Warum braucht Thermomanagement ein Systemdenken? Nur ein ganzheitlicher Ansatz sichert Ladezeit, Komfort, OBD-Konformität und Bauteilschutz.Nico Pudimat
Steigende Komplexität, vernetzte Systeme, gesetzliche Vorgaben: Thermomanagement in elektrifizierten Fahrzeugen wird zum Schlüsselthema – und zur potenziellen Schwachstelle, wenn Validierung, Diagnosen und reale Tests nicht gesamtheitlich gedacht werden.
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Das Thermomanagement von elektrifizierten Fahrzeugen trägt
dazu bei, dass ein Automobil mit höchstmöglicher Effizienz sicher betrieben
werden kann. Vor dem Hintergrund geht es beim Thermomanagement (TME) um die
Optimierung des Kälte- und Wärmehaushalts im Antriebsstrang, in der Batterie
sowie im Fahrgastraum mit dem Ziel, die Emissionswerte niedrig zu halten und
zugleich einen hohen Innenraumkomfort zu gewährleisten. Zugleich hat das TME
direkte Auswirkungen auf Ladezeiten, Reichweite und den Komponentenschutz. Hohe
Anforderungen müssen erfüllt werden, um die Leistung aus der Batterie effektiv
nutzen zu können und um diese wie den E-Motor und die Leistungselektronik je
nach Bedarf kühlen oder heizen und um Komfortfunktionen anbieten zu können. [1]
Das optimale Zusammenspiel der Verschaltung des Kälte- und
Kühlkreislaufs steuert das Thermomanagement. So muss die E-Achse stets gekühlt
werden, während die Batterie situationsbedingt entweder gekühlt oder beheizt
werden muss. Darüber hinaus steht zum Heizen der Kabine keine Abwärme eines
Verbrennungsmotors mehr zur Verfügung, sodass hierfür energieeffiziente
Maßnahmen wie zum Beispiel eine Wärmepumpe eingesetzt werden. Komponenten, die
das TME direkt steuert bzw. auswertet, sind Ventile, Druck- und Temperatursensoren, elektrischer Klimakompressor, Wasserpumpen sowie Hochvoltheizer.
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Die Anforderungen an die Validierung
sind entsprechend umfangreich. So müssen unter anderem die System- und
Umgebungsbedingungen und die Verschaltauswahl sowie das Routinehandling (zum
Beispiel Befüllroutine) geprüft werden. Hinzu kommen die Diagnosen etwa für den
Batteriekreislauf, den Elektromaschinenkreislauf, der Lüfteransteuerung, des
Heiz- und Kältemittelkreises mit seinen Ventil- und Temperatursensoren sowie
die Signalnach- und -aufbereitung. Die ASAP Gruppe bietet durch
langjährige Erfahrungen im Bereich Thermomanagement und bei der
Innenraumklimatisierung passende Tools und Methoden zur
automatischen Auswertung und für die Simulation des Fahrbetriebs. Dazu gehört
die Anwendung des Keyword-Driven Testings, bei dem definierte Keywords für
verschiedene Testfälle und -ebenen unkompliziert angepasst werden, sowie
Back-to-Back-Tests, bei denen dieselben Testschritte in unterschiedlichen
Varianten für gleiche Funktionen durchgeführt werden.
Diese Methoden beschleunigen die Validierung und erhöhen die
Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Zugleich blickt ASAP „über den Tellerrand“:
So tauschen sich bei ASAP die Fachleute für Validierung auch mit anderen ASAP
Experten aus, die auf andere Bereiche der Fahrzeugentwicklung spezialisiert
sind. Das gebündelte Wissen fließt in die Absicherung des TME ein. Das Ziel:
Möglichst viele Zusammenhänge und Abhängigkeiten in frühen Projektphasen
aufzuzeigen, um auch so für eine hohe Effizienz bei der Validierung zu sorgen.
Bild 1: Kühlkreisprüfstand für die Validierung des Thermomanagements.Bild: ASAP Gruppe
Thermomanagement zahlt auf Reichweite und Komfort ein
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Von grundlegender Bedeutung beim TME ist zudem, dass die
Aspekte Reichweite und Innenraumkomfort miteinander konkurrieren. Denn die zur
Verfügung stehende Energie ist begrenzt, und die Klimatisierung des Innenraums
kann die Reichweite eines Elektrofahrzeugs deutlich reduzieren. [2] Ein
energieeffizientes Thermomanagement bringt beide Aspekte zusammen und trägt
maßgeblich zu einem effizienten Betrieb ohne nennenswerte Komforteinbußen bei.
Wie bedeutsam das Thermomanagement ist, zeigt sich zum Beispiel daran, dass die
Batterie am effizientesten geladen wird, wenn sie die richtige Wärme hat. Bis
diese bei normaler Fahrt erreicht ist, kann es bis zu 50 Kilometer dauern.
Anders verhält es sich, wenn die Ladesäule über das im Fahrzeug eingebaute
Navigationsgerät angesteuert wird. Dann sorgt das Thermomanagement dafür, dass
die Batterie die für den Ladevorgang optimale Temperatur hat, unabhängig davon,
wie weit der Weg zur nächsten Station ist.
Bild 2: Beispiel für einen Prüfstand mit Kühlkreis.ASAP Gruppe
Thermomanagement trägt zur Umsetzung rechtlicher Vorgaben
bei
Das Thermomanagement hat aber nicht nur einen großen Anteil
daran, dass der E-Motor sein Potenzial ausschöpfen kann und dass die
Temperierung des Innenraums gut funktioniert. Sondern das TME hat außerdem
einen Anteil daran, dass gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Gesundheit von
Menschen und zum Schutz der Umwelt eingehalten werden. So ist es an der
Erstellung von On-Board-Diagnosen beteiligt. Dabei handelt es sich um ein
spezielles Diagnosesystem, das sogenannte OBD-relevante Kriterien abdeckt.
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Das Diagnosesystem wurde erstmals vom US-amerikanischen
California Air Resources Board (CARB) im Jahr 1988 in den USA eingeführt, unter
anderem als Reaktion auf anhaltend hohe Ozonwerte. In Europa ist die
OBD-Legislation seit 1996 relevant. In den meisten Ländern gelten OBD-Anforderungen
aus der US-kalifornischen oder der europäischen Abgasgesetzgebung (CARB bzw. ECE/EU),
andere Länder, wie zum Beispiel China und Japan, entwickeln jedoch ihre eigene
Gesetzgebung. Ziel war bzw. ist die Einhaltung der Abgasvorschriften über die
gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs. Die OBD-Gesetzgebung wurde vor dem
Hintergrund kontinuierlich zu OBD-II-Diagnosen weiterentwickelt.
Die OBD-Norm sieht ein elektronisches Überwachungssystem im
Fahrzeug vor, das die abgasrelevanten Komponenten (Sensoren und Aktoren) auf
elektrische Fehler überwacht. Es ist nicht nur für Verbrenner von Bedeutung,
sondern auch für Fahrzeuge mit Elektroantrieb und für
Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge (Standard SAE J1979-3 ZEV). Gemäß des Standards
müssen alle emissionsrelevanten Steuergeräte über entsprechende
Diagnosefunktionen verfügen.
Dass das elektronische Überwachungssystem funktioniert, wird
bei elektrifizierten Fahrzeugen im Zusammenhang mit dem Thermomanagement
getestet. Da ist es für Hersteller von Vorteil, wenn die für die Absicherung
Zuständigen über eine große Expertise im Bereich Funktionsabsicherung verfügen
– und darüber hinaus in engem Austausch mit Fachleuten stehen, die in den
anderen Phasen der Fahrzeugentwicklung großes Know-how haben, wie zum Beispiel
bei der Software- und der Hardware-Integration und deren Validierung. Das trägt
dazu bei, die komplexen Anforderungen bei der Absicherung des Thermomanagements
schnell und auf hohem Niveau umzusetzen.
Bild 3: Systemverbundprüfstand für die Absicherung komplexer Funktionen.Bild: ASAP Gruppe
Abdeckung des gesamten V-Modells
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ASAP ist traditionell auf der rechten Seite des V-Modells
stark, die durch den Validierungs- und Testprozess gekennzeichnet ist. Die
validierten Bauteile, Komponenten und Funktionen werden dabei vor der Freigabe
Schritt für Schritt in Systeme und danach in das Gesamtfahrzeug integriert.
Zuvor wird auf der linken Seite der Anforderungs- und Spezifikationsprozess
beschrieben, bei dem die funktionalen und technischen Spezifikationen des
Gesamtfahrzeugs sowie seiner Systeme und Komponenten auf Basis der Kundenanforderungen
definiert werden. Die ASAP Gruppe hat ihr Leistungsspektrum für das TME im
Laufe der Jahre stetig erweitert: Sie hat sich mittlerweile Know-how über das
ganze V-Modell erarbeitet und laufende Projekte dazu.
Den Validierungs- und Testprozess beim TME realisiert bei
ASAP ein erfahrenes Team. Dieses führt vollumfänglich die
Funktionsabsicherung durch – sowohl der Einzelkomponenten als auch des
Gesamtsystems. ASAP unterstützt dabei Kunden bei der Erstellung des Konzepts
und führt die Simulation sowie die Absicherung der gesamten Hardware und
Software durch.
Das Thermomanagement umfasst die an sich bereits komplexen
Bereiche Batteriemanagement, Vorkonditionierung – also die Aufgabe, den
Ladezustand der Batterie und die Temperatur des Fahrzeuginnenraums vor Abfahrt
auf optimale Werte zu bringen – sowie Innenrauminszenierung. Die
Innenrauminszenierung etwa ist unter anderem ein Zusammenspiel aus
Klimatisierung (TME), Human Machine Interface (HMI) mit Videofunktion sowie aus
Audioanlage und Beleuchtung. Je nach ausgewähltem Szenario erfolgt die
Einbindung und Steuerung. Das TME regelt die Temperatur im Innenraum und
aktiviert je nach Variante oder Optionsauswahl verschiedene Komfortfunktionen.
Licht, Sound und etwa Sitz- und Lenkradheizung werden speziellen Szenarien
angepasst.
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Viel mehr Fahrzeugmodelle, -derivate und -funktionen
müssen abgetestet werden
Bei einem Oberklasse-SUV umfasst das TME inzwischen circa
3000 Anforderungen und knapp 50, zum Teil vernetzte, Funktionen. Es beinhaltet
zudem die Anbindung an Ethernet und CAN FD, die Vernetzung zu mehreren
Partner-SGs, hat einen Master von 4 LIN-Bussen, weist darüber hinaus etwa 51
LIN-Teilnehmer sowie bis zu 47 analoge Aktuatoren und bis zu 32 analoge
Sensoren auf. In dem Zuge müssen rund 500 Eingangs- und 100 Ausgangssignale
geprüft und analysiert sowie komplexe OBD-/ und OBD-II-Diagnosen durchgeführt werden. Viele Bauteile, Steuergeräte und Komponenten sind zudem eingebettet. Dazu zählen
zum Beispiel Batteriemanagement-System, Klimabedienteil, Standheizung,
Ladegerät und Antriebsstrang. Von Bedeutung sind aber auch elektrischer
Klimakompressor, Hochvolt-PTC/HV-H, Absperrventile und pT-Sensoren für
Kältemittel oder aber Pumpen, Kühlerlüfter und verschiedene Ventile, die den
Wasserkreislauf regeln, sowie Sensoren für die Temperaturmessung.
Wie komplex das Testing ist, zeigt sich allein an dem
folgenden Beispiel: Bei der Validierung untersuchen die Entwickler unter
anderem die Beschaffenheit der unterschiedlichen Kältemittel im
Klimakompressor. Dabei prüfen sie, welches Kältemittel am besten zu welchem
Klimakompressor passt und was geschieht, wenn ein Kältemittel umgestellt wird.
Dabei müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Nicht nur, dass die
Kältemittel verschiedene Kühlleistungen mit sich bringen. Auch der Druck, mit
dem sie zirkulieren, variiert je nach Kältemittel. So prüfen die Fachleute, ob
die Verschlauchung dem Druck und der Reibung des verwendeten Kältemittels Stand
hält oder ob eine andere Verschlauchung erforderlich ist. Diese Frage hat
angesichts der sogenannten F-Gas-Verordnung, die in den nächsten Jahren
schrittweise Kältemittel mit hohem GWP-Wert europaweit verbietet, eine neue
Relevanz bekommen. [3] Denn klimafreundlichere Alternativen mit niedrigerem
GWP-Wert, der auch als CO2-Äquivalent bezeichnet wird, zirkulieren mitunter mit
mehr Druck. Diese Eigenschaft muss berücksichtigt und entsprechend validiert
werden.
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Fazit: Reale Absicherung verifiziert die virtuelle
Absicherung
ASAPs Aktivitäten in der Absicherung des Thermomanagements
umfassen das „komplette Paket“: Die Spezifikation und Validierung für
Verbrenner und vor allem für E-Antriebe, die Entwicklung der MiL- und
SiL-Testumgebungen, die Testautomation, die Testexecution, den HiL-Support
sowie die Datenanalyse mit TPT. ASAP bietet zudem nicht nur die Absicherung der
„alten“ und „neuen“ Fahrzeugwelt, sprich der Verbrenner und E-Fahrzeuge,
sondern schlägt auch die Brücke von der virtuellen zur realen Absicherung. Denn
erst bei der Überprüfung der realen Komponenten oder spätestens im
Systemverbund mit allen beteiligten Steuergeräten und Verkabelungen wird
offensichtlich, ob die zuvor getroffenen Annahmen zutreffen. Oft treten im
Zusammenspiel aller Komponenten unerwartete Fehlverhalten auf, welche die
Simulation nicht prognostizieren und nicht abbilden konnte. So werden bei der
Suche nach mechanischen, elektrischen und dynamischen Fehlern sowie nach
Systemfehlern zunächst Bauteile-Tests simuliert. Danach kommen Realbauteile zum
Einsatz. In dem Zuge wird beispielsweise mit einigen Parametern die
Thermodynamik nachgebildet und dabei Temperatur und Verwirbelung und der sich
daraus ergebene Luftstrom betrachtet. Nach der Simulation überprüfen die
Experten das Ergebnis konkret am Bauteil. Bei der Erfüllung der
umfangreichen Anforderungen bei der Validierung und Absicherung zahlt sich
Expertise und der Austausch mit Experten aus, die sich mit anderen
Bereichen der Fahrzeugentwicklung befassen. Diese erfolgt kostengünstiger, schneller
und sicherer zum Nutzen der Kunden.
Fachliteratur
[1] Elektromobilität: Grundlagen und Praxis, Karle, Anton,
München: Hanser. 5., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2021
[2] Elektromobilität: Grundlagen einer
Fortschrittstechnologie; Hrsg. Achim Kampker und Heiner Hans Heimes, Springer
Vieweg, 3. Auflage, 2024
[3] Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 17. April 2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue
Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der
Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011
Autoren:
Niklaas Krause, Manager E/E | Validation bei der ASAP
Gruppe, und Nils Hollmann, Team Lead E/E | Validation bei der ASAP Gruppe