Kürzere Batterie-Ladezeit und höhere Reichweiten: Das ist das Ziel des vorausschauenden Thermomanagements, das Porsche Engineering im vergangenen Jahr als Konzeptstudie entwickelt hat. Die Technologie sorgt dafür, dass Batterien für den Stopp an der Ladesäule so temperiert sind, dass sie die höchste Ladeleistung aufnehmen können und das Schnellladen nur wenige Minuten dauert (Bild 1).
Die Temperierung der Batterie ist essenziell: Ist sie zu kalt oder zu heiß, sinkt sofort die Ladeleistung. Das vorausschauende Thermomanagement soll dies verhindern. Die Software im Auto soll den kommenden Fahrtverlauf voraussagen und alle thermischen Komponenten so steuern, dass die Batterie bei Ankunft am Ladepunkt wohltemperiert ist. Dies verhindert unnötiges Aufheizen oder Abkühlen, verringert damit den Energieverbrauch und erhöht die Reichweite.
Unterschied zum Verbrenner
Herkömmliches Thermomanagement besteht im einfachsten Fall aus einem Regelkreis, der die Motortemperatur immer in einem sicheren Korridor hält. Das funktioniert aber meist rein reaktiv: Wird das Antriebsaggregat zu heiß, öffnet sich zum Beispiel die Kühlerjalousie, um die Temperatur zu senken. Bei Verbrennern funktioniert diese Ad-hoc-Regelung recht gut, da sich ein Motorblock in wenigen Minuten abkühlen lässt. Die teilweise 700 kg schweren Batterien in E-Fahrzeugen sind jedoch thermisch viel träger und lassen sich nur langsam regulieren. Um sie rechtzeitig auf optimale Temperatur zu bringen, muss die Fahrzeugsteuerung mögliche Belastungen viel früher erkennen. Bemerkt das Prognoseprogramm zum Beispiel, dass der Fahrer eine Schnellladesäule ansteuert, aktiviert das System mit dem nötigen Vorlauf die Kühl- und Heizsysteme.
Simulation des gesamten Fahrzeugs
Damit die Fahrzeugsteuerung entscheiden kann, wann kühlend oder heizend einzugreifen ist, muss sie zunächst wissen, wie die verschiedenen Komponenten zusammenspielen. Werden die Zellen zum Beispiel gekühlt, steigt der Stromverbrauch, was wiederum Reichweite kostet. Deshalb bildet eine Simulation des gesamten Fahrzeugs die Basis des Thermomanagements. Dieser digitale Zwilling verhält sich genau wie ein echtes Fahrzeug. Wird zum Beispiel die Heizung aufgedreht, lässt sich an der Simulation genau ablesen, wie das den Ladezustand der Batterie beeinflussen wird. Dies liefert jedoch nur den Soll-Zustand.
In der Realität beeinflussen viele weitere und oft nicht direkt messbare Faktoren das Verhalten eines Fahrzeugs: der Fahrstil, die Zuladung, die Straßenoberfläche, sogar Verschmutzungen an der Karosserie oder die Farbe der Lackierung (bei schwarzen Modellen heizt sich der Innenraum stärker auf). Deshalb sorgt ein spezielles Software-Modul (Real-time Estimator, RTE, Bild 2) dafür, dass auch diese thermischen Einflüsse Berücksichtigung finden. Es vergleicht das tatsächliche Verhalten des Fahrzeugs mit der Simulation und passt das Modell so schrittweise an die Realität an.
Um in die Zukunft blicken zu können, muss das Fahrzeug natürlich wissen, wohin die Reise gehen wird. Doch kaum jemand gibt jedes Ziel ins Navigationsgerät ein. Deshalb kann der Fahrer seinem Auto auch einfach erlauben, die Fahrten zu „lernen“. Es verfolgt dann per GPS die Routen und identifiziert häufig gefahrene Strecken. Aufgrund dieser Erfahrungswerte kann das System später bereits kurz nach dem Start die vor ihm liegende Fahrt erkennen und intern eine Karte der kommenden Strecke erstellen. Kern des vorausschauenden Thermomanagements ist der Optimizer. Er nimmt die Daten des simulierten Fahrzeugs plus die Routeninformationen und berechnet daraus die optimale thermische Reaktion des Autos (Bild 3).
Welches Ziel dabei verfolgt wird, legt die sogenannte Kostenfunktion fest. Standardmäßig versucht der Algorithmus, sowohl die Ladezeit als auch den Energieverbrauch zu minimieren. Theoretisch könnte die Priorität jedoch auch auf Leistung gelegt werden: Das Thermomanagement würde in diesem Fall die Batterie schon vor dem Erreichen einer Autobahnauffahrt vorheizen, damit die Beschleunigung ansteigt. Das Besondere am Optimizer ist, dass er seine Prognose alle paar Sekunden neu berechnet und an die Realität anpasst. Zieht sich der Fahrer zum Beispiel die Jacke aus und schaltet die Heizung herunter, würde der Algorithmus das bemerken und die Auswirkungen in seiner nächsten Prognose berücksichtigen.
Rechenintensive Methode für die ECU
Mathematisch handelt es sich bei der Temperatursteuerung um eine modellbasierte prädiktive Regelung (Model Predictive Control, MPC). Sie kommt überall dort zum Einsatz, wo viele Faktoren auf ein System einwirken und kommende Ereignisse Berücksichtigung finden müssen. Die Ölindustrie nutzt MPC zum Beispiel, um Raffinerien zu steuern. Allerdings hat die Methode auch einen Nachteil: Sie ist sehr rechenintensiv. Die Herausforderung bestand darin, das Programm auf einer ECU ausführbar zu machen. So arbeitet das Programm beispielsweise mit Look-up-Tables, in denen diskrete Werte stehen, etwa über den Zusammenhang zwischen Temperatur und Batteriewiderstand. Außerdem muss das System robust sein und die Vorhersagen müssen immer stimmen. Alle paar Sekunden eine komplett neue Prognose zu erstellen, bedeutet bei durchschnittlicher Fahrleistung mehrere Hunderttausend Vorhersagen pro Jahr.
Der Code wurde zunächst an die Fahrzeugarchitektur angepasst, danach in einem Demonstrator-Fahrzeug vom Typ Porsche Taycan getestet und kalibriert. Dabei wählten die Entwickler realitätsnahe Fahrten aus, also zum Beispiel durch die Stadt, über Landstraßen oder die Autobahn, inklusive Stau. Das als Konzeptstudie gestartete Projekt ist abgeschlossen und hat ein hohes Potenzial für die Serienentwicklung gezeigt.
Der Beitrag beruht auf Material von Porsche.
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(na)
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