Stromversorgungen für medizinische Anwendungen unterliegen strengen Vorschrifte, damit die Sicherheit der Patienten nicht gefährdet ist.

Stromversorgungen für medizinische Anwendungen unterliegen strengen Vorschrifte, damit die Sicherheit der Patienten nicht gefährdet ist. (Bild: @ apratim - stock.adobe.com)

Die Zeiten, in denen die Ausrüstung eines Arztes hauptsächlich aus einem Stethoskop, einem Blutdruckmessgerät und zwei Fingern zur Kontrolle der Herzfrequenz bestand, sind längst vorbei. Heutzutage ist es wahrscheinlicher, dass ein Arzt einen Wagen mit elektronischer Ausrüstung vor sich herschiebt, mit der er eine Vielzahl von Vitaldaten überwachen und messen kann.

Der Markt für diese Geräte hat sich in den letzten Jahren deutlich vergrößert, da die Nachfrage nach medizinischer Versorgung sowohl im klinischen Umfeld als auch zu Hause gestiegen ist. 2022 hatte er einen Wert von rund 1,5 Mrd. USD und wird laut den Analysten von „Markets and Markets“ bis 2027 mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 6,5 Prozent zunehmen, wobei die alternde Bevölkerung und die Schwellenländer die treibenden Kräfte sind.

Medizinische Geräte müssen für sehr unterschiedliche Anwendungsfälle konzipiert werden

Die Entwicklung medizinischer Geräte unterliegt strengen Vorschriften, wobei die Sicherheit das Hauptanliegen ist. Die Normen müssen jedoch ein breites Spektrum von Gerätetypen und Einsatzumgebungen abdecken, von batteriebetriebenen Monitoren bis hin zu Scannern, die mehrere kW Leistung verbrauchen, und von Operationssälen bis hin zu Analyselaboren und Arztpraxen. Diese unterschiedlichen Bedingungen werden in der Norm IEC 60601-1 und ihren nationalen Versionen behandelt.

Gleichzeitig besteht ein unvermeidlicher kommerzieller Druck die Gerätekosten niedrig zu halten und die Produkte mit Automatisierung, besserer Funktionalität und heutzutage auch mit KI auszustatten. Dies soll bessere Behandlungserfolge ermöglichen und die Arbeitsabläufe beschleunigen, insbesondere bei der Analyse von Bioproben und klinischen Daten.

Bewertung des Risikos

In den späteren Ausgaben der IEC 60601-1 sind Risikobewertung und -management obligatorisch und bilden einen Ausgangspunkt für die Entwicklung von Medizinprodukten. Der Hersteller muss entscheiden, ob das Produkt tatsächlich mit Patienten in Berührung kommen könnte und die entsprechenden Schutzmaßnahmen anwenden. In der Norm wird unterschieden zwischen einem Medizinprodukt (MD), das mit einem Patienten in Berührung kommen kann, und einem In-vitro-Diagnostikum (IVD) wie einer Zentrifuge oder einem Blutanalysegerät, bei dem dies normalerweise nicht der Fall ist. Das Risikomanagementverfahren muss den Anforderungen der ISO-Norm 14791 "Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte" entsprechen. Diese Anforderungen decken den gesamten Lebenszyklus des Produkts ab. Die Überlegungen umfassen Risiken wie Biokompatibilität, Daten- und Systemsicherheit, elektrische Sicherheit, bewegliche Teile, Strahlung und Benutzerfreundlichkeit. Auch wenn nicht alle diese Aspekte auf externe oder eingebaute Stromversorgungen zutreffen, stellt die zunehmende Verwendung digitaler Steuerungs- und Überwachungsfunktionen in Stromversorgungskonzepten einen neuen Bereich dar, in dem das Risiko einer versehentlichen Verfälschung von Daten oder einer vorsätzlichen Manipulation von Software/Firmware bewertet und verhindert werden muss.

Es ist zu beachten, dass die ISO 14971 nur einen Rahmen vorgibt und keine Angaben zu den Gefahren, dem akzeptablen Risiko oder der Quantifizierung des Risikos enthält.

Bild 1: Ein typischer Risikomanagementprozess nach ISO 14971
Bild 1: Ein typischer Risikomanagementprozess nach ISO 14971. (Bild: XP Power)

Sicherheit hat Priorität

Unter allen Anforderungen an medizinische Geräte steht die Sicherheit an erster Stelle. In der Praxis bedeutet dies unter anderem Schutz vor Stromschlägen, Feuer und mechanischen Gefahren. Die medizinische Sicherheitsnorm IEC 60601-1 hat die Terminologie der Schutzmaßnahmen übernommen, wobei zwei Schutzmaßnahmen („Means of protection“, MOP) das Minimum sind um einen Stromschlag zu verhindern, und zwar nach dem Prinzip, dass zwei Fehler auftreten müssen, bevor das Gerät unsicher werden kann. Dies ist vergleichbar mit anderen Sicherheitsnormen, die eine verstärkte Isolierung vorschreiben, was zwei separaten Schutzmaßnahmen entspricht, oder einer doppelten Schutzmaßnahme.

Die Norm definiert Bediener- und Patientenumgebungen, wobei die Kriech- und Luftstrecken für die Isolierung für beide Umgebungen unterschiedlich sind. Zwei Means Of Patient Protection (2 x MOPPs) erfordern beispielsweise eine Kriechstrecke von 8 mm und eine Prüfspannung von 4 kVAC für Systemspannungen von bis zu 250 VAC. Wenn ein Anschluss an den Patienten beabsichtigt oder möglich ist, muss nach der medizinischen Sicherheitsnorm der mögliche Ausfall anderer Geräte, durch den der Patient mit Netzspannung gefährdet werden könnte, berücksichtigt werden. In diesem Fall darf es keine elektrische Verbindung durch die normal arbeitenden Geräte zur Erde geben, damit kein tödlicher Strom fließen kann. In der Praxis bedeutet dies, dass mindestens eine 1 x MOPP-Isolierung zwischen den Patientenanschlüssen und der Erde in medizinischen Geräten vorhanden sein muss.

Diese Anforderung wird in der Regel nicht von Stromversorgungen nach IEC 62368-1 (Norm für Geräte der Audio-/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik) erfüllt, da dort der Ausgang, wenn überhaupt, nur eine funktionale Isolierung gegen Erde aufweist.

Das gleiche Prinzip gilt für nicht spezifizierte externe Signalverbindungen zu medizinischen Geräten, die an Patienten angeschlossen sind, und deren Stromversorgungen.

In diesem Fall ist eine 2-fache MOPP-Isolierung von diesen Leitungen zu den Patientenanschlüssen erforderlich, da davon ausgegangen werden muss, dass die Signalleitungen durch andere fehlerhafte Geräte unter Netzspannung stehen. Wenn das angeschlossene Gerät spezifiziert ist, ist 1 x MOPP zur Schnittstelle akzeptabel. Um diese Anforderungen zu erfüllen, werden manchmal zusätzliche DC-DC-Wandler mit geringer Leistung, 1 x oder 2 x MOPP-Isolierung und sehr geringer Kopplungskapazität in den Stromleitungen eingesetzt (Bild 2).

Bild 2: Ein Beispiel einer Stromversorgung und bestimmten angeschlossenen Geräten mit MOPP-Ebenen.
Bild 2: Ein Beispiel einer Stromversorgung und bestimmten angeschlossenen Geräten mit MOPP-Ebenen. (Bild: XP Power)

Die Anforderungen an die Isolierung für den Bedienerschutz (Means Of Operator Protection oder MOOP) entsprechen denen der IEC 62368-1, aber es gibt Unterschiede, z. B. bei der Absicherung des Eingangs und dem zulässigen Ableitstrom.

Ableitstrom

Die Hauptsicherheitsspezifikationen beziehen sich auf die elektrische Isolation. Allerdings wird immer ein gewisser Ableitstrom von den Wechselstromnetzanschlüssen zu einem Netzteilgehäuse oder -ausgang durch Streukapazitäten oder EMI-Entstör-Kondensatoren vorhanden sein. Bei medizinischen Anwendungen hängt die tolerierbare Höhe des Ableitstroms eines Netzteils vom jeweiligen Anwendungsfall ab. Die angegebenen Werte gelten für den Normalbetrieb und ersten Fehlerfall und können bis zu 10 µA betragen, wenn das Gerät z. B. direkt mit dem Herzen verbunden ist. Dies ist der Fall bei Anwendungsteilen der Klasse CF (Cardiac Floating). Tabelle 1 zeigt die zulässigen Werte.

Tabelle 1: Zulässige Werte für Hilfs- und Ableitströme gemäß IEC 60601-1.
Tabelle 1: Zulässige Werte für Hilfs- und Ableitströme gemäß IEC 60601-1. (Bild: XP Power)

Medizinische Geräte, die nur MOOP benötigen, wie z. B. in Laboren, müssen trotzdem einen Gesamtableitstrom von 0,5 mA unter normalen Bedingungen (0,3 mA in den USA) aufweisen. Dies entspricht dem Grenzwert für die Energiequelle 2 (ES2) von bis zu 5 mA bei 50/60 Hz gemäß IEC 62368-1.

EMV-Grenzwerte müssen eingehalten werden

IEC 60601-1-2 listet die EMV-Anforderungen für medizinische Geräte auf und verweist dabei auf CISPR11 und die EMV-Normenreihe IEC 61000-4-x. Diese decken dieselben Emissions- und Störfestigkeitsprüfungen ab, die für kommerzielle, industrielle und IT-Geräte erforderlich sind. In der Ausgabe 4.1 der IEC 60601-1-2 wurde ein neuer Test für die Störfestigkeit gegenüber magnetischen Nahfeldern im Frequenzbereich von 9 kHz bis 13,56 MHz hinzugefügt. Damit werden potenzielle Störquellen wie drahtlose Geräte in verschiedenen Umgebungen berücksichtigt, in denen medizinische Geräte Verwendung finden, wie z. B. in Büros, öffentlichen Räumen, Krankenhäusern, Rettungsfahrzeugen und Wohn- und Pflegeheimen.

Eine weitere wichtige Änderung in dieser Ausgabe besteht darin, dass sie Emissions-, Wechselspannungseinbrüche und Ausfalltests an den Extremen des Eingangswechselspannungsbereiches und nicht nur bei Nennspannung fordert. Dies spiegelt wiederum die Tatsache wider, dass die Betriebsumgebung so unterschiedlich sein kann. Es gibt mehrere Störfestigkeitsstufen in der IEC 61000-4-x-Reihe, und die IEC 60601-1-2 legt fest, welche je nach vorgesehener medizinischer Anwendung und Umgebung verwendet werden sollten.

Es ist bekannt, dass ein geringer Ableitstrom und eine geringe leitungsgebundene EMV sich in der Regel gegenseitig ausschließen, da Y"-Kondensatoren, die Gleichtakt-EMV dämpfen, auch Ableitströme an ein geerdetes Gehäuse oder an Ausgänge koppeln. Deshalb ist die Entwicklung von Netzteilen auf Topologien ausgerichtet, die von Natur aus störungsarm sind, wie z. B. Resonanzwandler. Glücklicherweise führt dies in der Regel auch zu einem höheren Wirkungsgrad und den damit verbundenen Vorteilen.

Da medizinische Geräte in allen Pflegebereichen zum Einsatz kommen, müssen sie praktisch in der Anwendung sein, d. h. leicht, leise, robust, einfach zu betreiben oder aufzuladen. Sie müssen den Stößen und Stürzen im Dauereinsatz standhalten und resistent gegen Flüssigkeiten und andere Fremdkörper sein, die in der Pflegeumgebung unweigerlich vorhanden sind.

Was die Pflege mit modernen Geräten am effektivsten macht, ist die Fähigkeit, Daten zu sammeln und zu analysieren, auch mit drahtlosen Verbindungen, um Informationen zusammenzufassen oder Fernüberwachung und -diagnose zu ermöglichen. Im häuslichen Bereich kann dies über eine Bluetooth-Verbindung zu einer App erfolgen, im Labor oder in professionellen Diagnostikanwendungen eher über eine Netzwerkverbindung zu lokalen Servern oder in die Cloud.
In diesem Umfeld sind Geschwindigkeit und Effizienz des Arbeitsablaufs wichtige Leistungsindikatoren und die Überwachung der Effektivität der Geräte ist entscheidend, um eine maximale Betriebszeit und Vertrauen in die gesammelten Daten sicherzustellen. Stromversorgungen für Geräte, die eine digitale Überwachung ihrer Ausgänge ermöglichen und frühzeitig vor Wechselstromausfällen und Leistungsabfall warnen, sind in dieser Situation von unschätzbarem Wert. Darüber hinaus erleichtert die präzise Fernsteuerung von Parametern wie Ausgangsspannung oder -strom die Automatisierung von Geräten, wie die Steuerung des Stroms von Laserdioden bei Mikrochirurgie oder ästhetischen Behandlungen.

Ein Beispiel für eine Stromversorgung für medizinische Anwendungen

Ein Stromversorgungsprodukt, das sich gut für medizinische und industrielle Anwendungen eignet, ist die HPKF3K0-Serie von XP Power (Bild 3). Mit einer Nennleistung von 3 kW ist das Gerät für Anwendungen mit höherer Leistung geeignet und verfügt über eine 2 x MOPP Isolation mit weniger als 500 µA Ableitstrom. Das Netzteil erfüllt die medizinischen EMV-Spezifikationen und verfügt über digitale Steuer- und Überwachungsfunktionen, einschließlich programmierbarer Spannung (0-105 Prozent) und Strom (0-110 Prozent) über eine digitale Schnittstelle, die PMBus-, CANopen-, MODBUS- und SCPI-Protokolle für maximale Flexibilität unterstützt. Die HPF3K0-Serie verfügt über medizinische Zulassungen für globale Märkte und ist mit einem Eingangsbereich von 90-264 VAC und Ausgangsspannungen von nominal 24 V, 36 V, 48 V oder 60 VDC erhältlich. Der Wirkungsgrad beträgt bis zu 93 Prozent und die Abmessungen sind 279,4 × 177,8 × 63,5 mm3 (11 x 7 x 2,5 Zoll).

Bild 3: Die 3-kW-Stromversorgung HPF3K0 ist für medizinische Anwendungen geeignet.
Bild 3: Die 3-kW-Stromversorgung HPF3K0 ist für medizinische Anwendungen geeignet. (Bild: XP Power)

Fazit

Wir haben fünf Bereiche angesprochen, die bei der Entwicklung eines Medizinprodukts wichtig sind, insbesondere in Bezug auf die Stromversorgung. Es gibt noch viele weitere Bereiche, und die Spezifikationen, die erfüllt werden müssen, sind schwindelerregend, aber das Ziel ist es, sicherzustellen, dass das Produktdesign in allen Situationen sicher ist und den Patienten keinen Gefahren aussetzt. Stromversorgungen von einem weltweit vertretenen Hersteller, die nach medizinischen Standards zertifiziert sind, bilden eine sichere Grundlage für neue Designs.

Hafiz Khalid

Leiter Produktmarketing bei XP Power

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