Energiemanagement für Elektrofahrzeuge wird heute oft noch primär als Management der Entladeströme des Lithium-Ionen-Akkus verstanden. Dabei gilt dann das Motto: Wenn die Restreichweite sinkt, werden energieintensive Verbraucher wie die Sitzheizung oder andere Funktionen abgeschaltet. Dabei wird übersehen, dass aus Anwendersicht das Energiemanagement wesentlichen Einfluss auf den Nutzwert des Fahrzeugs sowie – über die Größe des Batteriespeichers – auf die Anschaffungskosten hat.
Ein weiteres Missverständnis besteht darin, Energiemanagement vorrangig aus Perspektive von Hardware und Thermomanagement zu betrachten. Zwar sind Kapazität, Stromtragfähigkeit, Temperaturgrenzen und andere physikalische Parameter wesentlich für das Betriebsverhalten eines elektrischen Antriebs. Die Anwenderwahrnehmung wird jedoch wesentlich von der software-basierten Regelung des Gesamtsystems bestimmt, wobei die Systemgrenzen weit über das Fahrzeug hinausreichen. EDAG verfolgt daher einen systembasierten Ansatz, der Hard- und Software des Fahrzeugs sowie die Umwelt in das Energiemanagement einbezieht.
Wie sich das Energiemanagement bei E-Autos entwickelt
Die Entwicklung von Energiemanagementsystemen folgt vier zeitlich gestaffelten Evolutionsstufen (Bild 1). Auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und 12-, 24- oder 48-Volt-Bordnetz verfügen bereits über ein Energiemanagementsystem. Hintergrund für die Einführung um das Jahr 2000 herum waren die stetig steigenden Lasten im Niedervoltsystem durch neue elektrische Verbraucher, die zum Teil eine Ruhestromversorgung benötigten. Mit der in den letzten Jahren forcierten Einführung von Hochvoltantrieben in Hybrid- und Elektrofahrzeugen etablierte sich eine zweite Stufe des Energiemanagements.
Die Auslegung der Betriebsstrategie einschließlich der einzuhaltenden physikalischen Grenzen erfolgt dabei vor allem durch Kennfelder, die auf „historischen“, also in der Entwicklung gesammelten Messdaten basieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt einerseits der Steuerung der Ströme auf Verbraucherseite, andererseits dem Leistungsmanagement innerhalb des Akkus, insbesondere dem lebensdauerfördernden Ausbalancieren der Potenziale zwischen den Batteriezellen. Ferner stellt das Ladestrommanagement – auch unter thermischen Aspekten – einen Schwerpunkt dar. Dieses Energiemanagement 2.0 lässt sich als Stand der Technik bezeichnen.
Das kann Energiemanagement 3.0
Fahrzeuge mit einem Produktionsstart ab dem Jahr 2020 verfügen fast durchgängig über eine Cloud-Anbindung an ein Backend des Fahrzeugherstellers. Das ermöglicht eine neue Form des Energiemanagements, das auf einer breiteren Datenbasis basiert, zu der alle Fahrzeuge im Feld beitragen. Dadurch können beispielsweise neue Erkenntnisse zum Alterungsverhalten des Akkus über Software-Updates in die Betriebsstrategie einfließen. Zudem ermöglicht die Echtzeit-Anbindung neue Funktionen wie das Routen des Fahrzeugs zu freien Ladestationen.
Ferner lassen sich sicherheitskritische Fahrerassistenz-Funktionen mit dem Energiemanagement verknüpfen und so deren Verfügbarkeit erhöhen. Das Energiemanagement 3.0 erlaubt zudem das extern gesteuerte Laden und leistet dadurch einen Beitrag zu intelligentem Last- und Energiemanagement in Gebäuden (Smart Buildings), Ladetankstellen und Verteilnetzen (Smart Grids).
Was das Energiemanagement 4.0 anders machen wird
Eine weitere Evolutionsstufe erreichen Elektrofahrzeuge etwa ab Mitte dieses Jahrzehnts. Das Energiemanagement 4.0 unterscheidet sich von aktuellen Lösungen wesentlich durch eine Mustererkennung, die eine permanent aktualisierte Reichweitenberechnung im Sinne eines „elektrischen Horizonts“ ermöglicht. Dafür kommen nicht nur die in einem digitalen Zwilling des Fahrzeugs gespeicherten historischen Betriebs- und Nutzungsdaten, sondern auch weitere externe Datenquellen, etwa Kalender, Verkehrs- und Wetterdaten, zum Einsatz. So wird nicht nur ein prädiktives Energiemanagement an Bord des Fahrzeugs, sondern auch eine prädiktive Ladestrategie möglich, die beispielsweise die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie – über Preissignale und das Ladeleistungsspektrum des Energieversorgers – mit dem individuellen Fahrverhalten verknüpft.
Die Datenauswertung mit Hilfe lernender Algorithmen erfolgt aufgrund der erforderlichen Rechenleistung ausschließlich auf den Backend-Servern. Eine solche Einbettung des Fahrzeug-Energiemanagements in die Energienetze bietet nicht nur erheblichen Nutzen für die Stabilität der Energieversorgung, sondern auch für den einzelnen Nutzer, da dieser sich weniger denn je um das Laden kümmern muss und beim Laden Zeit und Geld einsparen kann. Zu berücksichtigen ist unter dem Aspekt der Energieeffizienz allerdings, dass auch Datenauswertung und Datentransport zu Stromverbrauch führen, der der Einsparung im Fahrzeugbetrieb gegenübergestellt werden sollte.
Ein bedeutender Unterschied zwischen dem Energiemanagement der dritten und der vierten Generation liegt darin, wie die Steuerung der Betriebsgrenzen des Akkus als werthaltigstem Teilsystem eines Elektrofahrzeugs geschieht: Während in der dritten Generation diese Grenzen markt- und modellspezifisch für eine Flotte festgelegt und gegebenenfalls per Software-Update auch erneuert werden, berücksichtigt die vierte Generation den tatsächlichen Zustand der Batteriezellen in jedem einzelnen Fahrzeug. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil die Batteriezellen zwar spezifiziert sind, ihr Langzeitverhalten aber von den Zellproduzenten nicht immer vollständig offengelegt wird und daher nur schwer modellierbar ist.
Schwerpunkte EE- und Software-Architektur
Es ist offensichtlich, dass eine so weitreichende Vernetzung des Fahrzeugs, seiner Komponenten und seiner Umwelt nur mit einem umfassenden „Energy End-to-End“-Systemansatz in der Elektronikentwicklung zu entwickeln ist – E4.
Grundsätzlich ist die Software für das von EDAG entwickelte Energiemanagement auf jedem Steuergerät zu applizieren. Es ist Autosar-kompatibel, mithin also auch in einer klassischen EE-Architektur zu implementieren, sollte allerdings nicht verteilt, sondern auf einem Steuergerät zusammengefasst werden. Bei neuen Antriebsarchitekturen für Elektrofahrzeuge ist durchgängig ein Trend zu leistungsstarken Domänenrechnern zu beobachten und für die nächste Generation E-Fahrzeuge sind sogar zentrale Hochleistungsrechner in der Diskussion. Wird das Energiemanagement als grundlegend für alle anderen Fahrzeugfunktionen betrachtet, ist eine Einbettung in eine Zentralarchitektur vorteilhaft, um zusätzliche Schnittstellen und Performanceverluste zu vermeiden.
Die Software-Architektur des Energiemanagements ist mit den Standards Autosar Classic und Autosar Adaptive kompatibel. Die einzelnen Funktionen sind über die zugrundeliegende Logik klar strukturiert, was eine Skalierbarkeit erleichtert und die Ergänzung um neue Funktionsbausteine im Rahmen von Updates nach Produktionsstart erleichtert.
Warum das Fehlermanagement so wichtig ist
Die Betriebsstrategie ist aufgrund ihrer Auswirkung auf die Lebensdauer des Akkus ohnehin von hoher Bedeutung. Besondere Aufmerksamkeit verlangt das Fehlermanagement, da ein einfaches Abschalten nach detektierten Fehlern in vielen Fahrsituationen sicherheitsbedingt nicht möglich ist. Ein solcher Fehler kann in einem stark vernetzten Energiemanagement der dritten oder vierten Generation auch schlicht darin bestehen, dass aus der Cloud erwartete Daten nicht eintreffen. Für viele Fehlerarten sind daher Notlaufeigenschaften zu definieren, die innerhalb eines definierten Zeitfensters zu aktivieren sind. Physikalisch ist ein solcher Notlauf, beispielsweise über reduzierte Ströme und damit geringere Leistung, mit einem Elektroantrieb einfacher darzustellen als mit einem Verbrennungsmotor.
Die Vielfalt möglicher Systemantworten nimmt jedoch zu und muss für jeden Fall einzeln definiert werden. Das gilt nicht nur für das Systemverhalten, sondern auch für die Kommunikation an den Fahrer, der nicht mehr nur eine Motor-Warnleuchte im Display sieht, sondern beispielsweise einen Texthinweis über die maximal zurückzulegende Strecke erhält. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit automatisierter Fahrfunktionen wird der Parameterraum noch größer.
Schwerpunkte EE- und Software-Architektur
Es ist offensichtlich, dass eine so weitreichende Vernetzung des Fahrzeugs, seiner Komponenten und seiner Umwelt nur mit einem umfassenden „Energy End-to-End“-Systemansatz in der Elektronikentwicklung zu entwickeln ist – E4.
Grundsätzlich ist die Software für das von EDAG entwickelte Energiemanagement auf jedem Steuergerät zu applizieren. Es ist Autosar-kompatibel, mithin also auch in einer klassischen EE-Architektur zu implementieren, sollte allerdings nicht verteilt, sondern auf einem Steuergerät zusammengefasst werden. Bei neuen Antriebsarchitekturen für Elektrofahrzeuge ist durchgängig ein Trend zu leistungsstarken Domänenrechnern zu beobachten und für die nächste Generation E-Fahrzeuge sind sogar zentrale Hochleistungsrechner in der Diskussion. Wird das Energiemanagement als grundlegend für alle anderen Fahrzeugfunktionen betrachtet, ist eine Einbettung in eine Zentralarchitektur vorteilhaft, um zusätzliche Schnittstellen und Performanceverluste zu vermeiden.
Die Software-Architektur des Energiemanagements ist mit den Standards Autosar Classic und Autosar Adaptive kompatibel. Die einzelnen Funktionen sind über die zugrundeliegende Logik klar strukturiert, was eine Skalierbarkeit erleichtert und die Ergänzung um neue Funktionsbausteine im Rahmen von Updates nach Produktionsstart erleichtert.
E-Mobility: Laden
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Warum das Fehlermanagement so wichtig ist
Die Betriebsstrategie ist aufgrund ihrer Auswirkung auf die Lebensdauer des Akkus ohnehin von hoher Bedeutung. Besondere Aufmerksamkeit verlangt das Fehlermanagement, da ein einfaches Abschalten nach detektierten Fehlern in vielen Fahrsituationen sicherheitsbedingt nicht möglich ist. Ein solcher Fehler kann in einem stark vernetzten Energiemanagement der dritten oder vierten Generation auch schlicht darin bestehen, dass aus der Cloud erwartete Daten nicht eintreffen. Für viele Fehlerarten sind daher Notlaufeigenschaften zu definieren, die innerhalb eines definierten Zeitfensters zu aktivieren sind. Physikalisch ist ein solcher Notlauf, beispielsweise über reduzierte Ströme und damit geringere Leistung, mit einem Elektroantrieb einfacher darzustellen als mit einem Verbrennungsmotor.
Die Vielfalt möglicher Systemantworten nimmt jedoch zu und muss für jeden Fall einzeln definiert werden. Das gilt nicht nur für das Systemverhalten, sondern auch für die Kommunikation an den Fahrer, der nicht mehr nur eine Motor-Warnleuchte im Display sieht, sondern beispielsweise einen Texthinweis über die maximal zurückzulegende Strecke erhält. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit automatisierter Fahrfunktionen wird der Parameterraum noch größer.
Was bei der Batterieentwicklung zu beachten ist
Ein durchgängiges Energiemanagement beginnt in der einzelnen Batteriezelle. So bestimmen die thermischen Verlustleistungen bei hohen Lasten beziehungsweise während des Schnelladens die Systemgrenzen von Hochleistungs-Elektrofahrzeugen. Dem lässt sich einerseits durch eine geeignete Auslegung des Kühlsystems auf Modulebene entgegenwirken. Beispielsweise erlaubt eine Kombination aus Kühlmänteln für Rundzellen und die gezielte Kühlung der elektrischen Anschlüsse (Terminalkühlung) hohe spezifische Leistungen bei nur geringfügig verminderter Energiedichte (Bild 3).
Andererseits ist der Aufbau eines digitalen Zwillings der Batteriezellen, basierend auf bei EDAG durchgeführten Messreihen, eine Voraussetzung, um mit einem Energiemanagement 4.0 die Aufnahme oder Abgabe hoher Ströme alterungsabhängig zu gestalten. Auf diesem Weg ist es möglich, sichere und lebensdauerbeständige Batteriesysteme mit hoher Leistungsdichte aufzubauen. Beispielhaft zeigt Bild 4 ein System mit einer Kapazität von 22 kWh und einer Spitzenleistung von 168 kW (10 s), welches sowohl hinsichtlich Kapazität und als auch Leistung skalierbar ist. So lassen sich die Einheiten beispielweise zu einem 90-kWh-System zusammenschalten werden und erreichen dann eine Spitzenleistung von 525 kW bei einem moderaten Gewicht von 450 kg.
Diese Disziplinen braucht es für eine erfolgreiche Entwicklung von Energiemanagementsystemen
Die Entwicklung der Energiemanagementsysteme der zweiten und auch der dritten Generation geschieht heute wesentlich innerhalb der klassischen Strukturen der Fahrzeughersteller. Die Verantwortung für das Energiemanagement liegt mithin innerhalb der Antriebsentwicklung. Wird die Energiespeicherung und -wandlung jedoch als wesentliche Funktion eines Systems für individuelle Mobilität betrachtet, liegt nahe, das Energiemanagement als Querschnittsfunktion über alle Abteilungsgrenzen hinweg zu organisieren, also Software, Hardware und Mechanik gleichermaßen einzubeziehen.
Bereits ab der dritten Evolutionsstufe tangiert das Energiemanagement zahlreiche Entwicklungsaufgaben, die jenseits der Antriebsentwicklung liegen. Diese Aufgaben reichen von der Hardware-Entwicklung für Embedded-Systeme über die Aspekte der funktionalen Absicherung und der Cybersicherheit bin hin zur Einbindung in Mobilitätsdienstleistungen. Nicht zuletzt sind mit der Arbeit an einem daten- und softwarebasierten Energiemanagement zahlreiche herstellerübergreifende Standardisierungsaufgaben verbunden. Unabhängig von der konkreten Organisationsstruktur eines Fahrzeugherstellers setzt EDAG daher auf interdisziplinäre Zusammenarbeit bereits in frühen Entwicklungsphasen.
Autor
Benjamin Mangold ist Manager Electric Drive and Energy Systems bei EDAG
Schwerpunktthema: E-Mobility
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