Klebezettel mit der Aufschrift Transition Management klebt auf Statistiken

Der Schlüssel für einen risikofreien Transition-Prozess liegt in einem strukturierten Prozess, der von einem erfahrenen Transition Manager geleitet wird. Damit sind Hersteller in guten Händen und können trotz Outsourcing ihre Produkte in gewohnt zuverlässiger und schneller Weise an den Markt zu bringen. Was das im Detail bedeutet. (Bild: Vitalii Vodolazskyi – Adobe Stock)

Wollte Unternehmen ihre Fertigung an einen EMS-Dienstleister auslagern, müssen verschieden Fragen beantwortet werden: Sind verschiedene Produktionsstandorte beteiligt? Wie komplex ist das elektronische Produkt? Wie wirkt sich diese Komplexität auf die Architektur der Lieferkette aus? Welche Art von technologischem Know-how ist in der Produktion erforderlich? Welche Standards und regulatorischen Vorgaben sind zu erfüllen? Und natürlich auch: Welche besonderen Anforderungen fallen auf Seite des Herstellers selbst an? Abhängig von den Antworten nimmt das Auslagern unterschiedliche Dimension an und beinhalten demnach ganz eigene Herausforderungen. Welche Faktoren zu berücksichtigen sind und wie gelungene Beispiele aussehen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Warum Kommunikation oberstes Gebot für eine funktionierende Zusammenarbeit bei EMS ist

Wer sich als Hersteller für das Outsourcing seiner Produkte entscheidet, steht in der Regel vor einer Herausforderung, die er nicht allein lösen kann. Vertrauen in den Partner und eine enge Zusammenarbeit ist daher wesentlich. Auftragsfertiger sind sich dem bewusst und folgen in der Regel einer durchgängigen Methodik, um den Übergang so einfach wie möglich zu gestalten.

Ganz am Anfang steht dabei die Abstimmung der verschiedenen Bereiche – von Supply Chain über Design und Entwicklung, der Qualitätskontrolle und der Compliance bis hin zur Fertigung selbst. Je enger, offener und beweglicher der Austausch, desto besser auch die Erfolgsaussichten. Da viele Projekte zudem geographische, wie kulturelle Grenzen überschreiten, ist es wichtig standardisierte Prozesse zu etablieren und die Kommunikation sicherzustellen (z. B. über IT-Tools). Die Beteiligten müssen ihre jeweiligen Aufgaben, Prioritäten und Zeitpläne kennen, damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert – unabhängig von Zeitzonen und eventuellen Sprachbarrieren. Kurzum: sie müssen für ein erfolgreiches Transition Management sorgen.

Der Transition-Checkliste: Die 4 M-Faktoren

Beim Übergang eines Produkts in die Fertigung gilt es vier Problemursachen und die dazu passenden Fragen zu berücksichtigen. Die Checkliste folgt dabei dem Ursache-Wirkungs-Diagramm (Fischgrätendiagramm) des japanischen Wissenschaftler Kaoru Ishikawa:

  1. Mensch: Wie lassen sich neu erworbene Fähigkeiten und intrinsisches Wissen über die Dauer eines Projekts hinaus erhalten und weitergeben? Wie können Best Practices/Lessons Learned festgehalten und mit einem Partner geteilt werden, um die Qualität des Produkts auch innerhalb der Fertigung sicherzustellen? Wie lässt sich ein kontinuierlicher Feedback-Loop implementieren?
  2. Maschine: Wie hoch ist der Bedarf an Investitionsgütern? Gibt es besondere Anforderungen in Bezug auf Automatisierung, Robotik, KI etc.? Stehen die notwendigen Produktionsanlagen termingerecht bereit? Welche Anpassungen sind zur Erfüllung von Industrie-Standard erforderlich?
  3. Methode: Wie sieht der Herstellungsprozess aus? Wo lassen sich durch iterative Mapping-Prozesse Schwachstellen aufdecken und Abläufe kontinuierlich optimieren? Wie lässt sich eine Null-Fehler-Strategie realisieren?
  4. Material: Liegen Bauteile auf Lager, die an den Produktionsort des Partners verlegt werden müssen? Verändert sich die Lieferkette bei einem Umzug der Fertigung an einen neuen Standort? Welche (Kosten)Vorteile lassen sich mit einer solchen Neuausrichtung der Supply Chain erzielen (z. B. lokale vs. globale Zulieferer)? Wie hoch ist das Risiko von Engpässen? Ist bei Steigerung des Produktionsvolumens die Versorgung weiterhin gesichert?
Ursache-Wirkungs-Diagramm (Fischgrätendiagramm) des japanischen Wissenschaftler Kaoru Ishikawa beim Transition Management
Das Ursache-Wirkungs-Diagramm (Fischgrätendiagramm) des japanischen Wissenschaftler Kaoru Ishikawa stellt beim Transition Management grafisch die vier Problemursachen beim Übergang eines Produkts in die Fertigung dar. In diesem Fall die 4 Ms: Mensch, Maschine, Methode und Material. (Bild: Plexus)

3 Szenarien für ein erfolgreiches Transition Management in der EMS-Praxis

EMS-Dienstleister sind heute mehr als reine Auftragsfertiger. Sie sind bei der Produkteinführung (New Product Introduction, NPI) involviert und unterstützen Hersteller, die gezwungen sind, ihre Produktstätten umzustrukturieren oder Änderungen in ihrer Lieferkette vorzunehmen. Viele Hersteller geben mittlerweile auch Aftermarket Services in die Hände von Partnern. Die folgenden drei Szenarien zeigen, wie erfolgreiches Transition Management funktioniert.

1. Verlagerung der Fertigung in 9 Monaten

Für manche Unternehmen stellt die Fertigung an sich keine Kernkompetenz mehr dar. Kostenoptimierungen sowie die Verschiebung des Unternehmensfokus auf Forschung und Entwicklung führen daher immer wieder zur Schließung oder Verlagerung von eigenen Produktionsstätten – eine heikle Situation. Nicht nur weil möglicherweise Arbeitsplätze in Gefahr sind, sondern auch weil es gilt, das inhärente Wissen über ein Produkt und dessen Fertigungsprozesse beim Outsourcing weiterzugeben.

Vor dieser Herausforderung stand auch ein Kunde des EMS-Dienstleisters Plexus, der zwei seiner Produktionsstätten schließen musste. Mehr als 60% des Geschäfts sollten in Großbritannien verbleiben, während der Rest ins Ausland verlagert werden sollte. Die Transition Manager von Plexus entwickelten und implementierten ein kollaboratives Transition Programm, um die Umstellung innerhalb von neun Monaten erfolgreich und ohne Unterbrechung für den Endkunden abzuwickeln.  

2. Neues medizinisches Produkt für den US-Markt

Bei der Fertigung neuer Produkte kann man nur bedingt auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Und nur weil das Design für ein Produkt vorliegt, heißt es noch lange nicht, dass es auch tatsächlich überall gefertigt werden kann. Kein Wunder also, das der Ansatz Design for Manufacturing (DfM) immer mehr an Bedeutung gewinnt – das gilt auch beim Transition-Prozess, wie die Entwicklung eines Robotersystems für die medizinische Chirurgie zeigt. Dabei arbeiteten die Transition Manager von Plexus mit dem Engineering-Team des Kunden zusammen, um gemeinsam die für die Produktion erforderlichen Testsysteme zu entwerfen. Dabei koordinierten sie die Zusammenarbeit unterschiedlicher Teams in Europa und Nordamerika. Betroffen waren unter anderem mehr als fünfzig Leiterplattenbaugruppen und sechs komplexe High-Level-Baugruppen. Während das Produkt Schritt für Schritt die Produktionsreife erreichte, entwickelte Plexus parallel eine lokale Lieferkette und bereitete die Dokumentation für die FDA 510(k)-Premarket-Notifizierung vor. Dadurch gelang es, die Zeit vom Designkonzept bis zur Fertigung auf drei Jahre zu reduzieren – in der Medizinelektronik durchaus ein Sprint.

3. Partnerwechsel für PCBA, Montage und Testing

Es gibt viele Gründe, warum Hersteller den EMS-Partner wechseln. Erwartungen an den Service können sich ändern. Vielleicht müssen sie auf einem neuen Markt expandieren oder benötigen zusätzliche Kapazitäten oder Zugang zu Fachwissen und Technologien. Klar ist jedoch: Aufgrund von Wettbewerbsbeziehungen und Vertraulichkeitsvereinbarungen kommen zusätzliche Herausforderungen auf Hersteller zu. Ein sorgfältiges Stakeholder-Management ist gefragt.

Für einen Kunden aus dem Schwermaschinenbau übernahm Plexus die Fertigung zweier Hochleistungs-Inverter für den Einsatz in Diesel/Elektro-Hybrid-Geländegeräte von einem früheren Fertigungspartner. Die Produkte umfassten Printed Circuit Board Assembly (PCBA), komplexe mechanische Montage und mehrstufige Tests, einschließlich Niederspannungs-, Hochspannungs- und Wassereindringtests (Lecks). Weil die Zeit drängte und aufgrund des Umfangs bzw. der Komplexität der Produkte setzte Plexus zwei Transition Manager für jede Produktgruppe ein. Dieses Engagement zahlte sich aus: Bereits in den ersten zwei Jahren der Zusammenarbeit erhielt der EMS-Dienstleister den Auftrag für vier weitere Produktlinien.

Graeme Struthers
(Bild: Graeme Struthers)

Graeme Struthers ist EMEA Regional Manager für das Transition Management bei Plexus.

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