Steigende Komplexität, kleinere Strukturen und hohe Stückzahlen stellen neue Anforderungen an den Elektroniktest. Eine neue Technologie kombiniert präzise Bildverarbeitung mit robuster Kontaktierung – und macht Serienprüfungen erstmals skalierbar.
Petra GottwaldPetraGottwaldPetra GottwaldChefredakteurin Elektronik-Titel
3 min
Jede Prüfnadel wird einzeln und unabhängig angesteuert; der Kontakt erfolgt erst, wenn die Leiterplatte vollständig abgestützt istIPTE
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Flying-Probe-Tester bieten in der frühen Entwicklungsphase eine Lösung, da ihre flexible Kontaktierung auch feinste Geometrien erreicht. Ihr Nachteil liegt jedoch in der Geschwindigkeit: Für Prototypen und Kleinserien ausreichend, sind sie für die Anforderungen der Serienfertigung zu langsam. Es braucht also einen neuen Ansatz, der die Präzision von Flying-Probes mit der Geschwindigkeit und Robustheit konventioneller Testsysteme vereint.
Leiterplatte mit Kameras exakt positionieren
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Traditionelle Federkontaktstifte arbeiten über die Abwärtsbewegung der gesamten Vorrichtung. Selbst minimale seitliche Bewegungen führen zu schwankenden Messergebnissen, weshalb eine Prüfnadel nötig wurde, die die erforderliche Kontaktkraft aufbringen kann.IPTE
Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, untersuchte das IPTE-Forschungsteam die Grenzen
mechanischer Positionierungs- und Kontaktierungstechnologien. Die Ergebnisse zeigen: Für zuverlässige Hochvolumen-Tests mit mikrometergenauer Präzision sind zwei Schlüsseltechnologien erforderlich:
Kameragestützte, aktive Ausrichtung der Testvorrichtung zum Produkt
Ein neuartiges Kontaktierkonzept, das hohe Kontaktkräfte bei kleinstem Pitch ermöglicht und gleichzeitig eine lange Lebensdauer bietet
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Eine mechanische Positionierung stößt bei schrumpfenden Testpads und steigender Leiterplattendichte an ihre Grenzen – bedingt durch alle physikalischen Toleranzen und Umwelteinflüsse. Die Summe aller typischen Fertigungstoleranzen macht es erforderlich, einen Mindestdurchmesser für den Bewegungsweg der Prüfnadel zu definieren. Die Lösung liegt in der aktiven Ausrichtung: Die Kontaktiervorrichtung passt sich vor dem Kontaktieren kontinuierlich der tatsächlichen Position des Layouts auf der Leiterplatte an.
Hochauflösende Kameras erfassen Fiducial-Marken auf beiden Seiten der Leiterplatte und messen die exakten X-, Y- und Rotationsabweichungen um die Z-Achse. Präzisionsmotoren, gesteuert durch diese Bilddaten, positionieren die Kontaktier-Einheit in drei Achsen, sodass jeder Kontakt mit mikrometergenauer Präzision erfolgt – noch bevor mechanischer Druck ausgeübt wird. Die Vorrichtung richtet sich nach dem Produkt, nicht umgekehrt. Das ist entscheidend, da Ober- und Unterseite der Leiterplatte oft nicht exakt ausgerichtet sind.
Die patentierte Sleeve Probe-Technologie von Ingun,
integriert in das Handler-Konzept von IPTE, bietet eine skalierbare Testmethode.IPTE
Diese Methode bildet eine robuste Grundlage für wiederholgenaue Kontaktierung unter anspruchsvollen Produktionsbedingungen – auch bei komplexeren Layouts und engeren Toleranzen. Doch eine optimale Positionierung allein reicht nicht aus: Für eine zuverlässige Kontaktierung auf ultrakleinen Pads braucht es auch eine leistungsfähige Prüfnadel, die bei feinem Pitch eine hohe Kontaktkraft aufbringen kann.
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Wieso Federkontaktstifte nicht geeignet sind
Traditionelle Federkontaktstifte arbeiten über die Abwärtsbewegung der gesamten Vorrichtung. Bei kleineren Pads und höherer Bauteildichte stößt diese Methode an ihre Grenzen: Die nötigen Kräfte zum Durchdringen von Lötflussmittel oder OSP-Beschichtungen (OSP = Organic Solderability Preservatives) gefährden die Pads, und selbst minimale seitliche Bewegungen führen zu schwankenden Messergebnissen. Aus diesem Grund musste eine Prüfnadel entwickelt werden, die die erforderliche Kontaktkraft aufbringen kann und gleichzeitig die Leiterplatte schützt.
Die Lösung liegt in der sogenannten unabhängigen Aktuierung (d.h. jede Prüfnadel wird einzeln und unabhängig angesteuert, nicht alle gleichzeitig): Der Kontakt erfolgt erst, wenn die Leiterplatte vollständig abgestützt ist – mechanische Belastungen durch ein flächiges Andrücken entfallen. Da sich die winzigen Antriebselemente abseits des Kontaktbereichs befinden, wird die Antriebskraft über ein flexibles Kabel innerhalb einer Schutzhülle übertragen. Am Kontaktpunkt mündet die Hülle in eine starre Aufnahme, die die Bewegung der Prüfnadel führt, während die Nadel selbst in einer Wolframspitze mit nur 180 µm Durchmesser endet.
Diese Konfiguration ermöglicht es jeder Prüfnadel, eine Normalkraft von bis zu 3 N aufzubringen – genug, um Oxidschichten und Oberflächenbeschichtungen zu durchdringen, ohne die Pads über Hunderttausende von Testzyklen zu beschädigen. Die Wolframspitze behält ihre Geometrie auch unter wiederholter Belastung bei und sorgt dadurch für eine gleichbleibend niederohmige Kontaktierung.
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Jedes Element dieser Struktur – der entfernte Aktuator, die kabeltragende Hülle, die Führungsaufnahme und die ultrafeine Wolframnadel – entstand direkt aus den Entwicklungsanforderungen für eine kraftvolle, beschädigungsfreie und wiederholgenaue Kontaktierung und führte zum patentierten Konzept, das heute als Sleeve Probe bekannt ist und von Ingun hergestellt wird.
Serienreife Präzision für automatisierte Elektroniktests
Mit dem PCT Handler lassen sich In-Circuit-Tests und Funktionstests durchführen.IPTE
Die Kombination aus einem Präzisions-Testsystem mit aktiver Ausrichtung und der Sleeve Probe-Technologie bietet eine Lösung, die alle Anforderungen der Serienproduktion erfüllt. Gemeinsam ermöglichen sie eine zuverlässige Kontaktierung auf Pads bis zu 300 µm und Pitch-Abständen von 400 µm – eine Fähigkeit, die die Lücke zwischen der Flexibilität von Prototypentests und dem Durchsatz der Serienfertigung schließt.
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Diese Entwicklung ist für viele Branchen relevant: Unterhaltungselektronik, Steuergeräte in der Automobilindustrie, Medizintechnik und Telekommunikationshardware. In all diesen Bereichen ist der Platz auf der Leiterplatte knapp, die Produktionsvolumina sind hoch und Zuverlässigkeit ist unverzichtbar. Die patentierte Sleeve Probe-Technologie von Ingun, integriert in das Handler-Konzept von IPTE, bietet eine skalierbare und zukunftssichere Testmethode. Sie ist geeignet für aktuelle Anforderungen der Miniaturisierung und bildet zugleich eine Grundlage für zukünftige Teststrategien im Zuge der Weiterentwicklung elektronischer Baugruppen.
Durch die Kombination aus optischer Präzision und individuell angesteuerten, besonders robusten Mikronadeln haben IPTE und Ingun eine Lösung entwickelt, die es Herstellern ermöglicht, Qualität und Effizienz auch bei zunehmender Komplexität und Dichte elektronischer Baugruppen aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus eröffnet diese Technologie neue Möglichkeiten für die Prüfung flexibler, weicher oder 3D-Elektronik.