Podiumsdiskussion zum Thema Halbleiter-Lieferkette auf dem 23. Automobil-Elektronik Kongress (von rechts nach links): Christoph Grote (BMW), Jean-François Tarabbia (Continental), Lars Reger (NXP), Peter Schiefer (Infineon), Paul de Bot (TSMC) und Alfred Vollmer (Moderator, AUTOMOBIL-ELEKTRONIK).

Podiumsdiskussion zum Thema Halbleiter-Lieferkette auf dem 27. Automobil-Elektronik Kongress (von rechts nach links): Christoph Grote (BMW), Jean-François Tarabbia (Continental), Lars Reger (NXP), Peter Schiefer (Infineon), Paul de Bot (TSMC) und Alfred Vollmer (Moderator, AUTOMOBIL-ELEKTRONIK). (Bild: Matthias Baumgartner)

Die Halbleiter-Lieferklemme vor zwei Jahren hatte nie dagewesene Schockwellen durch die Autoproduktion gesandt. Mittlerweile haben sich die Produktions-Staus zwar weitgehend aufgelöst, aber genau jetzt ist ein guter Zeitpunkt für die Chip- und die Autobranche, die Geschehnisse zu reflektieren und gemeinsam zu überlegen, wie man solche Probleme künftig vermeiden könnte. In der Panel-Diskussion „Mastering the Semiconductor Chain“ trafen die unterschiedlichen Sichtweisen aufeinander.

Jean-François Tarabbia, Continental: “Die nächste Krise wird kommen.“
Jean-François Tarabbia, Continental: “Die nächste Krise wird kommen.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Vertreten waren Fachleute entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom OEM (BMW) über den Tier-One-Zulieferer Continental sowie die Halbleiterhersteller Infineon und NXP bis hin zu TSMC als Vertreter der Halbleiter-Auftragsfertiger. Moderiert wurde das Panel von Automobil-Elektronik-Chefredakteur Alfred Vollmer.

Christoph Grote, BMW: „Wir sollten lernen, ehrlich zu sein.“
Christoph Grote, BMW: „Wir sollten lernen, ehrlich zu sein.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Im Nachhinein betrachtet, liegen die Gründe für die damalige krisenhafte Entwicklung relativ deutlich auf der Hand. „Wir haben den sprunghaften Anstieg der elektronischen Inhalte im Auto unterschätzt, und wir hatten keine gute Praxis, mit dieser Art von Stillstand umzugehen“, erinnert sich Jean-François Tarabbia, der bei Continental für die E/E-Architekturen verantwortlich ist. In der Furcht, nicht genügend Bauelemente geliefert zu bekommen, korrigierten OEMs ihre Bedarfszahlen wohl übertrieben stark nach oben. Die Folgen reichten weit über die materielle Knappheit von Chips hinaus. Aus der Sicht von BMWs Elektronikchef Christoph Grote fehlte es an Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. „Was daran wirklich schlimm war, ist die Tatsache, dass das Vertrauen in die gemeldeten Zahlen darunter litt.“ So etwas möchte er wirklich nie wieder erleben. Er hatte auch gleich einen Vorschlag, wie dieses Vertrauen wieder gestärkt werden könnte: „Realistische (Bedarfs)zahlen sollten belohnt werden, aufgeblasener Bedarf sollte, na ja, irgendwie bestraft werden“, überlegte Grote. „Wir sollten lernen, ehrlich zu sein.“

Peter Schiefer, Infineon: „Leistungshalbleiter werden auf Jahre knapp bleiben.“
Peter Schiefer, Infineon: „Leistungshalbleiter werden auf Jahre knapp bleiben.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Das könnte notwendig sein, denn es gibt immer noch Lieferengpässe. Etwa bei Leistungshalbleitern, erklärte Peter Schiefer, Chef des Automotive-Geschäfts bei Infineon. „Alle Arten von Leistungshalbleitern sind knapp“, und daran werde sich über die kommenden Jahre auch nichts ändern. Ähnliches gelte für Analog/Mixed-Signal-Chips, wie sie gerade im Automobilbau stark zum Einsatz kommen. Um die Fertigungskapazitäten in diesem Bereich auszubauen, hat Infineon erst kürzlich eine Investition von fünf Milliarden Euro für den Standort Dresden gemeldet.

Lars Reger, NXP: „Man kann nicht alles auf 5 nm umdesignen.“
Lars Reger, NXP: „Man kann nicht alles auf 5 nm umdesignen.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Auch Lars Reger, CTO von NXP, traf das unerwartete Auf und Ab der Bestellmengen seitens der Autoindustrie unvorbereitet. So hatten Auto-Kunden zu Beginn der Krise teilweise sogar reservierte Fertigungskapazitäten zurückgegeben – nur um sich später hektisch wieder um die Korrektur dieser Korrektur zu bemühen. Diese Situation sei mittlerweile weitgehend entschärft, doch dem Rat von TSMC-Europachef Paul de Bot, möglichst alle Chipdesigns auf neuere, kleinere Technologie-Nodes umzuswitchen, kann Reger doch nicht in vollem Umfang folgen. „Nicht alles lässt sich shrinken,“ so Reger. „Wenn jemand versuchen sollte, einen BMS-Chip auf 5 nm umzudesignen, werde ich in Rente sein, bevor er fertig ist.“

Paul de Bot, TSMC: „Transparenz ist das A und O.“
Paul de Bot, TSMC: „Transparenz ist das A und O.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Sind damit die komplexen Zusammenhänge so weit geklärt, dass man davon ausgehen kann? In diesem Punkt herrschte keine Einigkeit. „Die Industrie hat verstanden“, sagte Paul de Bot, „bei der Politik bin ich mir da nicht so sicher.“ Peter Schiefer (Infineon) glaubt ebenfalls, dass die Branche verstanden hat: „Aber das bedeutet nicht, dass die Lösungen klar sind.“ Auch Jean-François Tarabbia (Continental) sieht innerhalb der Branche ein gewachsenes Verständnis für die Zusammenhänge. „Aber wir haben noch keine Lösung,“ befürchtet Tarabbia, der gleichzeitig seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen werde. Dem widersprach Christoph Grote (BMW): „Der Flaschenhals liegt nicht so sehr in der Politik“, sagte Grote. „Wir müssen das innerhalb der Branche klar bekommen.“ Jean-François Tarabbia gab sich sogar überzeugt, dass es früher oder später wieder zu einer solchen Krisensituation kommen werde. „Die Wahrscheinlichkeit dafür ist eins“, sorgte sich der Continental-Manager. Optimistischere Töne schlug dagegen Paul de Bot von TSMC an: „Das wichtigste ist, dass wir uns gegenseitig kennen. Falls es ein Problem gibt, können wir zum Telefonhörer greifen.“ Allerdings gelte das nur unter einer Bedingung: Transparenz sei unabdingbar, ohne sie werde nichts gehen.

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