3d rendering group of electric cars with pack of battery cells module on platform in a row

Der Thermal Runaway ist eines der größten Sicherheitsrisiken bei Lithium-Ionen-Akkus für Elektrofahrzeuge. Wie so oft ist die beste Strategie dagegen, ihn erst gar nicht entstehen zu lassen. Aber was wenn es doch dazu kommt? Flammschutzmittel sollen den Brand verzögern. Aber sind sie überhaupt sinnvoll? Diese Frage stellt ein aktuelles Paper. (Bild: phonlamaiphoto @ AdobeStock)

Lithium-Ionen-Batterien sind eine Schlüsseltechnologie für moderne Mobilität und Energiewende. Doch mit ihrer steigenden Verbreitung wächst auch die Diskussion über Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere den Einsatz von Flammschutzmitteln in den Kunststoffgehäusen von Autobatterien. Ein aktuelles Paper im Fachjournal Environmental Science & Technology (Jahl et al., 2025) stellt die Wirksamkeit dieser Maßnahme infrage und verweist auf potenzielle Gesundheits- und Umweltgefahren. Wir haben die Argumente der Veröffentlichung zusammengefasst und unsere Fragen dazu an mehrere Hersteller von Flammschutzmaßnahmen, darunter Bosch, 3M und Dow, geschickt. Leider hat nur Lanxess auf unsere Anfrage reagiert und die Fragen beantwortet.

Diagramm, das die Abwägung von Vor- und Nachteilen von Flammschutzmitteln in Batteriegehäusen zeigt. Links wird die mögliche Verbesserung der Brandsicherheit hervorgehoben, während rechts die bekannten Kosten wie ökologische Schäden, giftigere Brände und Beeinträchtigungen der Kreislaufwirtschaft aufgeführt sind. Im unteren Teil zeigt ein Flussdiagramm verschiedene Lebenszyklen von Batterien, einschließlich chemischer Produktion, Nutzung, Recycling, sicherer Wiederverwendung und potenzieller Umweltkontamination. Solide Pfeile markieren häufig berücksichtigte Pfade, während gestrichelte Pfeile oft übersehene Risiken wie die Freisetzung von Schadstoffen in Luft und Wasser darstellen.
Diagramm zum Vergleich der potenziellen Vor und Nachteile von Flammschutzmitteln in Batteriegehäusen: Während sie die Brandsicherheit verbessern könnten, verursachen sie ökologische Schäden und behindern die Kreislaufwirtschaft. (Bild: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.4c10630)

Warum braucht es überhaupt Brandschutzmaßahmen bei Lithium-Ionen-Batterien?

Batteriebrände sind besonders gefährlich, weil sie durch einen sogenannten thermischen Durchgang (thermal runaway) entstehen. Dabei erhitzt sich eine beschädigte Zelle unkontrolliert und gibt Wärme an benachbarte Zellen weiter, bis eine Kettenreaktion auslöst. Diese Brände sind schwer zu löschen und können giftige Gase freisetzen. Besonders Elektrofahrzeuge sind betroffen, da ihre Batterien große Mengen gespeicherter Energie enthalten.

E-Mobility: Batterie und Sicherheit

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(Bild: AdobeStock_277540900)

Wie entstehen bessere E-Auto-Batterien und sind sie sicher? Bewährte und neue Batterietechnologien von Entwicklung bis Recycling, Brandschutz von Simulation über Materialien bis Batteriemanagement und Safety-Konzepten, sowie Testverfahren von EMV bis Sicherheit. Die Technologien dahinter finden Sie hier.  

Fragwürdige Effektivität von Flammschutzmitteln?

Das Paper beschreibt nun, dass Flammschutzmittel in Kunststoffgehäusen von Lithium-Ionen-Batterien oft nicht die gewünschte Schutzwirkung haben:

“Trying to stop thermal runaway fires by adding flame retardants to plastic is like adding a screen door to a submarine.” (Vyto Babrauskas, Ignition Handbook)

„Der Versuch, einen thermal runaway durch Flammschutzmittel in Plastik zu verhindern, ist wie das Anbringen einer Fliegengittertür an einem U-Boot.“

Das Paper argumentiert, dass Flammschutzmittel in Batteriegehäusen zwar einer offenen Flamme für kurze Zeit standhalten können, jedoch kaum Einfluss auf den eigentlichen thermischen Durchgang nehmen. Sobald sich dieser Prozess in Gang setzt, entstehen Temperaturen und Reaktionen, die das chemische Flammschutzmittel nicht mehr aufhalten kann. Zudem werfen die Autoren die Frage auf, ob die bisher existierenden Standardtests, die für die Bewertung von Flammschutzmitteln genutzt werden, überhaupt realistische Brandszenarien widerspiegeln.

Dazu sagt Lanxess: „Flammschutzmittel helfen bei einem thermischen Durchgehen einer E-Autobatterie nicht. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Bei einem Elektrodenkurzschluss in den Batteriezellen – ausgelöst beispielsweise durch einen Unfall oder einen Steinschlag – startet eine Kettenreaktion, durch die extrem hohe Temperaturen im Akku entstehen. Es entsteht innerhalb kürzester Zeit ein Großbrandszenario. Dann können Flammschutzmittel nichts mehr ausrichten.

Flammschutzmittel sollen und können einen Entstehungsbrand verhindern oder – wenn ein Brand bereits entstanden ist – dessen Ausbreitung verzögern. Beispielsweise verhindern flammgeschützte Kabelummantelungen für eine bestimmte Zeitdauer, dass sich die Kabel bei Überhitzung oder Kurzschluss entzünden. Dasselbe gilt für Kunststoffgehäuse. Sie sollen bei Kontakt mit einem glühenden Kabel oder Hitzeeinwirkung von außen nicht in Brand geraten. Flammschutzmittel können somit dazu beitragen, die Gefahr eines thermischen Durchgehens zu minimieren, indem man das Risiko einer Brandeinwirkung von außen so klein wie möglich hält.“

Gesundheits- und Umweltgefahren: Wie gravierend sind sie wirklich?

Darüber hinaus betonen die Autoren, dass viele Flammschutzmittel, insbesondere Organohalogene und Organophosphate, erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt bergen. Sie können:

  • neurologische, reproduktive und immunologische Schäden verursachen,

  • sich in der Umwelt anreichern und schwer abbaubar sein,

  • die mechanischen Eigenschaften von Kunststoffen verschlechtern und deren Recycling erschweren.

Das Paper stellt fest:

„The production of chemical flame retardants and their incorporation into electronic devices and other products often results in occupational exposure.“

„Die Produktion und Verwendung chemischer Flammschutzmittel in elektronischen Geräten führt häufig zu berufsbedingter Exposition.“

Alternative Lösungsansätze

Anstatt sich auf Flammschutzmittel zu verlassen, schlagen die Autoren andere Maßnahmen vor:

  • Bessere Qualitätskontrolle in der Produktion, um Defekte zu minimieren

  • Stabilere Gehäuse aus Metall anstelle von Kunststoff

  • Intelligente Batteriemanagementsysteme, die kritische Bedingungen frühzeitig erkennen

  • Entwicklung sichererer Batterietechnologien, z. B. Feststoffbatterien

Diese Alternativen klingen sinnvoll, doch bleibt unklar, ob sie in der Praxis wirtschaftlich umsetzbar sind. Metallgehäuse können beispielsweise das Gewicht und die Kosten von Batterien erhöhen. Zudem sind Feststoffbatterien zwar vielversprechend, aber noch nicht marktreif. Welche realistischen Alternativen es kurzfristig gibt, ist offen.

Auf die Frage, „Wie sehen Ihre zukünftigen Pläne im Bereich Flammschutz für Batterien für E-Autos aus? Beispielsweise im Hinblick auf Stoffe, die weniger oder keine schädlichen Gase freisetzen“, antwortet Lanxess: „Wir bieten ein umfangreiches Portfolio an Flammschutzmitteln für den Einsatz in Polymeren an. Diese kommen in Elektrofahrzeugen zum Einsatz, z.B. im Batteriegehäuse, in Kabeln und Hochvolt-Steckern. Insbesondere der Trend zu Lightweight führt zu einem höheren Einsatz an Polymeren im Vergleich zu anderen (schwereren) Werkstoffen. “

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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