamaks, was nicht nur Platz spart, sondern auch die Bau- und Betriebskosten reduziert. Nach dem erfolgreichen Erzeugen des ersten Plasmas im Januar 2025 haben die Wissenschaftler den operativen Betrieb eingeläutet und stehen kurz vor detaillierten Experimenten zu Plasmen mit umgekehrtem „D“-Querschnitt. Die Aussicht, in einer kleineren Anlage ähnlich hohe Temperaturen und eine vergleichbare Stabilität wie in klassischen Tokamaks zu erreichen, könnte die Entwicklung kostengünstiger und langlebiger Fusionskraftwerke vorantreiben.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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