
Bild 1: Wärmeübertrager mit Stromlinien und Einfärbung nach Temperatur (Bild: Rehm)
Der Einsatz numerischer Methoden hat sich als zentraler Bestandteil im Entwicklungsprozess von Anlagen und Prozessen etabliert. Dies ist besonders nützlich, wenn bestimmte Größen in realen Anlagen entweder gar nicht oder nur mit erheblichem Aufwand gemessen werden können. Rehm Thermal Systems verwendet zur Simulation von Strömung und Wärmeübertragung das Programm Comsol Multiphysics. Dieses ist besonders für die Kopplung verschiedener physikalischer Probleme geeignet.
Fallstudie: Kühl- und Heizplatte für eine Kontaktlötanlage
Ein Beispiel für den Einsatz von numerischen Simulationen ist der Aufheizprozess einer Heizplatte der Kontaktlötanlage Nexus. Am Anfang jeder Simulation steht die Definition des zu berechnenden geometrischen Raumes und der entsprechenden Randbedingungen. Der geometrische Raum sollte alle relevanten Bereiche der zu untersuchenden Komponente beinhalten, jedoch keine unnötigen Details, da diese viel Rechenzeit beanspruchen. Um einzuschätzen, welche Details für das vorliegende Problem relevant sind, ist ingenieurtechnischer Sachverstand notwendig. An den Rändern (z.B. Außenwänden oder inneren Phasengrenzen) der Geometrie müssen Bedingungen angegeben werden, wie sich die zu berechnende Größe (z. B. Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit, Druck) fortsetzt, sodass von dort aus die Berechnung im Inneren des Gebietes möglich wird. Dabei gilt, dass je genauer die Randbedingungen die Realität wiedergeben, desto präziser stimmen die Ergebnisse mit der Realität überein. Darin liegt jedoch auch die Schwierigkeit der Anwendung von numerischen Simulationen für die Entwicklung realer Systeme. Häufig sind die realen Bedingungen nur unzureichend bekannt. Dann müssen Annahmen aus Messungen oder anderweitig verfügbaren Erkenntnissen getroffen werden, welche die Realität nicht zu 100 % genau beschreiben können. Trotzdem eignen sich die Simulationsergebnisse mit diesen Annahmen sehr gut, um verschiedene Lösungsansätze einer Aufgabenstellung zu vergleichen.

Nach der Definition der Randbedingungen wird das Berechnungsgebiet vernetzt. Dies ist notwendig, da die Lösung des Problems nicht als kontinuierliche Funktion im gesamten Gebiet berechnet wird, sondern diskret an spezifischen Punkten, die das Netz vorgibt. Je feiner das Netz ist, desto besser aufgelöst ist das Gebiet und desto genauer sind die Ergebnisse. Ist dagegen das Netz sehr grob, können relevante Teile der Geometrie nicht aufgelöst werden und die Ergebnisse verfälschen sich dementsprechend. Die Rechenzeit und der benötigte Speicher erhöhen sich jedoch mit zunehmender Anzahl an Netzknoten. Dies kann dazu führen, dass die Simulation großer, komplexer Systeme die Speicherkapazität der verwendeten Rechensysteme übersteigt.
Im Fall des Aufheizprozesses der Heizplatte wurde nur die Heizplatte mit den Kühlrohren als Berechnungsraum definiert (Bild 3). Auf den Außenflächen der Heizplatte wurden Wärmeströme mit Modellen der freien Konvektion und Strahlung definiert. Auf den Bohrungen, in denen die Heizpatronen vorliegen, wurden regelbare Wärmeströme vorgegeben. Diese werden über die Temperatur an den Positionen der im realen System angebrachten Messfühler über definierte Regelparameter geregelt, sodass ein spezifischer mittlerer Aufheizgradient und darauffolgend eine spezifizierte Temperatur erreicht werden.

Bild 2 zeigt den Vergleich von zwei Temperatur-Reglervarianten mit den Stellgrößen und den daraus resultierenden Temperaturprofilen. Somit ist es möglich, den Einfluss verschiedener Reglerparameter zu bewerten. Des Weiteren ist die Temperaturverteilung auch innerhalb der Platte und zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar. Dadurch sind Erkenntnisse zur Homogenität der Verteilung möglich. Bei einer Erweiterung des Modells um die Physik der Strukturmechanik lassen sich Spannungszustände berechnen, welche auf lebensdauerreduzierende Effekte hinweisen. Bei den Ergebnissen ist zu beachten, dass die Wärmeabflüsse über die Halterungen, Kühlrohre etc. nicht einbezogen werden, da diese nicht im System definiert wurden.
Fallstudie für eine Reinigungsstation
Eine weitere Anwendung für Simulationen im Entwicklungsprozess stellt die strömungstechnische Untersuchung einer Reinigungsstation für Düsen dar. Dabei sollte untersucht werden, welchen Einfluss die Bohrungsgeometrie des Lufteinzugs aus der Umgebung auf die Strömung an der zu reinigenden Düse besitzt. Es ist anzunehmen, dass eine hohe Geschwindigkeit in der Umgebung der Düsenoberfläche zu einem guten Reinigungsergebnis durch das Mitreißen der Verschmutzung führt. Durch die Untersuchung verschiedener Bohrungsgeometrien unter Variation von Position, Ausrichtung und Anzahl der Bohrungen konnte eine Variante mit der besten Geschwindigkeitsverteilung bestimmt werden. Somit reduzierte sich die Anzahl an notwendigen Prototypen für Testzwecke (Bild 4).

Fallstudie Wärmerückgewinnung bei Konvektionslötanlagen
Die Kopplung von Wärmeübertragung und Strömung ermöglicht es, die Auslegung von Wärmeübertragern im Hinblick auf Effizienz und Kosten zu optimieren. Die CAD-Zeichnungen lassen sich schnell anpassen, um beispielsweise die Anzahl und Länge der Rohre eines Rohrbündel-Wärmeübertragers zu variieren. Zudem können verschiedene Materialien, Volumenströme und Eintrittstemperaturen untersucht werden, ohne dass reale Prototypen gefertigt werden müssen. Damit sind Kosten und Zeit für Versuche reduzierbar und es kann der Entwicklungsprozess entscheidend vorangebracht werden. Beispielhaft ist in Bild 1 die Strömung innerhalb eines Rohrbündel-Wärmeübertragers in Anhängigkeit von deren Temperatur dargestellt.
Anhand des berechneten Temperaturverlaufs lässt sich die Effizienz des Wärmeübertragers bewerten (Bild 5). Bei der Berücksichtigung des Wärmetransfers innerhalb der Wärmeübertragermaterialien werden zusätzlich auch die Randeffekte miteinbezogen. In Bild 5 zeigt die grüne Linie für das äußere Fluid Temperaturspitzen, die durch das an den heißeren Trennblechen strömende Fluid entstehen. Über das Einbringen der Randbedingung „dünne Schicht“ ist es zudem möglich, Verschmutzungen zu simulieren und damit die Performance des Wärmeübertragers zu verschiedenen Zeiten im Betrieb zu untersuchen. Darüber hinaus können mit CFD-Simulationen weitere Optimierungen, zum Beispiel für Druckverlust, Baugröße, Anschlusspositionen etc., abgeleitet werden.

Zusammenfassung
Diese Beispiele zeigen, wie Simulationen die Entwicklungsarbeit bei Rehm Thermal Systems unterstützen. Mit Hilfe von Simulationen ist es möglich, im Auslegungsprozess Prototypen und Entwicklungszeit einzusparen, Hilfen zur Auslegung von Reglern zu bieten und Erklärungen für Strömungsphänomene zu liefern, die messtechnisch nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand zu erfassen wären. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Simulationen durchzuführen, welche zur Bildung eines Modells einzelner Anlagenkomponenten herangezogen werden, um einen Digitalen Zwilling zum Beispiel mit Prozessmodellen zu vervollständigen. Dies kann zukünftig dazu beitragen, Produkte und Produktionsprozesse detaillierter zu überwachen und somit die Digitalisierung in der Produktion voranzutreiben.