Der wachsende Hype um Quantentechnologien fördert das Interesse und die Investitionen in den Bereichen Quantencomputing, Quantenkommunikation und Quantensensoren. Im Zusammenspiel mit etablierterer Elektronik ermöglichen Quantenphänomene neue Rechen- und Sensorfähigkeiten.
Während die Empfindlichkeit von Quantenzuständen gegenüber externen Faktoren eine Herausforderung für die Entwickler von Quantencomputern darstellt, bildet die Wechselwirkung von Zuständen mit Eigenschaften wie Bewegung, Magnetfeld und Schwerkraft die Grundlage für die Qantensenorik.
Quantensensoren nutzen Quantenphänomene zur präzisen Messung
Quantensensoren nutzen Quantenphänomene um physikalische Größen und Eigenschaften wie Zeit, Magnetfeld und Strom, Schwerkraft, Winkelbewegung und Einzelphotonen präzise zu messen. Solche Phänomene sind beispielsweise der Welle-Teilchen-Dualismus, die Quantelung der Energie, Quantenverschränkung oder -Superposition. Dafür sind spezielle Techniken und Materialien nötig, wie z. B. Defekte in einer Diamantstruktur (Diamant-Nitrogen-Vacancy), supraleitende Materialien, atomare oder ionische Systeme oder 2D-Materialien wie Graphen.
Quantensensoren weisen in der Regel eine erheblich höhere Empfindlichkeit im Vergleich zu klassischen Alternativen auf und ermöglichen auch die Messung von Eigenschaften, die anders nicht zugänglich wären. In der Elektrotechnik sind solche präzisen Messungen entscheidend für die Entwicklung und Wartung von komplexen Systemen und Geräten, wie beispielsweise in der Halbleiterfertigung. Durch ihre hohe Empfindlichkeit erkennen Quantensensoren kleine Abweichungen, die auf Fehler oder beginnenden Verschleiß in elektrischen Komponenten und Schaltkreisen hinweisen.
Vorteile von Quantensensoren gegenüber klassischen Alternativen
Ihre überlegene Sensitivität im Vergleich zu klassischen Sensoren führt dazu, dass Quantensensoren für Anwendungen in Elektro- und autonomen Fahrzeugen, Gehirnscannern, Quantencomputern, Ausrüstungen zur Untergrundkartierung, Satelliten und auch in der Unterhaltungselektronik von Interesse sind. Außerdem sind sie unentbehrlich in der Forschung, wo sie es ermöglichen, neue Materialien zu charakterisieren und physikalische Phänomene auf bisher unerreicht kleinen Skalen zu untersuchen.
Neben der höheren Sensitivität können Quantensensoren auch andere Vorteile gegenüber klassischen Alternativen haben, wie ein reduzierter Energieverbrauch, eine geringere Größe oder erweiterte Möglichkeiten der Fernerkundung.
Grundlagen Quantenmechanik
Quantensensoren können äußerst kleine Änderungen in ihrer Umgebung erkennen. Dafür nutzen sie Prinzipien der Quantenmechanik:
- Welle-Teilchen-Dualismus: Teilchen wie Elektronen oder Photonen verhalten sich sowohl wie Teilchen als auch wie Wellen. Das macht es den Teilchen beispielsweise möglich, eine Energiebarriere zu durchdringen, selbst wenn ihre Energie eigentlich nicht dafür ausreicht (Tunneleffekt). Dieser Effekt kommt bei TMR-Sensoren oder Quanteninterferometern zum Einsatz.
- Quantelung der Energie: In Atomen oder Molekülen ist die Energie nicht kontinuierlich verteilt, sondern es existieren diskrete Energiezuständen, das heißt, die Energie existiert nur in diskreten Einheiten (Quanten).
- Superposition: Ein Teilchen in der Quantenmechanik kann sich auch in einem Energiezustand befinden, der eine Überlagerung mehrerer Zustände ist. Der tatsächliche Zustand des Teilchens wird erst bestimmt, wenn eine Messung durchgeführt wird.
- Verschränkung: Teilchen können in Zuständen vorliegen, in denen ihre physikalischen Eigenschaften miteinander verbunden sind, unabhängig von der räumlichen Entfernung zwischen ihnen. Eine Änderung des Zustands bei einem Teilchen führt sofort zu einer Änderung beim Partner.
Beispiel Quantenmagnetfeldsensoren: Umsetzung und Anwendungen
Ein Beispiel für Sensoren, die Prinzipien der Quantenmechanik nutzen, sind Quantenmagnetfeldsensoren. Sie bieten das Potential für Massenmarktanwendungen sowohl im Automobilbereich als auch bei tragbaren Geräten. Eine häufige Umsetzung ist, Atome durch Laserlicht in einem bestimmten Quantenzustand zu präparieren und ihre Wechselwirkung mit einem externen Magnetfeld zu beobachten. Eine andere Variante nutzt den Josephson-Effekt, der besagt, dass, wenn zwei Supraleiter durch eine sehr dünne, nicht-supraleitende Barriere voneinander getrennt sind (Josephson-Kontakt), Cooper-Paare durch die Barriere tunneln können. Sind zwei Josephson-Kontakte in einer supraleitenden Schleife eingebunden, verändert ein externes Magnetfeld die Phasendifferenz auf beiden Seiten der Barriere, was den Strom durch die Schleife beeinflusst. Ein solches System wird als SQUID (Superconducting Quantum Interference Device) bezeichnet (Bild 1).
Ihre Fähigkeit, extrem schwache Magnetfelder zu detektieren und dabei nicht invasiv zu sein, macht Quantenmagnetfeldsensoren besonders wertvoll in Forschung, Industrie und Medizin. Zum Beispiel ist die Messung schwacher Magnetfelder innerhalb des Körpers möglich, um so Einblicke in die Gehirnfunktion zu erhalten (Bild 2).
Quantensenoren ermöglichen präzise Navigation auch ohne GNSS-Daten-Zugang
Eine weitere der wahrscheinlichsten Massenmarkt-Anwendungen für Quantensensoren ist die Navigation. Bis heute ist die genaueste Methode die eigene Position und die lokale Zeit zu bestimmen, Daten aus einem globalen Navigationssatellitensystem (GNSS) zu nutzen, wie zum Beispiel das GPS des US-Militärs. Allerdings gibt es Umgebungen, in denen der Zugang zu GNSS-Daten eingeschränkt ist.
Um hier weiter präzise navigieren zu können, sind genauen Messungen der zurückgelegten Entfernung, der Richtung, der Geschwindigkeit und der Zeit nötig. Bestehende Bewegungssensoren, Gyroskope und Uhren messen dafür nicht genau genug. Quantensensoren ermöglichen eine präzise Navigation, ohne auf GNSS angewiesen zu sein. Aber wie funktioniert die Positionsbestimmung mit Quantensensoren? Hierfür sind Quantengyroskope und -Beschleunigungsmesser zur Bestimmung von Position und Bewegung, sowie Atomuhren zur präzisen Zeiterfassung nötig.
Atomuhren sind präzise Zeitmesser dank Cäsium-Atomen
Atomuhren sind aktuelle die präzisesten Zeitmesser. Für den gleichmäßigen Takt sorgen Cäsium-Atome. Werden sie dem elektromagnetischen Wechselfeld eines Quarzoszillators ausgesetzt, nehmen sie Energie auf, um den Zustand zu wechseln und senden dabei elektromagnetische Strahlung aus. Bei einer bestimmten Frequenz ist die Energieaufnahme maximal. Ein Zähler erfasst diese Frequenz, bei der die meisten Teilchen den Zustand wechseln. Sie dient als Regelsignal für den Quarzoszillator (Bild 3).
Aktuell geht bei Atomuhren der Trend hin zu kleinen und mobilen Systemen. Hier ist allerdings ein Kompromiss bei der Genauigkeit und Stabilität nötig, der mit einem geringen Stromverbrauch einhergeht. Da der Bedarf an tragbaren Uhren mit höherer Genauigkeit wächst, entwickeln zahlreiche Forschungsinstitute und Regierungsstellen neuer Atomuhren in Chipgröße. Dazu gehören Verbesserungen an MEMS-basierten Cäsiumuhren sowie optische Atomuhren im Chipmaßstab.
Quantengyroskop und Quantenaccelerometer messen Rotation und Beschleunigung
Ein Quantengyroskop misst Rotationsbewegungen durch den Sagnac-Effekt, bei dem Licht- oder Materiewellen in einem ringförmigen Interferometer in entgegengesetzte Richtungen gesendet werden. Während das System rotiert, entsteht eine Phasenverschiebung zwischen den beiden Wellen, da die in Drehrichtung reisende Welle einen längeren Weg zurücklegt als die entgegengesetzte Welle. Diese Phasenverschiebung führt zu einem Interferenzmuster, das präzise Informationen über die Rotationsrate liefert. So können Rotationsbewegungen oder Drehgeschwindigkeiten bestimmt werden, die essenziell sind, um die Orientierung oder Ausrichtung eines Objekts im Raum genau zu bestimmen.
Ein Quantenaccelerometer misst Beschleunigung durch die Manipulation und Beobachtung von ultrakalten Atomen in einem Zustand der quantenmechanischen Überlagerung. Während des freien Falls werden die Atome mittels präziser Laserpulse in zwei unterschiedliche Quantenzustände gebracht, die gleichzeitig, aber räumlich getrennt fallen. Die resultierende Phasenverschiebung zwischen diesen Zuständen, die durch Beschleunigung verursacht wird, führt zu einem Interferenzmuster.
Navigation mit Quantensensoren auf dem Weg zu Massenmarktanwendung
In Kombination können Gyroskopen, Accelerometern und Atomuhren zur präzisen Navigation dienen. Die Informationen von Gyroskopen und Accelerometern werden integriert, um die Geschwindigkeit und Position eines Objekts über die Zeit hinweg zu berechnen.
Bisher waren viele Quantensensor-Technologien zu groß oder zu teuer, um für die Massenmarktnavigation übernommen zu werden. Die Technologie ist jedoch auf dem Weg, in den nächsten zehn Jahren weiter miniaturisiert und optimiert zu werden, parallel zu einer steigenden Nachfrage nach autonomen Fahrzeugen, Smartphones und Wearables. Bild 4 zeigt eine Roadmap für verschiedene Quantensensor-Technologien und ihre (potenziellen) Anwendungen bis 2040.
Herausforderungen bei Entwicklung, Umsetzung und Miniaturisierung
In der Entwicklung von Quantensensoren kommen Materialien und Techniken zum Einsatz, die auf den Grundprinzipien der Quantenmechanik basieren. Typischerweise werden superleitende Schaltkreise, speziell dotierte Halbleiter oder optische Fallen verwendet, um Quantenzustände gezielt zu manipulieren und zu messen. Bei der technischen Umsetzung ist eine präzise Kontrolle auf atomarer Ebene nötig. Spezielle Kühltechnologien halten die Quantenzustände stabil. Außerdem funktionieren viele Quantensensor-Technologien zwar gut im Labor, aber sie in bestehende Systeme zu integrieren, kann schwierig sein. Quantensensoren haben oft spezielle Anforderungen an ihre Umgebung, wie extrem niedrige Temperaturen oder hohe Vakuumniveaus, da Quantensysteme extrem empfindlich gegenüber äußeren Störungen sind. Mit herkömmlicher Sensorik und Elektronik ist das oft nicht kompatibel. In Hinblick auf Umgebungsstörungen können magnetisches und thermisches Rauschen die Messgenauigkeit beeinträchtigen. Die oft sehr schwachen Signale, die von Quantensensoren erzeugt werden, zu erkennen und zu verstärken, ohne dabei das Rauschen zu erhöhen, ist eine weitere technische Herausforderung.
Fortschritte in der Technik ermöglichen jedoch zunehmend eine robustere Einbindung in verschiedene Anwendungsbereiche von der Medizin bis zur Telekommunikation. Dabei ist eine möglichst hohe Empfindlichkeit nicht der einzige Anforderung, die es zu erfüllen gilt. Es zeigt sich auch ein klarer Trend zur Miniaturisierung, was die Möglichkeiten für mobile oder in andere Geräte integrierte Anwendungen erweitert. Dabei ist die größte Herausforderung, dass auch bei der Herstellung auf der Chip-Skala die Leistung beibehalten wird. Um mit den etablierten Sensortechnologien konkurrieren zu können, müssen Quantensensoren einen erheblichen Leistungsvorteil bieten und das in einem möglichst kleinen, stromsparenden und kosteneffizienten Gehäuse. Dabei sind für die Komponentenherstellung und Miniaturisierung hohe Kapitalinvestitionen in spezialisierte Fertigungsanlagen nötig. Während bei der Miniaturisierung der Quantensensortechnologie mit Hilfe von Halbleiter- und MEMS-Fertigungstechniken erhebliche Fortschritte erzielt werden, haben viele der bestehenden Fabriken nicht in die Quantensensorik investiert, sondern konzentrieren sich stattdessen auf etabliertere, großvolumige Anwendungen. Die Herausforderung der Herstellung hat den Quantensensormarkt in den letzten Jahren etwas ins Stocken gebracht. Da jedoch der Bedarf an Quantengießereien und an der Herstellung von Komponenten für die Quanteninformatik immer deutlicher wird, erleben die Möglichkeiten der Quantensensorik eine Art Wiederbelebung.
Marktübersicht über die Quantensensorik-Branche
Im Jahr 2024, obwohl es noch in einem frühen Stadium ist, repräsentiert die Quantentechnologie bereits einen Markt im Wert von mehreren Millionen Dollar. In der Zukunft gibt es fortlaufende Möglichkeiten für Störungen und Wachstum durch Innovationen in Quantenmaterialien, -komponenten und -geräten.
Magnetfeldsensoren haben potentielle Massenmarktanwendungen im Automobilbereich als auch bei tragbaren Geräten, was langfristig zu dem größten kumulativen adressierbaren Markt führen sollte. Die nächstgrößeren adressierbaren Märkte sind für Gyroskope und Atomuhren, beide mit Anwendungsmöglichkeiten in Navigation und Zeitmessung. Gravimeter und Bildsensoren sind sehr anwendungsspezifisch und werden voraussichtlich hauptsächlich für die Kartierung unter der Erde und für das Quantencomputing eingesetzt.
Es gibt mehrere Treiber für das Wachstum in der Quantensensorik-Branche, aber einer der wichtigsten ist zweifellos die staatliche Förderung. Mehrere Regierungen fördern die Entwicklung der Quantentechnologie mit dem Ziel, das wirtschaftliche Wachstum zu steigern und die nationale Sicherheit zu stärken.
Quantensensorprojekte sind typischerweise Kooperationen zwischen Forschungsinstituten, Endnutzern und Hardwareanbietern. Es gibt derzeit relativ wenige eigenständige Ausgründungen („Spin-out-Unternehmen“). Dies liegt teilweise an der direkten Nutzung der Technologie durch staatliche Stellen, z. B. das Militär, und teilweise am frühen Entwicklungsstadium vieler Technologien. In den nächsten Jahren dürften vermehrt kommerziell ausgerichtete Start-ups für Quantensensoren entstehen.
Quantensensoren vers. Quantencomputer: Potentiale und Probleme
Während Quantencomputer in Gesellschaft und Medien sehr präsent sind, sind Quantensensoren noch nicht weit im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Allerdings stehen die Anzahl der Spalten, die einer neuen Technologie gewidmet werden, und die Marktchancen nicht immer in einem Zusammenhang. Der relativ geringe Hype um die Quantensensorik spiegelt zumindest kurz- und mittelfristig nicht eine geringere Marktchance wider – eher das Gegenteil ist der Fall. Einer der größten Einflüsse auf die Geschwindigkeit, mit der die Quantentechnologie auf den Markt kommt, ist die Finanzierung. In vielen Fällen sind die Ausgaben für Sensorik, Komponentenhersteller und Bildgebung vergleichbar mit denen für Quantencomputer, wenn nicht sogar höher als diese. Diese Aufteilung der Mittel deutet darauf hin, dass die Regierungen in der Unterstützung der Entwicklung von Quantensensoren einen gesellschaftlichen Nutzen sehen.
Allerdings haben sich in den letzten Jahren Risikokapitalgeber und private Investoren mehr auf das Quantencomputing konzentriert. Es gibt mehrere mögliche Gründe dafür, aber einer ist wahrscheinlich die branchenunabhängige Wirkung des Quantencomputings im Vergleich zu den anwendungsspezifischen Einsätzen von Quantensensoren. Die meisten Quantensensortechnologien werden mittelfristig eine Nische bleiben
Schließlich besteht zwischen dem Markt für Quantensensoren und dem Markt für Quantencomputer ein gewisse Wechselwirkung: Oft werden Quantensensoren benötigt, um Qubits in Quantencomputern auszulesen, und die Optimierung grundlegender Komponenten wie Laser, Gaszellen und Photodetektoren wird für den Erfolg beider Märkte entscheidend sein. Einige der überzeugendsten Geschäftsmodelle sehen Firmen, die versuchen, Quantenplattformen sowohl für die Datenverarbeitung als auch für die Sensorik zu nutzen, darunter etablierte Sensorunternehmen wie Honeywell und neuere Akteure wie Infleqtion (Cold Quanta) und Qant. (bs)
Dieser Beitrag basiert auf Unterlagen von Idtechex.
Die Autorin: Sabine Synkule
Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.