IAA Transportation

Auf der IAA Transportation wird ZF als Weltpremiere den integrierten, modularen elektrischen Antriebsstrang CeTrax 2 für schwere Nutzfahrzeuge zeigen, der in diesem rein elektrisch angetriebenen, nur aus Batterien versorgten Versuchsträger verbaut ist. Maximales Drehmoment: 24.700 Nm! (Bild: Alfred Vollmer)

Die IAA Transportation dürfte sehr interessant werden, denn schon jetzt im Vorfeld der Messe zeichnen sich viele Neuerungen ab. Die Redaktion berichtet über die aktuellen technischen Entwicklungen und Trends von Zulieferern und Fahrzeugherstellern im Bereich Nutzfahrzeuge – von der Energieversorgung (Batterie, Pantograph, Wasserstoff) über den Antrieb bis zu ergänzenden Lösungen.

Die Unternehmen bemühen sich, möglichst bald CO2-neutral zu sein – und dazu gehört auch die Lieferkette. Die Lkws im Fern- und Nahverkehr sollen daher möglichst bald rein elektrisch unterwegs sein. Aus diesem Grund stehen die Anbieter von Nutzfahrzeugen wie Bussen, Fernverkehrs-Lkws und Verteiler-Lkws unter immensem Druck, möglichst gestern schon lokal emissionsfrei (sprich: rein elektrisch angetrieben) zu fahren. Dass hier ein gewisser Auftragsboom bevorsteht, ist ein positiver Randeffekt, aber zunächst einmal müssen die Nutzfahrzeuge entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Situation, die analog auch für die Lkws gilt: Die Süddeutsche Zeitung hat Mitte August 2022 berichtet, dass die Stadtwerke München (SWM) bis 2035 alle Busse auf reinen E-Betrieb umstellen wollen: 400 eigene Busse und über 250 Busse privater Kooperationspartner. Derzeit betreiben die SWM erst 24 reine E-Busse, von denen zehn Gelenkbusse sind – und die SWM gehören in punkto E-Mobilität zu den Pionieren.

vollintegrierte Elektro-Achse
Allison Transmission wird auf der IAA Transportation eine vollintegrierte Elektro-Achse aus der Familie eGen Power als Drop-in-Lösung vorstellen. (Bild: Allison)

Subsysteme für E-NFZ

ZF macht 18 % seines Konzernumsatzes mit Nutzfahrzeugen (Nfz) und ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Lieferant der Nfz-Hersteller. Noch ZF-CEO Wolf-Henning Scheider hat die Entwicklungsrichtung klar festgelegt: „Für uns steht fest, dass die Zukunft der Mobilität elektrisch sein wird – bei Pkw und Lkw; wir gehen jetzt den Weg from gears to chips.“ So bringt ZF z. B. mit CeTrax 2 im Jahr 2023 einen integrierten, modularen elektrischen Antriebsstrang für schwere Nutzfahrzeuge bis 44 tin Serie – als Nachfolger von CeTrax. „Das neue System kombiniert ein günstiges Leistungsgewicht und eine hochintegrierte, kompakte Bauweise, die eine hohe Dauerleistung von 360 kW und eine verbesserte Effizienz durch Lastschaltung ermöglicht“, erklärt ZF-Vorstand Wilhelm Rehm, der für die Commercial Vehicle Solutions verantwortlich ist. „Darüber hinaus verfügt es über High-End-Technologien wie ein Hairpin- Design für die Statoren, ein innovatives Kühlsystem und einen Wechselrichter auf Siliziumkarbid-Basis.“

CeTrax 2 CX336
Die Motor- und Ansteuereinheit CeTrax 2 CX336 für schwere Nutzfahrzeuge enthält neben dem 360-kW-E-Motor und dem Inverter auch das Steuergerät, die E-Aktuatoren und das Getriebe. (Bild: Alfred Vollmer)

Im Gespräch mit emobility tec erklärte ZF-Vorstand Wilhelm Rehm, dass ZF Oberleitungs-Lösungen für den Fernverkehr auf Autobahnen skeptisch gegenüber steht. Für Rehm ist das nicht nur eine wesentliche Frage der Infrastruktur sondern auch in der Umsetzung schwierig, weil die Hochvolt-Versorgungsleitung vom Pantographen zur Batterie bzw. Elektronik direkt hinter der Fahrerkabine verläuft.

Continental hingegen setzt gemeinsam mit Siemens Mobility auf ein ERS (Electric Road System) genanntes Oberleitungs-System, das zum einen die Energie für den Antrieb liefert und andererseits auch gleich das Laden der Batterie ermöglicht. Damit entfällt natürlich die Suche nach einer Ladestation sowie die High-Power-Ladesäule selbst, wobei Continental hier vom „Dynamic Charging“ spricht. Außerdem lasse sich damit die Batteriekapazität um 50 bis 70 % verringern, während die Ruhezeiten unabhängig vom Ladebedarf planbar sind, betont Alex Rupprecht, Director Driveline & Electrification bei Continental.

Schwerpunktthema: E-Mobility

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(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.

Fernverkehr mit Oberleitung ?

Dabei wäre Continental zufolge die Elektrifizierung von 4000 km Strecke mit 11 % der jährlich erwarteten Erlöse aus der Lkw-Maut in Deutschland möglich, wobei 80 % der schweren Lkw einen wirtschaftlichen Anreiz hätten, auf Oberleitungsbetrieb zu wechseln, wenn 4.000 km der am stärksten frequentierten Autobahnabschnitte elektrifiziert wären. Ein solches Weitverkehrs-Pantographen-System könnte Alex Rupprecht zufolge in vier bis fünf Jahren verfügbar sein.

Auf der Fahrzeugseite kämen für den Pantographen etwa 400 bis 500 kg zusätzliche Masse hinzu, aber man spare auch 1,5 t Batterie ein. Supercaps will Continental dabei nicht einsetzen.

Oberleitungs-Lkws
Continental sieht im Bereich Fernverkehr ein großes Potenzial für Oberleitungs-Lkws. (Bild: Continental)

Mit bis zu 3000 A: Laden von Nutzfahrzeugen

Karsten Birkholz
Karsten Birkholz von Paxos Consulting zeigt den Prototypen eines für 3000 A geeigneten Ladesteckers. (Bild: Alfred Vollmer)

Für den Fernverkehr reicht die Ladeleistung des CCS nicht mehr aus, so dass derzeit sehr intensive Arbeiten am Megawatt Charging System (MCS) laufen, das bis zu 3000 A bei Spannungen von 1000 bis 1500 V durch die Ladeleitung schickt. Eine 200- bis 600-kWh-Batterie soll nämlich binnen 20 bis 30 Minuten geladen werden, so dass Ladeleistungen von über 1 MW erforderlich sind. Weil die Kunden der Speditionen möglichst klimaneutral werden wollen, herrscht immenser Druck auf der Truck-Branche, die neuen LKWs (bis 40 t) zu elektrifizieren. All das stellte Claas Bracklo von Charin auf dem Kongress Chargetec mit einer entsprechenden Lösung vor. Er wies darauf hin, dass von den für 2030 prognostizierten 40 bis 60 Millionen EVs etwa 20 % rein elektrisch fahrende Nutzfahrzeuge sein werden, so dass es einen großen Markt für das MCS geben werde. Claas Bracklo geht davon aus, dass Nutzfahrzeuge in Zukunft sowohl über einen CCS-Anschluss als auch über einen MCS-Anschluss verfügen werden.
Unter Berücksichtigung der Gesamtsituation ist dann ein praxisnahes Laden von Fernverkehrs-Lkws möglich, weil die Fahrer nach spätestens 4,5 h eine Pause einlegen müssen und nach maximal 9 h Fahrt 11 h Pause folgen müssen. Zusammen mit den Telemetriedaten ergeben sich dann sehr vorhersehbare Prognosen, wo geladen werden muss. „1000 km am Tag darf ein Fahrer pro Tag nicht fahren“, aber technisch wäre dies mit MCS bis 2026 möglich, erklärt Marcel Hessel (MAN Truck & Bus). Für ihn steht fest „MCS ist gesetzt als Zwischenladelösung“ für die kurzen Fahrpausen. Ein Reisebus, der mit einer 1000-kWh-Batterie ausgestattet ist, benötige für 400 km Reichweite bei 15 Minuten Ladezeit etwa 3,75 MW. Die extremsten Anforderungen stellen dabei Unternehmen wie Flixbus, die nur 15 Minuten Pause am Endhalt haben und dort einen Fahrerwechsel durchführen.
Marcel Hessel weist darauf hin, dass bei 750 kW Ladeleistung mit 1000 A mehr als 30 kW Wärmeleistung abgeführt werden müssen, so dass eine aktive Kühlung sowohl der HV-Leitungen als auch der Batterie notwendig wird, ja sogar die gesamte Zellenoberfläche müsse gekühlt werden, weil grob gesagt etwa 15 bis 20 W thermische Verluste pro Zelle entstehen.
Auf der Chargetec gab es sogar ein Mockup für einen Ladesteckverbinder bis 12 MW zu sehen, das Karsten Birkholz von der Firma Paxos Consulting vorstellte. Der Steckverbinder hat einen radialen Aufbau, und die Kontakte sind ringförmig angebracht, wobei über einen Schraubmechanismus eine Kontaktkraft entsteht. In einem ersten Test bestätigte die RWTH Aachen immerhin eine Dauerleistung von über 5 MW (1500 V und 3.300 A); mehr ließ der Netzanschluss des Labors nicht zu. Zur Kommunikation favorisiert Paxos dabei nicht das PLC-Verfahren sondern eine eher langsame PWM-Verbindung.

Alex Rupprecht weißt zudem darauf hin, dass das Schnellladen der Batterie beim Megawatt-Charging eine hohe Stressbelastung für die Batterie ist. Zudem seien ausgesprochen viele Hochleistungs-Ladepunkte erforderlich, an denen die Lkw über Nacht laden können (ein Ladepunkt pro Lkw und Nacht), denn es sei unrealistisch, dass Fahrer ihren Schlaf unterbrechen, nur um den Ladepunkt zu verlassen.

Beim Betrieb eines 40-t-Sattelzugs mit einer Jahresleistung von 100.000 km auf dem „eHighway“ errechnete Continental bei Kosten von 2 €/l Diesel und 0,30 €/kWh Strom eine Kraftstoffersparnis von 16.000 € pro Fahrzeug. Und wenn Trucks erst einmal vollautonom (auf Level 5) fahren, dann könnten sie im Oberleitungsbetrieb quasi 24/7 unterwegs sein. Preislich seien ERS-Trucks teurer als Trucks mit Verbrennungsmotor, aber günstiger als mit Wasserstoff betriebene Lkws.

E-Antrieb im Trailer
Ein E-Antrieb im Trailer (Anhänger) kann bis zu 60 % rekuperieren. In Kombination mit Aerodynamik-Maßnahmen spart dieser Demo-Truck bis zu 7,3 l/100 km. (Bild: Alfred Vollmer)

Wasserstoff oder Batterie?

„Daimler Truck selbst plant keine Oberleitungs-Lkw und setzt in seiner Fahrzeugstrategie sowohl auf die Batterie als auch auf Wasserstoff“, erklärt der Konzern. So testet das Unternehmen gerade mit einem Brennstoffzellen-Prototypen (GenH2), der mit Flüssigwasserstoff arbeitet, ob die Technologie sich für die Serienproduktion eignen könnte, während gleichzeitig ein für den Fernverkehr konzipierter eActros seit knapp einem Jahr bereits in Serie ist. In einer mehrjährigen Testphase untersucht der Konzern im Dauereinsatz einer Spedition einen für 40 t zulässiges Gesamtgewicht zugelassenen eActros, bei dem die gesamte Energie in Batterien gespeichert wird und den Interessenten bereits in dieser Konfiguration bestellen können. Zu späterer Zeit will Daimler Trucks dann einen „Konzeptvergleich mit Oberleitungs-Lkw von eWayBW“ als Teil des Testprojekts durchführen.

Die Batterien des eActros bestehen wahlweise aus drei (eActros 300) oder vier Batteriepaketen (eActros 400), die jeweils eine installierte Kapazität von 112 kWh und eine nutzbare Kapazität von rund 97 kWh bieten. Mit vier Batteriepaketen hat der eActros 400 eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern. Technologisches Herzstück des E-Lkw ist die Antriebseinheit, eine elektrische Starrachse mit zwei integrierten Elektromotoren und Zwei-Gang-Getriebe. Die beiden flüssigkeitsgekühlten Motoren liefern eine Dauerleistung von 330 kW beziehungsweise eine Spitzenleistung von 400 kW.

batterieelektrischer eActros
Bei Mercedes-Benz Lkw fährt jetzt ein batterieelektrischer eActros mit 40 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht mit Anhänger im mehrjährigen Praxiseinsatz durch den Nordschwarzwald. (Bild: Daimler Truck)

E-Trailer – auch für ICE-TruckS

Bisher sind die gesamte Energie und Leistung eines Sattelschleppers im Zugfahrzeug konzentriert, das die Batterie, den Pantographen oder die Brennstoffzelle sowie den Traktionsmotor enthält. ZF zeigte jetzt eine komplett elektrifizierte Trailer-Lösung, die ein elektrisches System im Auflieger enthält, das für Rekuperation, Antrieb und zur Versorgung der Hilfsaggregate nutzbar ist. ZF hat ausgerechnet, dass ein E-Trailer an einer Zugmaschine mit Verbrennermotor die Bremsenergie-Verluste um bis zu 60 % verringert, während gleichzeitig erheblich Treibstoff und CO2 eingespart werde, nämlich bis zu 16 % im Kurzstrecken-Lieferbetrieb und bis zu 7% im Fernverkehr. Zudem verbessere ein E-Trailer die fahrdynamischen Eigenschaften des Gespanns; ein Plus in punkto Safety/Sicherheit kommt gleichzeitig mit dazu – genauso wie diverse Vorteile beim Rangieren auf dem Ladehof.

Fazit

Auch die Lkws und Busse werden bald rein elektrisch angetrieben – und zwar viel früher als viele von uns dachten. Schon heute wirbt der deutsche E-Nutzfahrzeug-Anbieter Bax so: „Elektro-Lkw zum Dieselpreis leasen statt kaufen.“

Alfred Vollmer

Chefredakteur emobility tec

Emobility tec – die Zeitschrift rund um Systeme, Komponenten und Technologien für Hybrid- und Elektrofahrzeuge

Transparentes E-Auto mit Blick auf die Batterie über dem Logo der Fachzeitschrift E-Mobility-tec
(Bild: Hüthig)

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