Die SGET beherrscht mit Qseven und SMARC mehr als 50% des Gesamtmarkts der Computer-on-Modules. Bezogen auf den Markt der kreditkartengroßen Module sind es mehr als 95%.

Die SGET beherrscht mit Qseven und SMARC mehr als 50 Prozent des Gesamtmarkts der Computer-on-Modules. Bezogen auf den Markt der kreditkartengroßen Module sind es mehr als 95 Prozent. (Bild: www.gminsights.com)

Initiiert wurde die SGET in 2012, um marktgerechte Standardisierungen der Embedded-Technologien schnell und flexibel voranzutreiben und weltweit gültige Embedded-Computing-Spezifikationen zu schaffen. Ein wichtiges Ziel war es damals, nicht nur x86 fokussierte Standards zu schaffen, sondern die Welt von ARM- und x86er-Applikationsprozessoren zu homogenisieren, woran sich kein alternatives Standardisierungsgremium heranwagen wollte. Der Markt forderte jedoch solche Standards. Schließlich kamen zu dieser Zeit günstige Tablet-Prozessoren auf und die Dominanz der x86-Prozessoren schwand im Low-Power-Bereich. Heute ist belegt, dass diese Entscheidung die richtige war, denn vor allem im Low-Power-Bereich der mobilen Prozessoren haben sich die Machtverhältnisse signifikant weg von x86- und hin zu ARM-Prozessortechnologie entwickelt. Im Module-Bereich hat ARM mittlerweile einen Marktanteil von über 50 Prozent. Einen Computer-on-Modules-Standard zu schaffen, der sowohl ARM wie x86 bedienen kann, war also eine sehr weise Entscheidung, wie man rückblickend sagen kann.

Qseven ist zum Marktführer der kreditkartengroßen COMs geworden

Der erste Computer-on-Modules-Standard, den die SGET herstellerunabhängig hostete ist die Qseven-Spezifikation. Originär entwickelt wurde dieser Standard jedoch nicht von der SGET. Das Konzept stammte vielmehr aus dem Jahr 2008, wurde von Congatec entwickelt, danach von Firmen wie Kontron adaptiert und wenig später an das Qseven-Konsortium übertragen. Dieses wurde jedoch aufgelöst, sodass die SGET den Qseven-Standard offiziell seit 2013 hostet. Qseven-Module haben einen standardisierten Formfaktor von 70 mm × 70 mm (Qseven) oder 40 mm × 70 mm (µQseven) und verfügen über eine standardisierte Pinbelegung, die über einen Hochgeschwindigkeits-MXM-Konnektor ausgeführt wird. Der Qseven Standard ist nach einer Ende 2021 veröffentlichten Studie von Global Markets Insight extrem erfolgreich: Der Marktanteil soll mehr als 35 Prozent des gesamten Module-Markt betragen haben. Auch die Aussichten sind sehr vielversprechend, wenn man Analysten wie Astute Analytica Glauben schenkt: Sie gehen davon aus, dass Qseven unter allen Formfaktorstandards auch weiterhin am schnellsten wachsen wird. Die SGET selbst geht jedoch davon aus, dass neue Designs eher zu kleineren Formfaktoren drängen, sodass der Absatz vor allem über die Bestandskunden generiert wird.

Die Verantwortung für die Formfaktorstandards Qseven (70 mm × 70 mm/links)  und SMARC (82 mm × 50 mm/rechts) liegen seit 2013 in den Händen der SGET.
Die Verantwortung für die Formfaktorstandards Qseven (70 mm × 70 mm/links) und SMARC (82 mm × 50 mm/rechts) liegen seit 2013 in den Händen der SGET. (Bild: SGET)

SMARC hat die Größe reduziert und die Packungsdickte erhöht

Auch der zweite von der SGET gehostete Computer-on-Modules-Standard SMARC ist sehr erfolgreich. Vom Formfaktor her ist er mit 82 mm × 50 mm von Anfang an kleiner ausgelegt als Qseven. Dennoch ist er sogar für komplexere Systemdesigns interessanter, weil er mit 314 Pins im Vergleich zu Qseven mit 230 Pins 35 Prozent mehr Konnektivität bietet. Diese Philosophie der zunehmend kleineren Footprints mit höherer Packungsdichte lässt Entwicklerherzen höherschlagen. Einziges Manko ist wohl die Tatsache, dass Qseven seinen Markteintritt deutlich früher hatte als SMARC. Solche Follower haben es schwerer, solange der ältere Standard hinreichend Features bietet. Entwickler sind ihren Formfaktoren nämlich sehr lange treu. Warum auch das Rad immer wieder neu erfinden und neu in R&D investieren, wenn bestehende Standards hinreichend sind? Dennoch konnte SMARC seit dem Launch in 2013 bis heute immerhin einen Markanteil von mehr als 15 Prozent des Gesamtmarkts von Computer-on-Modules erreichen. Marktinsider gehen zudem davon aus, dass SMARC für neue Designs bevorzugt werden, weil die technische Basis mehr bietet und aktueller ist, als Qseven. Bis sich die Markanteile jedoch zugunsten von SMARC verschieben, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Federführend bei der Entwicklung des ebenfalls in 2013 offiziell von der SGET gelaunchten Standards war übrigens Kontron.

Beide SGET-Standards zusammen dominieren den SFF-Bereich

Zusammengenommen machen diese beiden Standards also mehr als 50 Prozent des Gesamtmarktes der Computer-on-Modules aus. Schaut man nur auf die Small-Form-Factor-Module des Low-Power- Bereichs wird der Marktanteil vermutlich mehr als 95 Prozent Prozent ausmachen, denn der einzige alternative Computer-on-Module-Standard vergleichbarer Größe (COM Express Mini) fristet eher ein Schattendasein seiner größeren Brüder. Binnen zehn Jahren einen solchen Erfolg vorweisen zu können und quasi den gesamten Markt der SFF-COMs zu bestimmen, bestätigt dass die SGET die richtige Strategie gefahren ist, vor allem den Markt der Small-Form- Factor-Module zu fokussieren und in diesem Marktsegment globale Standards zu schaffen, die unabhängig von der Prozessorarchitektur sind. (SFF: Small Form Factor)

Kostengünstige Prozessoren brauchen kosteneffiziente Designs

Auch die Preisstellung dieser COMs wird zum Erfolg der Standards beigetragen haben. Verzichtet wurde bei beiden Standards nämlich auf einen Steckverbinder auf dem Modul, was Kosten bei der Beschaffung und Bestückung spart. Stattdessen kommt ein Standard-Edge-Konnektor zum Einsatz, wie man ihn auch von Speichermodulen kennt. Bei beiden Modulstandards setzt man dabei auf MXM-Konnektoren, die für mobile Notebook-Grafikkarten in großen Serien produziert werden. Bei Qseven auf den älteren MXM-2. Bei SMARC den der MXM-3 Spezifikation. Auf kleine Formfaktoren, Low-Power und zunehmend hohe Packungsdickte gesetzt zu haben, ist zudem konsequent, denn dies ist einer der nachhaltigsten Megatrends in der Elektronikindustrie überhaupt, sodass man bei konsequenter Unterstützung dieses Trends durch entsprechende Modulestandards auch immer wieder neue Mehrwerte schaffen kann.

Der neue OSM-Standard bietet alle Vorteile von COMs. Wegen seiner SMT-Bestückbarkeit kommen jedoch noch neue Kostenvorteile hinzu. Vornehmlich bei Verpackung, Bestückung und Tests in der Serienproduktion. (Hier die Rückseite eines Moduls mit NXP i.MX8M Prozessor).
Der neue OSM-Standard bietet alle Vorteile von COMs. Wegen seiner SMT-Bestückbarkeit kommen jedoch noch neue Kostenvorteile hinzu. Vornehmlich bei Verpackung, Bestückung und Tests in der Serienproduktion. (Hier die Rückseite eines Moduls mit NXP i.MX8M Prozessor). (Bild: Kontron)

Marktanteile bringen auch neue Mitglieder

Der Erfolg dieser beiden SGET-Standards sowie weitere Engagements im Bereich der Standardisierung von Embedded-Box-PCs (eNUC) und der Edge-Computing-Logik (UIC) haben auch zu neuen Mitgliedern geführt. Aus den sechs Gründungsmitgliedern sind deshalb mittlerweile 50 aktive Mitglieder geworden, die offiziell auf der Website der SGET ausgewiesen sind. Inoffizielle Unterstützer der Standards gibt es noch mehr, denn – gemeinnützig wie die SGET ist – kann jeder die Spezifikationen frei einsehen. Lediglich die Nutzung der Standards und der zugehörigen Markennamen (Qseven, SMARC, etc.) erfordert dann eine Mitgliedschaft. Auch hier unterscheidet sich die SGET von anderen Standardisierungsgremien und ganz sicher liegt hierin auch ein Teil des Erfolgs dieser Standards. Die aktive weitere Entwicklung dieser und weiterer Standards ist jedoch nur mit offizieller Mitgliedschaft möglich und hierfür wirbt die SGET auch aktiv, denn sie will sich nicht auf diese Standards beschränkt sehen, sondern versteht sich als Plattform neue Mehrwerte durch Standardisierung zu schaffen.

Es geht weiter in Richtung Miniaturisierung

Die Frage ist also: „What comes next?“, nachdem man quasi den gesamten Markt der in etwa kreditkartengroßen Computer-on-Modules für ARM- und x86 Applikationsprozessoren erobert hat. Auch der neuste Standard OSM, was für Open-Standard-Module steht, bietet abermals mehr Pins auf kleinerem Raum. In 2020 gelauncht und Mitte 2022 in der Spezifikation 1.1 verfügbar bietet die OSM-4 Größen, die allesamt kleiner sind als SMARC oder µQseven. Bereits das größte Modul ist mit 45 mm × 45 mm 28 Prozent kleiner als µQseven beziehungsweise 51 Prozent kleiner als SMARC, bietet aber 662 Kontakte. Weitere Modulgrößen der neuen OSM-Spezifikation sind noch kleiner: OSM Size-0 (Zero) ist mit 30 mm × 15 mm der kleinste Formfaktor mit 188 BGA-Kontakten. OSM Size-S (Small) misst bei 332 Kontakten 30 mm × 30 mm, OSM Size-M (Medium) bietet 476 Kontakte auf 30 mm × 45 mm. Der Fortschritt in Richtung kleinere Größe und mit größerem Funktionsumfang beziehungsweise höherer Packungsdichte auf gleichem Raum geht also unvermindert weiter und schlägt sich in dieser neuen Spezifikation nieder.

 

Der OSM Standard hat vier unterschiedliche Modulgrößen.
Der OSM Standard hat vier unterschiedliche Modulgrößen. (Bild: SGET)

OSM ist eine vollkommen neue Generation von COMs

Mit der Einführung von OSM addiert die SGET jedoch auch noch einen weiteren Benefit zu den Vorteilen von allen bislang am Markt verfügbaren Computer-on-Modules. Die neuen OSM-Module sind nämlich SMT-bestückbar. Deshalb spricht die SGET auch von einer zweiten Generation der Computer-on-Modules-Standards, die im Vergleich zu jedwedem Gen1-COM-Standard noch weitere Vorteile bietet: Vor allem deutliche Kosteneinsparungen bei Verpackung, Bestückung und Test in der Serienproduktion. Dieser Vorteil ist für OEM-Kunden von großer Bedeutung. Ob OSM sich aber als weltweit erster Gen2-COM-Standard etablieren wird, ist in einem solch frühen Stadium noch offen. Da er aber eine offene, skalierbare und herstellerunabhängige Spezifikation für SMT-bestückbare Computer-on-Modules liefert und bereits heute von führenden Embedded-Computer-Anbietern unterstützt wird, ist davon auszugehen, dass die SGET es auch bei diesem Standard schafft, ihn im Markt zu etablieren. In der Vergangenheit ist dieses Ziel zumindest mit kommerziell erfolgreichen Standards wie SMARC und Qseven gelungen.

Der Footprint der Module hat im Verlauf der Entwicklung der SGET Standards abgenommen, die Packungsdichte hat jedoch zugenommen.
Der Footprint der Module hat im Verlauf der Entwicklung der SGET Standards abgenommen, die Packungsdichte hat jedoch zugenommen. (Bild: SGET)

Bereits sieben Hersteller unterstützen OSM offiziell

Die SGET-Mitglieder Aries, Avnet, Geniatech, F&S, iesy, iWave und Kontron sind die ersten Hersteller, die bereits erste offizielle OSM-Module im Angebot haben. Applikationsfertige Gen2 Computer-on-Modules nach dem OSM-Standard sind bereits für folgende Prozessoren verfügbar: NXP i.MX 8 M, NXP i.MX 8 Lite, NXP i.MX93, ESP32 DualCore, Rockchip PX30, RZ/G2UL Cortex-A55 Single-Core und RZ/Five RISC-V AX45MP Single. Eine Roadmap zur Unterstützung weiterer Prozessoren stellt die SGET interessierten Unternehmen auf Anfrage zu Verfügung. Sowohl der neue Design-Guide 1.0 als auch die OSM-Spezifikation 1.1 stehen auf der SGET-Website zudem zum kostenlosen Download bereit. Es wird interessant sein, welche Aufgabe sich die SGET als nächstes stellen wird. Wer auf dem Laufenden dazu bleiben will, kann sich bei der SGET auf der Startseite ganz unten übrigens in einen Newsletter eintragen lassen. Nach Aussage von Ansgar Hein, Vorsitzender der SGET, gibt es aktuell weitere Standardisierungsbemühungen innerhalb der SGET. Der Fokus liegt dabei auf der Standardisierung von FPGAs. Erste Sondierungen haben bereits stattgefunden und interessierte Nicht-Mitglieder sind eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Hein betont explizit, dass es hierfür nicht erforderlich ist, Mitglied der SGET zu sein. Ziel ist es, schon bald ein neues Standard-Development-Team (SDT) aufzustellen – es wäre das sechste – um einen offenen FPGA-Standard unter dem Dach der Standardization Group for Embedded Technologies zu hosten. (neu)

 

Autor

Autor Ansgar Hein
(Bild: SGET)

Ansgar Hein ist Vorsitzender der SGET.

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