Die Anwendung digitaler Zwillinge wird zu einem unverzichtbaren Bestandteil bei der Entwicklung und Designvalidierung von E-Autos und Ladesäulen.

Die Anwendung digitaler Zwillinge wird zu einem unverzichtbaren Bestandteil bei der Entwicklung und Designvalidierung von E-Autos und Ladesäulen. (Bild: AdobeStock 262996090, chesky)

Das Konzept der digitalen Zwillinge ist inzwischen ein aktuelles technologisches Thema, aber es hat seine Wurzeln in der Emulationstechnologie, die auf die frühen 1990er Jahre zurückgeht. Emulatoren imitieren das Verhalten eines oder mehrerer Komponenten, sei es ein integrierter Schaltkreis oder sogar ein ganzes Gerät, und haben zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Zunächst gilt es, sich mit den Unterschieden zwischen Emulatoren und Simulatoren zu befassen (Tabelle 1). Diese beiden Begriffe werden in der Technik mitunter gleichgesetzt, aber ihre Definitionen sind durchaus unterschiedlich. Als Beispiel für einen Prüfling (Device Under Test, DUT) soll hier ein Chip dienen.

Tabelle 1: Grundlegende Unterschiede zwischen einem Emulator und einem Simulator.
Tabelle 1: Grundlegende Unterschiede zwischen einem Emulator und einem Simulator. (Bild: Keysight)

Unterschied zwischen Simulation und Emulation

Eine Simulation beschreibt, wie der Chip nach seiner Herstellung in der Foundry funktionieren wird. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass der Chip unter verschiedenen Bedingungen von Variablen wie Speicher, Registrierung und aktuellen Befehlszählern funktionieren kann. Bei der Emulation wird eine Hardware verwendet, um die Funktionsweise eines Chips nahezu in Echtzeit zu simulieren. Die Hardware ermöglicht es dem Entwickler, den Simulationsprozess über die Möglichkeiten der herkömmlichen Simulation hinaus zu beschleunigen. Das ist besonders für sehr leistungsstarke Chips wichtig, wie sie bei der Energieumwandlung im Ökosystem der Elektromobilität zum Einsatz kommen.

Die Emulationstechnologie hat sich seit ihren Anfängen stark weiterentwickelt und zu digitalen Zwillingen geführt, die mit leistungsstarker Hardware und Software ausgestattet sind und es Ingenieuren ermöglichen, Testparameter anzupassen und verschiedene Geräte und Testszenarien zu emulieren. Aber wie werden digitale Zwillinge in der Entwicklung für die Elektromobilität eingesetzt?

Digitale Zwillinge schlüpfen in die Rollen von EVs und EVSEs

Es wird erwartet, dass sich die Zahl der neuen Elektrofahrzeugmodelle bis 2024 mehr als verdoppelt und auf über 130 Modelle ansteigt. Für die Anbieter von Ladestationen für Elektrofahrzeuge (Electric Vehicle Supply Equipment, EVSE) ist das Testen von Ladestationen an realen Fahrzeugen nicht praktikabel. Ebenso stehen die Automobilhersteller vor der Herausforderung, sicherzustellen, dass ihre Elektrofahrzeuge den unterschiedlichen Ladestandards auf der ganzen Welt entsprechen. Der Test ihrer Fahrzeuge an realen Ladestationen auf der ganzen Welt ist nicht durchführbar. Die Ladestationen sind in die in Tabelle 2 dargestellten Level unterteilt.

Tabelle 2: Einteilung unterschiedlicher Ladestationen und ihre Vor- und Nachteile.
Tabelle 2: Einteilung unterschiedlicher Ladestationen und ihre Vor- und Nachteile. (Bild: Keysight)

E-Mobility: Laden

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(Bild: AdobeStock_39293318)

Wo und wie lässt sich ein E-Auto aufladen? Welche Leistungselektronik steck in einer Ladesäule? Wie wird die Ladesäule intelligent? Halbleiter, Hochvolt-Komponenten, Stecker, Kabel, Wallboxen, Kommunikation, Infrastruktur, Standards, Services und mehr. Die Technologien dahinter finden Sie hier.

Neben den Unterschieden zwischen AC- und DC-Lade-Plattformen müssen sich sowohl die Hersteller von Elektroautos als auch die EVSE-Hersteller mit der Interoperabilität und der Einhaltung von Bestimmungen auseinandersetzen, wenn sie versuchen, ihre Produkte weltweit zu vermarkten (Bild 1).

Bild 1: Beispiele für weltweite Ladestandards. Aufkommende Standards wie CHAdeMO 3.0 (Chaoji) und Megawatt Charging System (MCS) sollen ein schnelleres Aufladen ermöglichen.
Bild 1: Beispiele für weltweite Ladestandards. Aufkommende Standards wie CHAdeMO 3.0 (Chaoji) und Megawatt Charging System (MCS) sollen ein schnelleres Aufladen ermöglichen. (Bild: Keysight)

Bisher führten die Ingenieure manuelle Tests durch und schlossen einzelne Automodelle an verschiedene Ladestationen an, die jeweils unterschiedliche Standards aufwiesen. Auf dem schnelllebigen Markt von heute ist diese Teststrategie nicht mehr praktikabel. Hier kommen digitale Zwillinge ins Spiel, die die Tests für verschiedene Ladeschnittstellen automatisieren und die Interoperabilität zwischen den einzelnen Fahrzeug- und Ladestationsmodellen überprüfen (Bild 2).

Bild 2: Mit der Technologie des digitalen Zwillings werden keine realen Autos oder Ladestationen mehr benötigt, wenn Hersteller neue Produkte mit verschiedenen E-Fahrzeugen oder EVSEs testen.
Bild 2: Mit der Technologie des digitalen Zwillings werden keine realen Autos oder Ladestationen mehr benötigt, wenn Hersteller neue Produkte mit verschiedenen E-Fahrzeugen oder EVSEs testen. (Bild: Keysight)

EV-Ladetest und EVSE-Test

Zunächst sollen zwei Emulations-Setups, die in den heutigen EV- und EVSE-Design- und Testumgebungen zum Einsatz kommen, betrachtet werden. Bild 3 zeigt ein Hochleistungs-EV-Testsystem (Mitte) mit einem flüssigkeitsgekühlten Ladeadapter, der eine DC-Ladeinfrastruktur emuliert. Der Strom für die Versorgung der emulierten DC-Ladeinfrastruktur kommt von einem weiteren Emulator auf der linken Seite. Der Automobilhersteller kann nun eine Vielzahl von Hochleistungs-Gleichstrom-Ladeinfrastrukturen mit bis zu 600 A in kürzerer Zeit emulieren, als wenn er das Fahrzeug an mehrere Ladestationen anschließen würde.

Bild 3: Test des Elektroautos mit einem digitalen Zwilling, der eine Gleichstromladung mit hoher Leistung emuliert.
Bild 3: Test des Elektroautos mit einem digitalen Zwilling, der eine Gleichstromladung mit hoher Leistung emuliert. (Bild: Keysight)

Beim Testen eines Ladestation-Designs mit verschiedenen Fahrzeugen (Bild 4) kann ein Testgerät mit einer Stromversorgung ein Elektrofahrzeug emulieren. Der digitale Zwilling des Elektrofahrzeugs ermöglicht es dem Ingenieur, das Fahrzeug entsprechend den Spezifikationen verschiedener Elektroautos zu konfigurieren.

Bild 4: Emulation verschiedener Elektrofahrzeuge zum Testen des EVSE auf der linken Seite. Dieser Testaufbau ermöglicht Funktions-, Sicherheits-, Interoperabilitäts-, Konformitäts- und Lebensdauertests von allen EVSE-Produkten in der Entwicklung.
Bild 4: Emulation verschiedener Elektrofahrzeuge zum Testen des EVSE auf der linken Seite. Dieser Testaufbau ermöglicht Funktions-, Sicherheits-, Interoperabilitäts-, Konformitäts- und Lebensdauertests von allen EVSE-Produkten in der Entwicklung. (Bild: Keysight)

Emulation einer Hochleistungs-Onboard-Umgebung

Neben E-Fahrzeugen und Ladestationen sind bessere und billigere Batteriezellen der Schlüssel zur Etablierung von E-Autos. Viele Automobilhersteller haben spezialisierte Teams, die sich mit der Energiespeicherung und -nutzung von E-Fahrzeugen beschäftigen, um diese Herausforderungen zu meistern. Entwicklung und Test neuer Hochleistungs-EV-Batterien erfordern ein intelligentes Batteriemanagementsystem (BMS). Ein BMS erfüllt wichtige Sicherheits-, Steuer- und Regelungsfunktionen, indem es Parameter wie Spannung, Strom, Temperatur und Ladezustand überwacht. Das BMS ist auch für das Wärmemanagement, das Energiemanagement, das Zellbalancing und die Leistungsfähigkeit verantwortlich. Entwickler stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Fähigkeit des BMS, all diese Funktionen entsprechend der Spezifikation auszuführen, zu validieren.

Eine Umgebung mit digitalem Zwilling kann Ingenieuren helfen, ihr BMS während der Entwicklung unter Stress zu testen. Dieser BMS-Umgebungsemulator kann die EV-Batteriezellen nachbilden, Fehler wie Unterbrechungen oder Kurzschlüsse und sogar unterschiedliche Zelltemperaturen simulieren, um zu testen, wie das BMS auf diese Ereignisse reagiert.

Unzertrennliche Zwillinge

Da der Markt für Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur weiter wächst, wird die Anwendung digitaler Zwillinge zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Produktentwicklung und des Designvalidierungsprozesses. Digitale Zwillinge werden sicherstellen, dass ihre realen Gegenstücke nicht nur die Industriestandards erfüllen, sondern auch das übergeordnete Ziel eines grüneren und nachhaltigeren Verkehrsökosystems erreichen. (na)

Hwee Yng Yeo, Keysight
(Bild: Keysight)

Hwee Yng Yeo

E-Mobility Solutions Lead bei Keysight Technologie

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