Illustration zum chinesischen Exportstopp seltener Erden im April 2025, zeigt unterbrochene Lieferkette zwischen China und deutscher Industrie mit Symbolen für kritische Metalle

China dreht den Rohstoff-Hahn zu, zumindest ein wenig: Der Exportstopp strategischer Seltenerdmetalle im April 2025 trifft auch deutsche Schlüsselindustrien. Warum Dysprosium, Terbium & Co. plötzlich geopolitisch brisant sind – und was das für E-Mobilität, Windkraft und Hightech bedeutet. (Bild: OpenAI)

Ich weiß noch genau, wie ich im Vortrag von Michael Schmidt auf dem Green Electronics Forum saß. Der Senior Analyst bei der Deutschen Rohstoffagentur sprach unaufgeregt über ein ernstes Thema. Trotzdem gelang es ihm, ein Schreckensszenario an die Wand zu malen, das mich zum Nachdenken brachte. Einer seiner Kernsätze, die bei mir hängen geblieben sind: "Wenn China den Hahn zudreht, stehen die OEMs in Deutschland still." Dabei ging es (auch) um seltene Erden.

Nun ist zumindest ein Teil seiner Dystopie in Erfüllung gegangen – denn: Seit Anfang April 2025 gelten in China neue Ausfuhrregelungen für eine Auswahl seltener Erden und ihrer Weiterverarbeitungsprodukte. Peking kündigte diese Exportbeschränkungen als Reaktion auf die massiven US-Strafzölle an. Dies betrifft sieben strategisch besonders relevante Seltenerdmetalle und daraus gefertigte Hochleistungsmagnete an. Offiziell richtet sich die Maßnahme gegen Washington – faktisch aber trifft sie Lieferketten weltweit. Auch Deutschland spürt die Auswirkungen bereits. Die Exportlizenzen sind auf Eis gelegt, die Lager fangen an zu knirschen – und die Industrie blickt mit wachsender Nervosität auf das Reich der Mitte.

Die betroffenen Elemente im Überblick – und wofür sie gebraucht werden

Chinas Auswahl fiel gezielt auf sogenannte „schwere“ Seltene Erden. Diese sind besonders schwierig zu extrahieren, haben meist eine geringe natürliche Verfügbarkeit und sind nahezu ausschließlich in China verfügbar. Ihre Anwendungsbereiche sind so vielfältig wie systemrelevant:

  • Samarium (Sm): Einsatz in Hochtemperaturmagneten für die Luftfahrt, Windkraft, Militärtechnik; zusätzlich in Leuchtmitteln und als Absorber in Kernreaktoren.
  • Gadolinium (Gd): In der Medizintechnik für MRT-Kontrastmittel, in Reaktoren zur Neutronenabsorption, in magneto-optischen Speicherplatten.
  • Terbium (Tb): Unverzichtbar für grüne Leuchtstoffe in LEDs und Displays, magnetische Sensoren, Festplatten.
  • Dysprosium (Dy): Dient der thermischen Stabilisierung von Magneten – essenziell in E-Motoren, auch in der Militärtechnik etwa in Kampfjets, Radarsystemen, Raketenlenkungen und Drohnen. Beispielsweise stecken in einem F-35-Kampfjet nach Angaben des Center for Strategic & International Studies (CSIS) über 408 Kilogramm Seltener Erden – darunter ein erheblicher Anteil Dysprosium in den Motoren und Sensoren.
  • Lutetium (Lu): Hochspezialisiert – in der Nuklearmedizin für PET-Scanner und in bestimmten Krebstherapien.
  • Scandium (Sc): Leichtbaulegierungen in der Luftfahrt und Sportindustrie, Katalysatoren, Brennstoffzellen.
  • Yttrium (Y): Roter Leuchtstoff für Displays, Keramikzusatz zur Festigkeitserhöhung, Mikrowellenfilter, Superlegierungen.

Die damit verbundenen Magnete – etwa Samarium-Kobalt- oder Neodym-Eisen-Bor-Magnete mit Dysprosium – sind elementar für eine Vielzahl industrieller Anwendungen. Chinas Exportstopp trifft also nicht nur Rohstoffe, sondern auch veredelte Produkte.

Grafik zeigt Anteile kritischer Materialien wie Seltene Erden, Magnesium und Lithium, die Europa im Jahr 2024 aus China bezieht
Europa ist 2024 stark von China abhängig bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen für Hightech und Energiewende. (Bild: European Commision, Bloomberg – Adobe Stock: Best, prapatsorn, helfei, MrHamster, M.Dörr & M.Frommherz, Vikarest, aicandy, Björn Wylezich, Lyudmila Finkel, Jana Schönknecht, sciencephoto, kachanovski)

Seltene Erden – nicht selten, aber schwer zu ersetzen

Trotz ihres Namens sind Seltene Erden weder „selten“ noch „erden“. Es handelt sich um eine Gruppe von insgesamt 17 Metallen (15 Lanthanoide plus Scandium und Yttrium), die zwar in der Erdkruste häufig vorkommen, jedoch nur in geringen Konzentrationen und selten in abbauwürdigen Lagerstätten.

Ihre besondere Bedeutung verdanken sie ihren einzigartigen physikalischen und chemischen Eigenschaften. Sie sind magnetisch, optisch aktiv, thermisch stabil, chemisch reaktiv – kurzum: Sie sind das Schweizer Taschenmesser der modernen Werkstofftechnik.

Sie spielen eine wichtige Rolle in einer Vielzahl von elektronischen Anwendungen: In einem Smartphone beispielsweise stecken bis zu zehn verschiedene Seltenerdmetalle. Ohne sie gäbe es weder starke Magnetmotoren in E-Autos, noch helle Displays, effiziente Windkraftgeneratoren oder hochauflösende MRT-Bilder.

Deutschlands Industrie: Hoch technologisch, hoch abhängig

Deutschland ist wie kaum ein anderes Land auf funktionierende globale Lieferketten angewiesen. Zwar gibt es kleinere Recyclingstrukturen und gelegentliche Entdeckungen potenzieller Lagerstätten – doch der Löwenanteil der verwendeten Seltenerdmetalle stammt aus China. Genauer: rund zwei Drittel aller deutschen Importe, bei einzelnen Metallen wie Scandium oder Yttrium liegt die Quote bei nahezu 100 %.

Besonders betroffen sind:

  • Automobilindustrie: Elektromotoren, Sensorik, Katalysatoren – ohne Seltene Erden stottert die grüne Mobilität.
  • Windenergie: Magnete in Generatoren enthalten Neodym und Dysprosium.
  • Halbleiterindustrie: Feine Prozesse, große Wirkung – viele Additive stammen aus der Seltenerdfamilie.
  • Medizin- und Messtechnik: Ohne Gadolinium keine hochauflösenden MRTs, ohne Lutetium keine PET.
  • Rüstung und Raumfahrt: Hochpräzise Optiken, Navigationssysteme, Drohnen- und Raketensteuerung – militärisch wie zivil.

Kurzfristig können noch Lagerbestände abgefedert werden, mittelfristig aber drohen Lieferstopps, Produktionsengpässe und – ganz pragmatisch – steigende Preise. Schon jetzt kostet Dysprosiumoxid auf dem Weltmarkt außerhalb Chinas bis zu 300 $ pro Kilogramm – Tendenz: aufwärts.

China handelt strategisch – und Deutschland gerät in Zugzwang

Dass Peking seine Maßnahmen nicht zufällig auf bestimmte Metalle beschränkt hat, zeigt der Fokus auf sogenannte „Dual-Use“-Elemente. Die Kombination aus ziviler und militärischer Relevanz verleiht diesen Rohstoffen geopolitisches Gewicht.

Gleichzeitig erinnert die Maßnahme an frühere Vorfälle – etwa 2010, als China im Konflikt mit Japan kurzfristig die Lieferungen einstellte. Auch damals führte das zu globalen Preissteigerungen und einem Nachdenken über Versorgungssicherheit. Heute ist die Lage komplexer – die Nachfrage höher, der politische Druck stärker.

Update vom 29.4.2025: Industrie schlägt Alarm: Versorgungssicherheit gefährdet

Die deutschen Industrien sind alarmiert. „Die aktuellen Exportkontrollen Chinas bei Seltenen Erden gefährden die Versorgungssicherheit der Elektro- und Digitalindustrie“, warnt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Ohne einen freien und verlässlichen Zugang zu diesen strategischen Rohstoffen seien Innovation, Klimaschutz und wirtschaftliche Resilienz massiv bedroht.

Der ZVEI fordert daher von der Bundesregierung und der EU-Kommission, rasch eine Einigung mit China zu erzielen, um einen ununterbrochenen Zugang zu gewährleisten. Gleichzeitig müsse Europa seine Rohstoffabhängigkeit dringend reduzieren. Schon 2011 habe es ähnliche Engpässe gegeben – unter den aktuellen geopolitischen Spannungen sei der Handlungsdruck jedoch weitaus größer. „Europa muss sich resilienter aufstellen“, mahnt Weber.

Tatsächlich zeigt der Blick auf die bisherigen Initiativen wie den Critical Raw Materials Act oder den Rohstofffonds der KfW: Erste Schritte sind gemacht – aber noch längst nicht ausreichend, um die neue Realität abzufedern.

Was tut Europa – und was kann Deutschland selbst tun?

Die EU hat bereits 2024 mit dem „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) die Grundlage für eine strategische Rohstoffpolitik gelegt:

  • 10 % Eigenförderung innerhalb der EU
  • 40 % Weiterverarbeitung in Europa
  • 25 % Recyclinganteil
  • max. 65 % Abhängigkeit von einem Lieferland

Deutschland geht mit dem Rohstofffonds der KfW noch einen Schritt weiter: Eine Milliarde Euro steht bereit, um durch Beteiligungen an Explorations- und Aufbereitungsprojekten die Abhängigkeit zu verringern. Die Genehmigungsverfahren für heimischen Abbau sollen vereinfacht, die Wirtschaft gezielt gefördert werden.

Hinzu kommen neue Handelsabkommen (z. B. mit Australien, Vietnam, Kanada) und Forschungsprojekte zur Rohstoffrückgewinnung – etwa durch Biolaugung aus Elektronikschrott oder das EU-Projekt SUSMAGPRO zur Rückgewinnung von Dauermagneten.

Es wird eng – aber nicht aussichtslos

Der chinesische Exportstopp ist ein Warnschuss – kein Weltuntergang. Aber er zwingt Deutschland und Europa zum Umdenken. Die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten bei kritischen Rohstoffen ist ein strategisches Risiko, das nicht länger ignoriert werden kann.

Der Aufbau resilienter Lieferketten, Investitionen in Recyclingtechnologien und die Rückverlagerung ausgewählter Verarbeitungsprozesse sind keine Option mehr – sie sind Notwendigkeit. Wer in Zukunft mitreden will bei grünem Wachstum, Digitalisierung und technologischer Souveränität, muss sich heute unabhängiger machen.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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