Trotz positiver Zahlen aus dem Vorjahr blickt der ZVEI in eine getrübte Zukunft. Im Rahmen der Jahresauftaktpressekonferenz gab der ZVEI wieder einen Rückblick auf das Jahr 2023 und wagte gleichzeitig eine vage Voraussage für 2024. „2023 ist für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie insgesamt recht ordentlich gewesen“, bilanziert ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel. Nachdem die Branche 2021 fast um 10 % gewachsen war, wuchs die Produktion 2022 lediglich um 3,7 %. „Zum dritten Mal in Folge konnte die reale, preisbereinigte Produktion gesteigert werden – auf Basis der Zahlen bis einschließlich November um 1,4 Prozent.“ Damit habe sich die Branche in einem schwierigen Umfeld als robust erwiesen, das geprägt war von Konflikten und globalen Krisen. Dr. Kegel wies hier vor allem auf die Konflikte im Nahen Osten, der angespannten Lage zwischen China und Taiwan sowie den weiterhin anhaltenden Handelskonflikt zwischen China und den USA. Aufgrund dieser Ausgangslage geht der ZVEI für 2024 auch von einem leichten Produktionsrückgang von 2 % in der Elektronikbranche aus. Kegel wies darauf hin, dass dies kein dramatischer Rückgang sei, aber für einige Unternehmen könnte es zum Problem werden.
Auf Rekordniveau bewegten sich auch die nominalen Erlöse der Elektronik-Branche die 2023 bei 242 Milliarden Euro lagen, was einem Plus von 8 Prozent entsprach. Dabei profitierten die Unternehmen noch von hohen Auftragsbeständen aus dem Vorjahr. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Unternehmen noch historisch hohe Auftragsbestände abarbeiten konnten, als die Neubestellungen spätestens ab dem zweiten Quartal bereits zurückgingen“, erklärt Dr. Kegel. Generell sind die Auftragseingänge seit März 2023 rückläufig, sowohl zum Vorjahresmonat als auch zum Vormonat.
Unternehmen setzen auf den Standort Deutschland
Dass die Unternehmen der Elektro- und Digitalindustrie weiterhin fest zum Industriestandort Deutschland und Europa stehen, zeigt eine aktuelle ZVEI-Mitgliederbefragung. Vier von fünf Unternehmen geben an, vorzugsweise im eigenen Land investieren zu wollen. Für mehr als die Hälfte ist Europa, aber – gleichauf – auch China ein attraktiver Investitionsstandort. Insgesamt wollen 60 Prozent der Unternehmen ihre Investitionstätigkeit weltweit erhöhen, obwohl alle Firmen die aktuelle geopolitische und politische Lage als unsicher bewerten. Rund 9 Milliarden Euro wollen Unternehmen für Sachinvestitionen ausgeben, während rund 22 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung fließen.
All-Electric-Society sorgt für Wachstum
Als heterogene Branche hat sich die die Elektronik-Branche sehr unterschiedlich entwickelt. Gerade die Megatrends auf dem Weg zu All-Electric-Society – Elektrifizierung, Automatisierung, Digitalisierung – sorgen für starkes Wachstum. Den stärksten Produktionszuwachs verzeichneten Batterien (+ 7 %), gefolgt von elektronischen Bauelementen (+ 6 %), Energietechnik (+ 4 %) und Automation (+ 3 %). Die Gebrauchsgüter dagegen verzeichneten einen deutlichen Rückgang (- 13 %). Als erfreulich betrachtet der ZVEI die positive Entwicklung der Beschäftigtenzahlen, die 2023 um 12.000 auf 910.000 Menschen anstiegen.
Bürokratie in der EU vereinfachen und abbauen
Wie global die Elektronik-Branche aufgestellt ist, zeigt die Summer der Exporte, die 2023 bei 256 Milliarden Euro lagen, wobei 133 Milliarden auf die Europäische Union fielen. Kegel wies angesichts wachsender geopolitscher Spannungen auf die Wichtigkeit des europäischen Binnenmarkts hin. Deshalb kritisierte er aber auch die bürokratischen Hürden durch die Europäische Union hin und forderte die Politik auf, etwas gegen die zunehmende Bürokratisierung zu unternehmen.
Zudem appellierte er an die EU-Kommission den Abschluss von Handelsabkommen zu beschleunigen. Diese sind nahezu vollständig zum Stillstand gekommen. Grund hierfür sieht Kegel darin, dass sämtliche Mitgliedsstaaten über ein Handelsabkommen abstimmen müssen.
„Will die EU zwischen den USA und China weiterhin eine eigenständige Rolle einnehmen, muss sie den Binnenmarkt konsequenter auf Wachstum ausrichten und von industriefremder Regulierung wie dem EU-Lieferkettengesetz ablassen.“ Die nächste EU-Kommission müsse den Regulierungstsunami und eine in Teilen nahezu entfesselte Bürokratie stoppen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schwäche.
ZVEI positioniert sich gegen Rechtsextremismus und Anti-EU-Gedanken
„Rassismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, jede Facette rechter Ideologie lehnt der ZVEI entschieden ab“, sagte Kegel. Rechtsextreme Strömungen seien eine Gefahr für die demokratische Grundordnung, die Freiheit und das Ansehen Deutschlands in der Welt. „Rechtsextremistische Parteien schaden dem Wirtschaftsstandort und damit dem Wohlstand. Dies gilt auch für die AFD.“
Gebannt blickt der ZVEI aber auch in die USA, wo gerade die Vorwahlen stattfinden und es wohl nach einer erneuten Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps aussieht. Eine potenzielle Wiederwahl müsse ernst genommen werden und die deutsche Elektronik-Branche müsse entsprechend vorbereitet sein.
Ähnlich schwierig ist die Situation mit China. Das Land wird weiterhin ein wichtiger Markt für die deutsche Elektronik-Industrie bleiben. „Wer glaubt, dass wir uns aus dem chinesischen Markt zurückziehen und die Absätze in Ländern in Afrika und in Indien ausgleichen können, dem muss ich leider sagen, dass das viele Jahre dauern wird, bis Afrika und Indien das Marktpotential dazu haben“, erklärt Kegel.