Thermomanagement bei elektrifizierten Fahrzeugen

Thermomanagement sichert Effizienz im E-Fahrzeug

Warum braucht Thermomanagement ein Systemdenken? Nur ein ganzheitlicher Ansatz sichert Ladezeit, Komfort, OBD-Konformität und Bauteilschutz.
Warum braucht Thermomanagement ein Systemdenken? Nur ein ganzheitlicher Ansatz sichert Ladezeit, Komfort, OBD-Konformität und Bauteilschutz.

Steigende Komplexität, vernetzte Systeme, gesetzliche Vorgaben: Thermomanagement in elektrifizierten Fahrzeugen wird zum Schlüsselthema – und zur potenziellen Schwachstelle, wenn Validierung, Diagnosen und reale Tests nicht gesamtheitlich gedacht werden.

Das Thermomanagement von elektrifizierten Fahrzeugen trägt dazu bei, dass ein Automobil mit höchstmöglicher Effizienz sicher betrieben werden kann. Vor dem Hintergrund geht es beim Thermomanagement (TME) um die Optimierung des Kälte- und Wärmehaushalts im Antriebsstrang, in der Batterie sowie im Fahrgastraum mit dem Ziel, die Emissionswerte niedrig zu halten und zugleich einen hohen Innenraumkomfort zu gewährleisten. Zugleich hat das TME direkte Auswirkungen auf Ladezeiten, Reichweite und den Komponentenschutz. Hohe Anforderungen müssen erfüllt werden, um die Leistung aus der Batterie effektiv nutzen zu können und um diese wie den E-Motor und die Leistungselektronik je nach Bedarf kühlen oder heizen und um Komfortfunktionen anbieten zu können. [1]

Das optimale Zusammenspiel der Verschaltung des Kälte- und Kühlkreislaufs steuert das Thermomanagement. So muss die E-Achse stets gekühlt werden, während die Batterie situationsbedingt entweder gekühlt oder beheizt werden muss. Darüber hinaus steht zum Heizen der Kabine keine Abwärme eines Verbrennungsmotors mehr zur Verfügung, sodass hierfür energieeffiziente Maßnahmen wie zum Beispiel eine Wärmepumpe eingesetzt werden. Komponenten, die das TME direkt steuert bzw. auswertet, sind Ventile, Druck- und Temperatursensoren, elektrischer Klimakompressor, Wasserpumpen sowie Hochvoltheizer.

Die Anforderungen an die Validierung sind entsprechend umfangreich. So müssen unter anderem die System- und Umgebungsbedingungen und die Verschaltauswahl sowie das Routinehandling (zum Beispiel Befüllroutine) geprüft werden. Hinzu kommen die Diagnosen etwa für den Batteriekreislauf, den Elektromaschinenkreislauf, der Lüfteransteuerung, des Heiz- und Kältemittelkreises mit seinen Ventil- und Temperatursensoren sowie die Signalnach- und -aufbereitung. Die ASAP Gruppe bietet durch langjährige Erfahrungen im Bereich Thermomanagement und bei der Innenraumklimatisierung passende Tools und Methoden zur automatischen Auswertung und für die Simulation des Fahrbetriebs. Dazu gehört die Anwendung des Keyword-Driven Testings, bei dem definierte Keywords für verschiedene Testfälle und -ebenen unkompliziert angepasst werden, sowie Back-to-Back-Tests, bei denen dieselben Testschritte in unterschiedlichen Varianten für gleiche Funktionen durchgeführt werden.

Diese Methoden beschleunigen die Validierung und erhöhen die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Zugleich blickt ASAP „über den Tellerrand“: So tauschen sich bei ASAP die Fachleute für Validierung auch mit anderen ASAP Experten aus, die auf andere Bereiche der Fahrzeugentwicklung spezialisiert sind. Das gebündelte Wissen fließt in die Absicherung des TME ein. Das Ziel: Möglichst viele Zusammenhänge und Abhängigkeiten in frühen Projektphasen aufzuzeigen, um auch so für eine hohe Effizienz bei der Validierung zu sorgen.

Bild 1: Kühlkreisprüfstand für die Validierung des Thermomanagements.
Bild 1: Kühlkreisprüfstand für die Validierung des Thermomanagements.

Thermomanagement zahlt auf Reichweite und Komfort ein

Von grundlegender Bedeutung beim TME ist zudem, dass die Aspekte Reichweite und Innenraumkomfort miteinander konkurrieren. Denn die zur Verfügung stehende Energie ist begrenzt, und die Klimatisierung des Innenraums kann die Reichweite eines Elektrofahrzeugs deutlich reduzieren. [2] Ein energieeffizientes Thermomanagement bringt beide Aspekte zusammen und trägt maßgeblich zu einem effizienten Betrieb ohne nennenswerte Komforteinbußen bei. Wie bedeutsam das Thermomanagement ist, zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Batterie am effizientesten geladen wird, wenn sie die richtige Wärme hat. Bis diese bei normaler Fahrt erreicht ist, kann es bis zu 50 Kilometer dauern. Anders verhält es sich, wenn die Ladesäule über das im Fahrzeug eingebaute Navigationsgerät angesteuert wird. Dann sorgt das Thermomanagement dafür, dass die Batterie die für den Ladevorgang optimale Temperatur hat, unabhängig davon, wie weit der Weg zur nächsten Station ist.

Bild 2: Beispiel für einen Prüfstand mit Kühlkreis.
Bild 2: Beispiel für einen Prüfstand mit Kühlkreis.

Thermomanagement trägt zur Umsetzung rechtlicher Vorgaben bei

Das Thermomanagement hat aber nicht nur einen großen Anteil daran, dass der E-Motor sein Potenzial ausschöpfen kann und dass die Temperierung des Innenraums gut funktioniert. Sondern das TME hat außerdem einen Anteil daran, dass gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Gesundheit von Menschen und zum Schutz der Umwelt eingehalten werden. So ist es an der Erstellung von On-Board-Diagnosen beteiligt. Dabei handelt es sich um ein spezielles Diagnosesystem, das sogenannte OBD-relevante Kriterien abdeckt.

Das Diagnosesystem wurde erstmals vom US-amerikanischen California Air Resources Board (CARB) im Jahr 1988 in den USA eingeführt, unter anderem als Reaktion auf anhaltend hohe Ozonwerte. In Europa ist die OBD-Legislation seit 1996 relevant. In den meisten Ländern gelten OBD-Anforderungen aus der US-kalifornischen oder der europäischen Abgasgesetzgebung (CARB bzw. ECE/EU), andere Länder, wie zum Beispiel China und Japan, entwickeln jedoch ihre eigene Gesetzgebung. Ziel war bzw. ist die Einhaltung der Abgasvorschriften über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs. Die OBD-Gesetzgebung wurde vor dem Hintergrund kontinuierlich zu OBD-II-Diagnosen weiterentwickelt.

Die OBD-Norm sieht ein elektronisches Überwachungssystem im Fahrzeug vor, das die abgasrelevanten Komponenten (Sensoren und Aktoren) auf elektrische Fehler überwacht. Es ist nicht nur für Verbrenner von Bedeutung, sondern auch für Fahrzeuge mit Elektroantrieb und für Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge (Standard SAE J1979-3 ZEV). Gemäß des Standards müssen alle emissionsrelevanten Steuergeräte über entsprechende Diagnosefunktionen verfügen.

Dass das elektronische Überwachungssystem funktioniert, wird bei elektrifizierten Fahrzeugen im Zusammenhang mit dem Thermomanagement getestet. Da ist es für Hersteller von Vorteil, wenn die für die Absicherung Zuständigen über eine große Expertise im Bereich Funktionsabsicherung verfügen – und darüber hinaus in engem Austausch mit Fachleuten stehen, die in den anderen Phasen der Fahrzeugentwicklung großes Know-how haben, wie zum Beispiel bei der Software- und der Hardware-Integration und deren Validierung. Das trägt dazu bei, die komplexen Anforderungen bei der Absicherung des Thermomanagements schnell und auf hohem Niveau umzusetzen.

Bild 3: Systemverbundprüfstand für die Absicherung komplexer Funktionen.
Bild 3: Systemverbundprüfstand für die Absicherung komplexer Funktionen.

Abdeckung des gesamten V-Modells

ASAP ist traditionell auf der rechten Seite des V-Modells stark, die durch den Validierungs- und Testprozess gekennzeichnet ist. Die validierten Bauteile, Komponenten und Funktionen werden dabei vor der Freigabe Schritt für Schritt in Systeme und danach in das Gesamtfahrzeug integriert. Zuvor wird auf der linken Seite der Anforderungs- und Spezifikationsprozess beschrieben, bei dem die funktionalen und technischen Spezifikationen des Gesamtfahrzeugs sowie seiner Systeme und Komponenten auf Basis der Kundenanforderungen definiert werden. Die ASAP Gruppe hat ihr Leistungsspektrum für das TME im Laufe der Jahre stetig erweitert: Sie hat sich mittlerweile Know-how über das ganze V-Modell erarbeitet und laufende Projekte dazu.

Den Validierungs- und Testprozess beim TME realisiert bei ASAP ein erfahrenes Team. Dieses führt vollumfänglich die Funktionsabsicherung durch – sowohl der Einzelkomponenten als auch des Gesamtsystems. ASAP unterstützt dabei Kunden bei der Erstellung des Konzepts und führt die Simulation sowie die Absicherung der gesamten Hardware und Software durch.

Das Thermomanagement umfasst die an sich bereits komplexen Bereiche Batteriemanagement, Vorkonditionierung – also die Aufgabe, den Ladezustand der Batterie und die Temperatur des Fahrzeuginnenraums vor Abfahrt auf optimale Werte zu bringen – sowie Innenrauminszenierung. Die Innenrauminszenierung etwa ist unter anderem ein Zusammenspiel aus Klimatisierung (TME), Human Machine Interface (HMI) mit Videofunktion sowie aus Audioanlage und Beleuchtung. Je nach ausgewähltem Szenario erfolgt die Einbindung und Steuerung. Das TME regelt die Temperatur im Innenraum und aktiviert je nach Variante oder Optionsauswahl verschiedene Komfortfunktionen. Licht, Sound und etwa Sitz- und Lenkradheizung werden speziellen Szenarien angepasst.

Viel mehr Fahrzeugmodelle, -derivate und -funktionen müssen abgetestet werden

Bei einem Oberklasse-SUV umfasst das TME inzwischen circa 3000 Anforderungen und knapp 50, zum Teil vernetzte, Funktionen. Es beinhaltet zudem die Anbindung an Ethernet und CAN FD, die Vernetzung zu mehreren Partner-SGs, hat einen Master von 4 LIN-Bussen, weist darüber hinaus etwa 51 LIN-Teilnehmer sowie bis zu 47 analoge Aktuatoren und bis zu 32 analoge Sensoren auf. In dem Zuge müssen rund 500 Eingangs- und 100 Ausgangssignale geprüft und analysiert sowie komplexe OBD-/ und OBD-II-Diagnosen durchgeführt werden. Viele Bauteile, Steuergeräte und Komponenten sind zudem eingebettet. Dazu zählen zum Beispiel Batteriemanagement-System, Klimabedienteil, Standheizung, Ladegerät und Antriebsstrang. Von Bedeutung sind aber auch elektrischer Klimakompressor, Hochvolt-PTC/HV-H, Absperrventile und pT-Sensoren für Kältemittel oder aber Pumpen, Kühlerlüfter und verschiedene Ventile, die den Wasserkreislauf regeln, sowie Sensoren für die Temperaturmessung.

Wie komplex das Testing ist, zeigt sich allein an dem folgenden Beispiel: Bei der Validierung untersuchen die Entwickler unter anderem die Beschaffenheit der unterschiedlichen Kältemittel im Klimakompressor. Dabei prüfen sie, welches Kältemittel am besten zu welchem Klimakompressor passt und was geschieht, wenn ein Kältemittel umgestellt wird. Dabei müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Nicht nur, dass die Kältemittel verschiedene Kühlleistungen mit sich bringen. Auch der Druck, mit dem sie zirkulieren, variiert je nach Kältemittel. So prüfen die Fachleute, ob die Verschlauchung dem Druck und der Reibung des verwendeten Kältemittels Stand hält oder ob eine andere Verschlauchung erforderlich ist. Diese Frage hat angesichts der sogenannten F-Gas-Verordnung, die in den nächsten Jahren schrittweise Kältemittel mit hohem GWP-Wert europaweit verbietet, eine neue Relevanz bekommen. [3] Denn klimafreundlichere Alternativen mit niedrigerem GWP-Wert, der auch als CO2-Äquivalent bezeichnet wird, zirkulieren mitunter mit mehr Druck. Diese Eigenschaft muss berücksichtigt und entsprechend validiert werden.

Fazit: Reale Absicherung verifiziert die virtuelle Absicherung

ASAPs Aktivitäten in der Absicherung des Thermomanagements umfassen das „komplette Paket“: Die Spezifikation und Validierung für Verbrenner und vor allem für E-Antriebe, die Entwicklung der MiL- und SiL-Testumgebungen, die Testautomation, die Testexecution, den HiL-Support sowie die Datenanalyse mit TPT. ASAP bietet zudem nicht nur die Absicherung der „alten“ und „neuen“ Fahrzeugwelt, sprich der Verbrenner und E-Fahrzeuge, sondern schlägt auch die Brücke von der virtuellen zur realen Absicherung. Denn erst bei der Überprüfung der realen Komponenten oder spätestens im Systemverbund mit allen beteiligten Steuergeräten und Verkabelungen wird offensichtlich, ob die zuvor getroffenen Annahmen zutreffen. Oft treten im Zusammenspiel aller Komponenten unerwartete Fehlverhalten auf, welche die Simulation nicht prognostizieren und nicht abbilden konnte. So werden bei der Suche nach mechanischen, elektrischen und dynamischen Fehlern sowie nach Systemfehlern zunächst Bauteile-Tests simuliert. Danach kommen Realbauteile zum Einsatz. In dem Zuge wird beispielsweise mit einigen Parametern die Thermodynamik nachgebildet und dabei Temperatur und Verwirbelung und der sich daraus ergebene Luftstrom betrachtet. Nach der Simulation überprüfen die Experten das Ergebnis konkret am Bauteil. Bei der Erfüllung der umfangreichen Anforderungen bei der Validierung und Absicherung zahlt sich Expertise und der Austausch mit Experten aus, die sich mit anderen Bereichen der Fahrzeugentwicklung befassen. Diese erfolgt kostengünstiger, schneller und sicherer zum Nutzen der Kunden.

Fachliteratur

[1] Elektromobilität: Grundlagen und Praxis, Karle, Anton, München: Hanser. 5., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2021

[2] Elektromobilität: Grundlagen einer Fortschrittstechnologie; Hrsg. Achim Kampker und Heiner Hans Heimes, Springer Vieweg, 3. Auflage, 2024

[3] Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011

Autoren:

Niklaas Krause, Manager E/E | Validation bei der ASAP Gruppe, und Nils Hollmann, Team Lead E/E | Validation bei der ASAP Gruppe