Bild 1: Immer mehr Stromversorger, Automobilhersteller und Mineralölkonzerne verwandeln den Industriezweig der Elektromobilität in ein großes Netzwerk aus vielen Ökosystemen.

Bild 1: Immer mehr Stromversorger, Automobilhersteller und Mineralölkonzerne verwandeln den Industriezweig der Elektromobilität in ein großes Netzwerk aus vielen Ökosystemen. (Bild: Pixabay)

Die Elektromobilität hat mit neuen Technologien und zunehmender Verbreitung gerade erst auf die Überholspur gewechselt, um zukünftig als aktive Teilnehmerin eines intelligenten Stromnetzes ihr volles Potenzial zu entfalten. Seit den ersten zaghaften Anfängen hat sich viel getan: Standen in der ersten Generation zunächst Ladekomponenten nur in überschaubarer Zahl zur Verfügung, konnte das gesamte Ökosystem der Ladeinfrastruktur in den letzten Jahren eine immense Verbreitung vermelden – von einzelnen Bestandteilen wie Ladekabeln und Steckern über ein engmaschiges Netz an Ladestationen bis zu Software-Lösungen.

Komplettiert wurde diese zweite Generation an EVSE (Electric-Vehicle Supply Equipment) durch den Einstieg von Energieversorgern in die stark wachsende Elektrofahrzeugindustrie und den damit verbundenen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mit ihrem Einsatz wurden Ladesysteme intelligent, konnten aktiv am Smart Grid teilnehmen und boten Versorgungsunternehmen erweiterte Möglichkeiten der Steuerung, beispielsweise im Lastmanagement oder bei der Kommunikation von Preistarifen.

Während die Erfolge von EVSE 2.0 die Elektromobilität mit dem intelligenten Stromnetz verbinden konnten, erleben wir – mit dem verstärkten Engagement der Fahrzeughersteller – bereits den Sprung zu EVSE 3.0. Eine Entwicklung, die für die Verbreitung und den technologischen Fortschritt der Elektromobilität entscheidend sein wird. Sie trägt dazu bei, eine Vielzahl neuer Akteure in den Markt zu bringen, Ökosysteme zu erweitern und die Zusammenarbeit zwischen Dienstleistern und Anbietern aus der freien Wirtschaft zu stärken.

Bild 2. Die Open Vehicle Grid Integration Platform verbindet Elektrofahrzeuge mit dem intelligenten Stromnetz.
Bild 2. Die Open Vehicle Grid Integration Platform verbindet Elektrofahrzeuge mit dem intelligenten Stromnetz. (Bild: OpenADR)

Die neue Rolle der Automobilhersteller im Ökosystem der E-Mobilität

Die Automobilhersteller spielen im stark wachsenden Ökosystem der Elektromobilität auch außerhalb ihrer Kerngeschäfte eine Schlüsselrolle – vor allem, weil sie immer öfter Start-ups übernehmen oder Tochterfirmen gründen, um Ladestationen selbstständig zu betreiben. Ein Grund dafür ist, dass eine wachsende Zahl an Fahrzeugherstellern sich und ihre Kunden als aktive Teilnehmer an der Entwicklung der elektrifizierten Infrastruktur und am Ausbau des Smart Grid sehen. Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist dabei eine wirtschaftliche Motivation. So hat beispielsweise Ford den Lademanagement-Anbieter Electriphi übernommen, der nun unter dem Dach von Ford Pro agiert und sich auf den gewerblichen Flottenmarkt konzentriert.

Aber egal, ob es sich um eine private oder gewerbliche Nutzung handelt, eine sehr viel engere Zusammenarbeit zwischen OEMs und Energieversorgern ist längst unerlässlich geworden. Zum einen, weil sie gemeinsam Strategien entwickeln müssen, um der Belastung des Stromnetzes entgegenzuwirken. Zum anderen führen engere Kooperationen auch dazu, Ladevorgänge und Schnittstellen zu optimieren.

Vor einigen Jahren haben OEMs in Zusammenarbeit mit dem Electric Power Research Institute zu diesem Zweck die Open Vehicle Grid Interface Platform (OVGIP) entwickelt [1]. Deren Ziel ist es, Schnittstellen zwischen Automobilherstellern und Energieversorgern sowie eine auf Standards basierende Architektur vollständig zu definieren. Darüber hinaus unterstützen viele Automobilhersteller eine langjährige Standardisierungsinitiative der Automobilindustrie, die Connected Vehicle Systems Alliance (Covesa) [2]. Ziele dieses Standards sind die Integration von Betriebssystemen und Middleware in vernetzte Fahrzeuge sowie damit verbundene Cloud-Dienste. Lag der Schwerpunkt ursprünglich noch auf integrierten Systemen, konzentriert sich die Allianz mittlerweile auf die Entwicklung offener Standards und Technologien, um Fortschritte bei vernetzten Fahrzeugsystemen zu beschleunigen. Dies soll künftig zu einem vielfältigeren, nachhaltigeren und integrierten Mobilitäts-Ökosystem führen. Um die dabei angestrebte Flexibilität für Fahrzeugbesitzer und -anbieter noch einfacher zur Verfügung zu stellen, schlagen Akteure wie die OpenADR Alliance die Definition einer eigenen Schnittstelle vor.

Energieversorgung dezentralisieren

In ihrer zentralen Rolle befasst sich die OVGIP ebenfalls mit den Bestrebungen der Automobilindustrie, Fahrzeuge einzeln oder in Flotten als dezentrale Batteriespeicher zu nutzen, die als zusätzliche Ressourcen für das Smart Grid dienen können – bekannt als Vehicle-to-Grid (V2G). Im Zuge dieser Bemühungen kommen immer mehr Fahrzeuge auf den Markt, die dank leistungsstarker Batterien in der Lage sind, übergangsweise ganze Haushalte mit Strom zu versorgen. Diese Entwicklung ist den Versorgungsunternehmen nicht entgangen. Sie haben umfangreiche dezentrale Ressourcen aufgebaut und werden diesen Bestand in den nächsten zehn Jahren noch erheblich ausbauen. Viele Energieversorger erweitern aber auch schon heute ihre Geschäftsmodelle, indem sie mehr und mehr Elektrofahrzeuge in ihr Portfolio aufnehmen. Beispiele für diese neue Ausrichtung sind etwa Centrica, Eigentümer des E-Ladeunternehmens Driivz, und Enel X, ein Tochterunternehmen des italienischen Energieversorgers Enel, das als Eigentümer des Ladepioniers eMotorWerks fungiert. Dabei entstehen unter anderem innovative Modelle, wie der Energieversorger AES zeigt: Das Unternehmen gründete mit der Tochterfirma Motor einen Ableger, der ein monatliches Abonnement für Elektroautos anbietet.

Schwerpunktthema: E-Mobility

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(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.

Ladekorridore als Game Changer der Ladeinfrastruktur

Ein weiterer Trend – und ein neues Geschäftsmodell – auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge ist der Bau von Ladekorridoren. Sie sollen das zuverlässige Laden auf Langstrecken gewährleisten. Unternehmen wie Tesla und Electrify America verfügten als Vorreiter in den USA und als erste Anbieter über eigene Netzwerke. In Deutschland hat das Mineralölunternehmen Aral den ersten Ladekorridor für E-Lkw eröffnet. Kein Einzelfall, denn auch andere Ölkonzerne wie Shell oder BP haben in die Elektromobilität investiert und Anbieter wie Greenlots und Amply Power übernommen. Beispiele wie diese zeigen, dass das gesamte Ökosystem der Automobilindustrie zunehmend in die Elektrifizierung involviert ist.

Fazit: Vernetzte Netzwerke

Das auf diese Weise entstehende Netz aus Netzwerken treibt mit Innovationen und neuen Technologien zum einen den Ausbau der Ladeinfrastruktur an, zum anderen profitieren Kunden und Unternehmen von neuen Geschäftsmodellen und einem größeren Angebot. Angesichts der Umstellung der großen Automobilhersteller auf Elektrofahrzeuge und der wachsenden Nachfrage ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure darüber hinaus eine wichtige Voraussetzung, um eine nachhaltige Verkehrswende zu erreichen. (laa)

Rolf Bienert

Managing und Technical Director bei der OpenADR Alliance

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