Nachhaltigkeit oder Wettbewerbsverlust – diese Frage stellt sich der Elektronikbranche heute dringlicher denn je. Beim Green Electronics 2025 wurde klar: Ohne Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und Rohstoffsicherung hat die Industrie kaum Zukunft.

kolb Cleaning Technology, MTM Ruhrzinn, Stannol und Stego Elektrotechnik luden am 12. und 13. Februar ein, um beim Technologieforum Green Electronics über nachhaltige Elektronik zu sprechen. Beginnend bei der Leiterplatte bis zur Planung der Rohstoffstrategie.
Die schwarzen Punkte im Programm sind übrigens Samen, die nach der Veranstaltung im Sinne der Nachhaltigkeit ausgesät werden können. (Bild: Martin Large / Redaktion all-electronics.de)

Am 12. und 13. Februar 2025 stand Düsseldorf im Zeichen nachhaltiger Elektronikproduktion. Das 2. Technologieforum Green Electronics 2025, organisiert von kolb Cleaning Technology, MTM Ruhrzinn, Stannol und Stego Elektrotechnik, brachte nach gelungener Premiere 2023 Experten aus Wissenschaft, Industrie und Politik zusammen, um Entwicklungen in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und Rohstoffstrategie zu beleuchten.

Die Veranstaltung fand in der historischen Seifenfabrik Dr. Thompson's statt und bot neben hochkarätigen Vorträgen zahlreiche Gelegenheiten zum Networking. Bereits am Vorabend hatten die Teilnehmer bei einer Altbiertour und einem entspannten Get-together die Möglichkeit, erste Kontakte zu knüpfen.

Im Mittelpunkt der Konferenz stand das große Bild der Nachhaltigkeit: die wirtschaftlichen Chancen nachhaltiger Unternehmensführung, die Rolle der Digitalisierung für eine ressourcenschonende Produktion, die strategische Bedeutung der Kreislaufwirtschaft sowie die zukünftige Rohstoffversorgung. Zudem gab es Analysen zur Nachhaltigkeit in der EMS-Branche.

Dabei zeigte die Veranstaltung eins deutlich: Nachhaltigkeit ist längst kein reines Umweltthema mehr, sondern ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für die gesamte Branche.

Hier haben wir die Vorträge zusammengefasst:

Erfolgsfaktor Nachhaltigkeitsmanagement – (Wann) lohnt sich Nachhaltigkeit auch einzelwirtschaftlich?

Prof. Dr. Rüdiger Hahn | Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Professor Hahn zeigte in seiner Keynote, dass nachhaltiges Wirtschaften nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Anhand aktueller Studien belegte er, dass Unternehmen mit einer kontinuierlichen Verbesserung ihrer Umweltleistung langfristig wirtschaftliche Vorteile erzielen. Dabei betonte er, dass zum Beispiel auch das Weltwirtschaftsforum (WEF) das Thema langfristig auf die Agenda gesetzt habe, obwohl dieses kaum im Verdacht stehe, „links-grün versifft“ zu sein. Nachhaltige Unternehmen profitieren von geringerem Risiko durch regulatorische Vorgaben, einer stärkeren Markenreputation und höherer Mitarbeitermotivation. Doch er verwies auch auf die Herausforderungen: Investitionen in Nachhaltigkeit erfordern einen langen Atem und müssen strategisch geplant sein, um sich finanziell auszuzahlen. Besonders wichtig sei, Nachhaltigkeit nicht nur als Kostenfaktor, sondern als Wachstumstreiber zu begreifen.

Er sagte...

  • „Die größten Risiken für Unternehmen sind nicht die Kosten der Nachhaltigkeit, sondern die Folgen, wenn sie ignoriert wird.“
  • „Die betriebswirtschaftliche Logik der Nachhaltigkeit ist eindeutig: Sie verbessert Performance und Resilienz.“
  • „Nachhaltigkeit ist längst kein Kostenfaktor mehr – sie ist ein Innovationstreiber und ein Wettbewerbsvorteil.“
Prof. Dr. Rüdiger Hahn | Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bei seinem Vortrag Erfolgsfaktor Nachhaltigkeitsmanagement – (Wann) lohnt sich Nachhaltigkeit auch einzelwirtschaftlich? beim Green Electronics 2025 in Düsseldorf.
„Nachhaltigkeit ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit.“ (Bild: Petra Gottwald / Redaktion all-electronics)
Johannes Röck | Siemens AG bei seinem Vortrag Wie Siemens mit Digitalisierungstechnologie die Nachhaltigkeit erhöht auf dem Green Electronics 2025
„Die nachhaltigste Ressource ist die, die wir gar nicht erst verbrauchen.“ (Bild: Petra Gottwald / Redaktion all-electronics)

Wie Siemens mit Digitalisierungstechnologie die Nachhaltigkeit erhöht

Johannes Röck | Siemens AG

Siemens nutzt digitale Technologien, um Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette zu optimieren. Röck präsentierte Beispiele aus der Produktion, die zeigen, dass Digitalisierung nicht nur Effizienz steigert, sondern auch Ressourcen einspart. Ein zentrales Konzept ist der digitale Zwilling, mit dem sich Prozesse in einer virtuellen Umgebung testen und verbessern lassen. Siemens selbst setzt auf eine plattformbasierte Zusammenarbeit mit Lieferanten, um CO₂-Fußabdrücke transparent zu erfassen und gezielt zu reduzieren. Röck unterstrich, dass präzise Daten der Schlüssel sind: Nur was messbar ist, kann nachhaltig optimiert werden.

Er sagte...

  • „Der digitale Zwilling ist der Schlüssel zur nachhaltigen Produktion – wir testen Optimierungen, bevor sie real Ressourcen verbrauchen.“
  • „Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze – sie verstärken sich gegenseitig.“
  • „Wir müssen nicht nur Produkte nachhaltiger machen, sondern auch die Prozesse dahinter.“

Circular Valley Convention: Die Plattform für industrielle Kreislaufwirtschaft

Logo Circular Valley Convention

Die Circular Valley Convention, organisiert von der Messe Düsseldorf in Zusammenarbeit mit der Circular Valley Stiftung und dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht, findet vom 12. bis 13. März 2025 im Areal Böhler in Düsseldorf statt.

Die internationale Veranstaltung vereint Entscheidungsträger aus Industrie, Start-ups, Forschung, Politik und Gesellschaft, um Lösungen und Geschäftsmodelle für eine nachhaltige Zukunft zu präsentieren. Die Convention umfasst Konferenzen, eine Expo, Events und bietet Raum für Wissensaustausch und Networking.

Ein besonderer Fokus liegt auf elektronischen Produkten: Smartphones, Tablets oder Fahrzeugkomponenten werden oft rasch ersetzt und verursachen hohe Abfallmengen. Vorträge, Best-Practice-Beispiele sowie eine Ausstellung zeigen beispielsweise, wie sich durch langlebiges Design, modulare Bauweisen und Rücknahmesysteme der Elektroschrott verringern lassen könnte.  

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Prof. Dr. Markus Glück | Hochschule Aalen, bei seinem VOrtrag Engineering für eine lebenswerte Welt – Neuausrichtung eines Studiengangs beim Green Electronics 2025
„Zukunftsfähige Ingenieure denken nicht nur in Effizienzsteigerung, sondern in Kreisläufen.“ (Bild: Petra Gottwald / Redaktion all-electronics)

Engineering. Für eine lebenswerte Welt – Neuausrichtung eines Studiengangs

Prof. Dr. Markus Glück | Hochschule Aalen

Professor Glück sprach über die Verantwortung von Ingenieuren, nachhaltige Technologien zu entwickeln. Die Elektronikindustrie trägt mit 1,4 % der weltweiten CO₂-Emissionen eine ähnlich hohe Belastung wie der Flugverkehr. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, hat sich sein Studiengang an der Hochschule Aalen neu aufgestellt. Ziel ist es, mehr junge Talente für Technikberufe zu begeistern – insbesondere Frauen. Die Ausbildung wurde um Nachhaltigkeitsthemen, interdisziplinäre Projekte und eine stärkere Unternehmenskooperation erweitert. Glück betonte, dass Technik nicht nur funktional, sondern auch gesellschaftlich relevant sein muss. Nur durch ein Umdenken in der Ausbildung können langfristig nachhaltige Innovationen entstehen.

Er sagte...

  • „Technologie allein macht die Welt nicht nachhaltiger – wir brauchen Ingenieure, die Verantwortung übernehmen.“
  • „Nachhaltigkeit ist kein Fachgebiet – sie muss integraler Bestandteil technischer Ausbildung werden.“
  • „Wir müssen junge Talente gewinnen, um die Nachhaltigkeit von morgen zu gestalten.“
Kilian Schweiger | Verband deutscher Metallhändler & Recycler e. V. bei seinem Vortrag Kreislaufwirtschaft als Powerplay um die Kontrolle von Stoffströmen beim Green Electronics 2025
„Wir können es uns nicht mehr leisten, wertvolle Rohstoffe einfach zu verbrennen oder zu deponieren.“ (Bild: Petra Gottwald / Redaktion all-electronics)

Kreislaufwirtschaft als Powerplay um die Kontrolle von Stoffströmen

Kilian Schweiger | Verband deutscher Metallhändler & Recycler e. V.

Schweiger beleuchtete die geopolitischen Dimensionen der Kreislaufwirtschaft. Der Wettbewerb um Rohstoffe ist längst ein globales Machtspiel, in dem Unternehmen und Staaten um den Zugang zu recycelten Materialien ringen. Während Kreislaufwirtschaft oft als nachhaltige Maßnahme wahrgenommen wird, zeigte Schweiger, dass es vor allem um wirtschaftliche Kontrolle geht: Wer über recycelte Rohstoffe verfügt, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. Er wies auf die politischen Herausforderungen hin, etwa regulatorische Hürden und ungleiche Marktbedingungen. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sei daher nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch eine Frage von politischer Strategie und Wettbewerbsfähigkeit.

Er sagte...

  • „Kreislaufwirtschaft ist nicht nur Kooperation – sie ist auch knallharter Wettbewerb.“
  • „Recycling ist kein Umweltprojekt, sondern eine strategische Notwendigkeit für eine resiliente Wirtschaft.“
  • „Die Zukunft gehört denen, die ihre Materialströme intelligent steuern.“
Dr. Mareike Haaß | in4ma bei ihrem Vortrag Stand der Nachhaltigkeit in der EMS-Branche – Analysen & Daten beim Green Electronics 2025
„Viele Unternehmen sehen sich als nachhaltig – doch die Realität sieht oft anders aus.“ (Bild: Martin Large / Redaktion all-electronics.de)

Stand der Nachhaltigkeit in der EMS-Branche – Analysen & Daten

Dr. Mareike Haaß | in4ma

Haaß präsentierte eine umfassende Studie zur Nachhaltigkeit in der Elektronikfertigungsbranche. Sie hatte die Webseiten von 635 Unternehmen untersucht und festgestellt, dass viele Firmen sich selbst als nachhaltig einschätzen, die tatsächliche Umsetzung jedoch oft mangelhaft ist. Besonders kleinere Unternehmen hinken hinterher, während größere Betriebe meist aus regulatorischen Gründen nachhaltige Maßnahmen implementieren. Überraschend: Auch in den kleinen Umsatzgruppen gibt es engagierte Unternehmen. Doch oft fehlt eine klare Kommunikation über Nachhaltigkeitsmaßnahmen – was Unternehmen sowohl intern als auch extern in eine schlechtere Marktposition bringt. Haaß forderte, dass Nachhaltigkeit transparenter und messbarer gemacht werden muss.

Ein ausführlicher Bericht zu der Analyse folgt.

Sie sagte...

  • „Nachhaltigkeit beginnt mit Transparenz: Wer seine Fortschritte nicht misst, kann sie auch nicht verbessern.“
  • „Die EMS-Branche hat großes Potenzial für mehr Nachhaltigkeit – aber noch viel Nachholbedarf in der Umsetzung.“
  • „Regulatorische Anforderungen zwingen viele Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit – aber wer sich proaktiv engagiert, hat klare Wettbewerbsvorteile.“
Dr. Nils Nissen | Fraunhofer IZM bei seinem Vortrag Grünere Elektronik aus Deutschland – das Kompetenzzentrum Green ICT @ FMD beim Green Electronics 2025
„Es gibt keine 100 % grüne Elektronik – aber es gibt viele Möglichkeiten, sie nachhaltiger zu machen.“ (Bild: Petra Gottwald / Redaktion all-electronics)

Grünere Elektronik aus Deutschland – das Kompetenzzentrum Green ICT @ FMD

Dr. Nils Nissen | Fraunhofer IZM

Dr. Nissen betonte, dass es keine vollkommen grüne Elektronik gibt – der Ressourcenverbrauch sei unvermeidbar. Doch durch smarte Technologien lassen sich erhebliche Fortschritte erzielen. Sein Kompetenzzentrum Green ICT unterstützt Unternehmen dabei, Energieverbrauch und Materialeinsatz in der Mikroelektronik zu optimieren. Ein besonderer Fokus liegt auf der Vermeidung von Elektroschrott durch langlebigere Bauteile und bessere Recycling-Technologien. Er warnte jedoch davor, sich nur auf CO₂-Reduktion zu fokussieren – auch andere Umweltfaktoren wie Wasserverbrauch und Ressourcengewinnung müssen stärker beachtet werden.

Er sagte...

  • „Die größten Umweltprobleme der Elektronikindustrie entstehen bereits in der Materialauswahl.“
  • „Recycling alleine reicht nicht – wir müssen Elektronik von Anfang an nachhaltiger designen.“
  • „Jede eingesparte Ressource zählt – und Innovation ist der Schlüssel dazu.“
Michael Schmidt | Deutsche Rohstoffagentur (DERA) bei seinem Vortrag Rohstoffe für die Energiewende – Ausblick bis 2030 beim Green Electronics 2025
„Rohstoffversorgung ist keine rein wirtschaftliche Frage – sie ist eine geopolitische Herausforderung.“ (Bild: Martin Large / Redaktion all-electronics.de)

Rohstoffe für die Energiewende – Ausblick bis 2030

Michael Schmidt | Deutsche Rohstoffagentur (DERA)

Zum Abschluss des Tages gab Michael Schmidt einen tiefgehenden und teilweise beunruhigenden Einblick in die zukünftige Rohstoffversorgung und die wachsende Abhängigkeit Europas von China. Viele kritische Materialien – etwa Lithium, Germanium und Seltene Erden – stammen nahezu ausschließlich aus China. Die Energiewende erfordert einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, was den Rohstoffbedarf drastisch erhöht. Schmidt forderte daher eine verstärkte Rohstoffsicherung in Europa – durch eigene Minen, effizienteres Recycling und eine gezielte Industriepolitik. Ohne solche Maßnahmen werde Europa in der grünen Transformation abhängig bleiben.

In diesem Zug prangerte er das BANANA-Prinzip an: Build Absolutely Nothing Anywhere Near Anybody. Er betonte, dass es in Europa zunehmend schwierig werde, neue Rohstoffprojekte oder Industrieanlagen zu realisieren, weil Widerstand aus der Bevölkerung und von Umweltgruppen wachse. Schmidt kritisierte, dass Europa sich dadurch selbst in eine Abhängigkeit von Importen, insbesondere aus China, begebe. Während Europa hohe Umwelt- und Sozialstandards fordert, importiere es Rohstoffe aus Ländern, in denen Umwelt- und Arbeitsbedingungen oft viel schlechter seien. Diese Doppelmoral müsse überwunden werden, wenn Europa eine strategisch unabhängige und nachhaltige Rohstoffversorgung sichern wolle.

Er sagte...

  • "Wenn China den Hahn zudreht, stehen die OEMs in Deutschland still."
  • „Europa ist bei vielen kritischen Rohstoffen fast vollständig von China abhängig – das muss sich ändern.“
  • „Recycling allein wird nicht reichen – wir brauchen neue Strategien zur Rohstoffsicherung.“

Wrap up

Die Green Electronics 2025 hat eindrucksvoll gezeigt, dass Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit ist. Von der Digitalisierung über die Kreislaufwirtschaft bis hin zur Rohstoffstrategie wurden zahlreiche Ansätze vorgestellt, wie Unternehmen ihre Produktion nachhaltiger gestalten können. Die Mischung aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, Praxisberichten und strategischen Diskussionen machte die Veranstaltung zu einer richtungsweisenden Plattform für die Zukunft der Elektronikfertigung. Bleibt zu hoffen, dass die nächste Veranstaltung nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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