Neue Medizin-Bildgebung durchdringt optische Grenzen
Optoelektronische Sensoren für tiefe Gewebeschichten
Streuendes Gewebe stellt optische Systeme vor physikalische Grenzen. Neue optoelektronische Sensorlösungen mit adaptiver Lichtmodulation ermöglichen präzise Bildgebung in bislang unzugänglichen Tiefen.
Nicole AhnerNicoleAhner
2 min
Wissenschaftler des Fraunhofer IPMS mit Flächenlichtmodulator im Labor.Fraunhofer IPMS
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Im Forschungsverbund OASYS arbeitet das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS an neuen optoelektronischen Sensorlösungen für Anwendungen in Medizin, Lebenswissenschaften und industrieller Fertigung. Ein technischer Schwerpunkt liegt im Leitprojekt B1, das Bildgebungssysteme für stark streuende Medien wie biologisches Gewebe entwickelt. Ziel ist es, optische Verfahren so weiterzuentwickeln, dass auch tiefere Schichten präzise untersucht werden können – ein Bereich, in dem klassische Bildgebung schnell an physikalische Grenzen stößt.
Präzisionsdiagnostik unter der Oberfläche
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In Gewebe führen Streuung, Absorption und Reflexion zu deutlichen Verzerrungen der Wellenfront des Lichts. Das reduziert die Abbildungstiefe und verschlechtert die Bildqualität. Um diese Effekte zu kompensieren, setzt das Fraunhofer IPMS im Projekt auf neuartige MEMS-basierte Flächenlichtmodulatoren (Spatial Light Modulators, SLMs). Diese Bauelemente bestehen aus Tausenden bis Millionen einzeln adressierbaren Mikrospiegeln, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen lassen. Sie ermöglichen eine adaptive Korrektur der Phase des einfallenden Lichts und damit eine gezielte Kompensation optischer Verzerrungen. Auf dieser Basis wird hochauflösende Bildgebung in tiefen Gewebeschichten möglich, etwa für mikroskopische Deep-Tissue-Analysen oder endoskopische Verfahren.
Der am Fraunhhofer IPMS entwickelte MEMS-basierte Flächenlichtmodulator (Spatial Light Modulator, SLMs).Fraunhofer IPMS
Warum versagen klassische Bildgebungssysteme im Gewebe?
Das Projekt adressiert damit zentrale Herausforderungen der biomedizinischen Diagnostik, etwa die nicht-invasive Untersuchung krankheitsrelevanter Gewebestrukturen. Die hohe Dynamik der Mikrospiegel erlaubt schnelle und präzise Anpassungen der Wellenfront, wodurch Detailinformationen sichtbar werden, die mit konventionellen optischen Ansätzen kaum zugänglich sind. Für medizinische Anwendungen eröffnet dies Perspektiven für verbesserte Diagnostik und Monitoring, beispielsweise bei der Detektion von Tumorgewebe oder der Bewertung therapeutischer Eingriffe.
Neue Sensorik auch für Raumfahrt und Quantentechnik
Parallel dazu untersucht OASYS weitere Einsatzfelder der SLM-Technologie. Dazu gehören hochauflösende Mikroskopieverfahren im sub-Mikrometerbereich, adaptive Optiken für Erdbeobachtungs- und Weltraummissionen sowie optische Module für quantentechnologische Anwendungen wie Quantenkommunikation, Krypotgraphie oder holografische Systeme. Die Kombination aus MEMS-Technik, photonischen Bauelementen und adaptiven optischen Konzepten bildet die Grundlage für neue Sensorkomponenten, die kompakt, energieeffizient und integrativ in bestehende Systeme einsetzbar sind.
Ein Deep-Tissue-Image aufgenommen mit einem SLM.Fraunhofer IPMS
OASYS läuft von September 2023 bis August 2028 und wird mit rund 12,5 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert. Neben dem Fraunhofer IPMS gehören die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg als Projektkoordinatorin, das Ferdinand-Braun-Institut FBH und das IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik zum Verbund. Die Forschungseinrichtung sieht im Projekt einen Baustein zur Weiterentwicklung optischer Systeme für anspruchsvolle medizinische und industrielle Aufgabenstellungen. Die im Leitprojekt B1 entwickelten SLMs werden gemeinsam mit Anwendungspartnern so ausgelegt, dass sie sich in zukünftigen Diagnostiksystemen, Fertigungsprozessen oder Messplattformen praktisch einsetzen lassen. (na)