Dr. Daniel Zeuch mit dem von ihm entworfenen Modell eines Quantencomputers beim Digital Demo Day in Düsseldorf

Dr. Daniel Zeuch untersuchte in der explorativen Wissenstransferstudie “Quantencomputing für KMU” den Informationsbedarfe der Industrie und die darauf abgestimmten Vermittlung von Basiswissen zum Thema Quantencomputing.
Das Bild zeigt ihm mit einem von ihm entworfenen Modell eines Quantencomputers beim Digital Demo Day in Düsseldorf 2022. (Bild: Forschungszentrum Jülich)

Konzerne wie Google und Amazon investieren große Summen in die Entwicklung von Quantencomputern. IBM hat dafür sogar eine eigene Quanten-Roadmap entwickelt. Die Zukunftstechnologie ist aber nicht nur für Hightech-Giganten interessant. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können zum Teil schon heute vom Quantencomputing profitieren. Und auch für sie ist es wichtig, mit den potenziell disruptiven Innovationen auf diesem Gebiet Schritt zu halten. Dr. Daniel Zeuch vom Forschungszentrum Jülich hat in der Studie “Quantencomputing für KMU” untersucht, wie „quantum-ready“ deutsche Unternehmen sind und wie die Entwicklung von Strategien für den Markteintritt unterstützt werden kann. Dafür hat er in den vergangenen zwei Jahren mit über 100 Unternehmern und Mitarbeitenden gesprochen.

Hintergrund der Studie ist, dass die Gefahr besteht, dass Europa und damit auch Deutschland, die Gefahr besteht im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren. Daher ist es wichtig, dass die deutsche Wirtschaft sich bereits jetzt mit dem Thema Quantencomputing auseinandersetzt.

Ergebnisse der Studie “Quantencomputing für KMU”

Bei der Auswertung der Studienergebnisse wurden potenzielle QC-Zulieferer und -Anwender separat betrachtet. Dabei waren die Zulieferer interessierter als die Anwender, was logisch erscheint. Laut Studie sei dies vor allem darauf zurückzuführen, dass Quantencomputer schon jetzt im Labor entwickelt und produziert werden, während eine profitable Nutzung noch nicht möglich ist.

Großes Potenzial wurde bei einigen KMU-Zulieferern festgestellt, bspw. bei Herstellern von Kabeln, Stromquellen, Mess- und Vakuumtechnik. Unter den befragten Anwendern befanden sich Unternehmen aus den Branchen der Datenanalyse und -verarbeitung, Chemie, Unternehmensberatung und Banken.

5-Sterne-Bewertung des Quanten-Scores
Ergebnisse der 5-Sterne-Bewertung des Quanten-Scores, getrennt nach Zulieferern und Anwendern und nur bezogen auf KMU. Diese Bewertung vereint dabei die Kriterien wirtschaftlichenähe zu QC, Quantum-Readiness und unternehmerisches Interesse in einer Punktzahl von 1 bis 5 Sternen.

Die Daten deuten an, dass die angesprochenen Zulieferer derzeit mehr Potenzial fürs Ihr Unternehmen hinsichtlich QC sehen als die Anwender. (Bild: FZ Jülich)

Als Hauptergebnis der Studie lässt sich festhalten, dass der deutsche Mittelstand solides Potenzial für das Feld Quantencomputing aufzuweisen scheint. Die Forscher haben den Eindruck, dass etwa die Hälfte der kontaktierten KMU die Möglichkeit und das Interesse hat sich an der QC-Wertschöpfungskette zu beteiligen. Dies gilt zum einen für Zulieferer von Spezialtechnik. In Deutschland ansässig sind etwa Hersteller und Entwickler von Spezialkabeln, Kühltechnik, Spannungsquellen, Mikrowellengeneratoren und Photonik-Bauelementen.

Diese Unternehmen konnten zum Teil bereits Erfahrung mit Quantentechnologien und speziell QC sammeln. In vielen Fällen sind sich diese Unternehmen ihrer potenziellen Rolle in der Wertschöpfungskette des QC aber nicht von vornherein bewusst, was einen weiterführenden Wissenstransfer erfordert.

Auf der Anwenderseite gibt es ebenfalls mittelständische Unternehmen in einigen Wirtschaftsbereichen, die sich für QC interessieren und Bedarf am Zugang zu dieser Technologie haben. Dies gilt  besonders für die Bereiche Finanztechnologie (z.B. in Bezug auf Betrugsaufdeckung oder Big Data Analyse) sowie Luftfahrt- und Automotive-Zulieferer. Nachfragen zur aktuellen QC-Entwicklung erhielten die Forscher auch aus dem Bereich Venture Capital. Allerdings weisen in der Kategorie der Anwender vermehrt größere Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten Potenzial hinsichtlich QC auf, sodass hier keine klare Abgrenzung zu KMU selbst gemacht werden kann. Ein zielgerichteter Wissenstransfer ist jedoch auch hier vonnöten.

Was Sie schon immer über Quantencomputer wissen wollten

Themenschwerpunkt Quantencomputer auf all-electronics.de
(Bild: Bartek Wróblewski – Adobe Stock)

Als im Juni 2021 der erste Quantencomputer in Deutschland von IBM eingeweiht wurde, war das Interesse groß. Aber was verbirgt sich hinter der Technologie? Was kann sie eines Tages leisten, woran wird geforscht und wo lauern Gefahren? Das und mehr erfahren Sie hier.

Wie vermittelt man Unternehmen Wissen zum Thema Quantencomputer?

Zu den anschließend erprobten Wissenstransferformaten zählten

  • Interviews mit Unternehmer:innen
  • geschlossene Vorträge vor Mitarbeiter:innen einzelner Unternehmen
  • öffentliche Vorträge vor gemischtem Publikum, etwa bei Netzwerktreffen der IHK.

Die Resonanz auf unternehmerischer Seite war dabei laut Studie von vielen positiven Reaktionen geprägt: ein Großteil der angesprochenen Wirtschaftsvertreter:innen hat sich gerne mit dem Thema QC auseinandergesetzt.

Außerdem wurde wahrend der Studienlaufzeit ein mobiles Quantencomputer-Modell als Ausstellungsobjekt entwickelt und auf diversen Veranstaltungen eingesetzt, u.a. auf einer Wirtschaftsmesse. Das Modell hat sich als hervorragendes Medium für den Wissenstransfer herausgestellt, da Aufmerksamkeit erzeugt und dadurch Interesse am Thema QC geweckt wird, was erste Kontaktaufnahmen deutlich erleichterte.

 

Interview von Tobias Schlößer (FZ Jülich) mit Dr. Daniel Zeuch über Quantencomputing in KMUs

Wie kam es zu dieser Studie, Herr Dr. Zeuch?

Das Quantencomputing erhält seit einiger Zeit verstärkt Aufmerksamkeit, unter anderen auch in den Medien. Dies hängt damit zusammen, dass es mittlerweile von einem rein wissenschaftlichen zu einem auch wirtschaftlich interessanten Entwicklungsfeld übergegangen ist. Dies trifft auch auf andere neuartige Quantentechnologien zu.

Wir am Forschungszentrum Jülich arbeiten im Bereich Quantencomputing bereits mit einigen Unternehmen zusammen – das sind allerdings zum überwiegenden Teil Großunternehmen. Deshalb wollten wir in unserer Studie herausfinden, ob nicht auch mehr kleine und mittlere Unternehmen, kurz KMUs, in die Entwicklung von Bauteilen und Algorithmen oder Software mit einbezogen werden können. Neben gemeinsamer Entwicklung ging es auch darum, zu ermitteln, inwieweit die Firmen dieses Thema derzeit überhaupt für sich präsent haben. Einige könnten beispielsweise schon jetzt durch den Verkauf gewisser Hardware-Komponenten vom Quantencomputing profitieren. Wir haben dazu mit 26 Unternehmen Informations- und Beratungsgespräche geführt, zum Großteil telefonisch oder über Video-Telefonate.

Bis Quantentechnologien für wirtschaftliche Zwecke wirklich nützlich werden, wird noch einige Zeit vergehen. Wie aktiv sind kleine und mittlere Unternehmen heute schon im Quantencomputing?

Stark verbesserte Berechnungen auf Quantencomputern, die zweifelsfrei einen wirtschaftlichen Nutzen mit sich bringen, liegen noch in der Ferne. Aber wirtschaftliche Wertschöpfung gibt es schon seit einigen Jahren. Man denke etwa an Technologie-Riesen wie Google oder IBM, die eigens entwickelte Quanten-Rechenkapazitäten vertreiben. Bei der Zielgruppe unserer Studie, den KMUs, sind es dagegen eher Hersteller von klassischen High-Tech-Komponenten, die teilweise bereits im Quantencomputing aktiv sind; also etwa Firmen, die spezielle Stromquellen oder Mikrowellenanalysatoren produzieren und entwickeln.

Was die Anwendung von Quantentechnologien betrifft, so sind viele KMUs heutzutage allerdings noch deutlich zurückhaltender, was mögliche Investitionen anbelangt. Wir haben in unserem Bericht für alle KMUs einen sogenannten Quanten-Score erstellt. Auch daran lässt sich ablesen, dass die Hardware-Zulieferer dem Quantencomputing aktuell noch näherstehen als potenzielle Anwender.

Wie groß sind das Interesse und auch die Hürden, wenn man in dieses Zukunftsfeld einsteigen möchte? Es gibt ja nur wenig Erfahrungswerte, an denen sich Firmen orientieren können.

Auch hier sollte man zwischen Anwendern und Zulieferern unterscheiden. Einige Zulieferer sind, wie gesagt, bereits im Geschäft. Für weitere ist es möglich, schnell einzusteigen. Anders sieht es dagegen bei der Anwendung von Quantencomputern aus. Belastbare Prognosen zur Gewinnung klarer Rechenvorteile liegen noch nicht vor. Dies ist ein Grund, warum potenzielle Anwender noch recht zögerlich sind. Trotzdem besteht auch hier zum Teil ein großes Interesse, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, beispielsweise in Gesprächen mit uns. Die Aussicht, dass Quantencomputer bei gewissen Problemen exponentielle Rechenvorteile liefern können, wurde häufig als gewichtiges Argument aufgefasst. Es ist kein Zufall, dass Technologie-Unternehmen wie Google, IBM oder Amazon Unsummen an Geldern in dieses Gebiet stecken.

Wo soll die Quantentechnologie künftig zum Einsatz kommen?

Im Austausch mit möglichen Anwendern haben wir einige Use-Cases angesprochen. Konkret ging es dabei etwa um das Erkennen von Finanzbetrug, Risikoabschätzungen bei Geldanlagen sowie auch die Datenverarbeitung von Bildern im Bereich des autonomen Fahrens. Durch unsere Recherchen während der Studie wurden wir aber auch auf weitere interessante Anwendungen aufmerksam. Diese liegen etwa auf dem Gebiet der Optimierung, beispielsweise für die Produktionsplanung, die Gate-Zuweisung an Flughäfen oder Verkehrsleitung, und der Chemie, beispielsweise für die effizientere Herstellung von Düngemitteln oder die Entwicklung neuer Materialien. Wobei diese Fälle tendenziell wieder Großunternehmen betreffen und nicht typische KMU.

Wie geht es jetzt nach der Studie weiter mit dem Wissenstransfer zum Thema Quantencomputer?

Interessierte Unternehmen können sich jederzeit gerne bei mir melden. Derzeit arbeite ich am Institut für Quantencomputeranalytik (PGI-12), wo ich eine Transferrolle zwischen dem Forschungszentrum und Industrie, Vereinen, staatlichen Einrichtungen und Gästen des Forschungszentrums einnehme. Das Forschungszentrum verfolgt daneben verschiedene Ansätze, um den Kontakt zur Wirtschaft, inklusive KMUs, im Bereich Quantencomputing zu stärken. Ein Beispiel hierfür ist das landesweite Netzwerk „EIN Quantum NRW“, zu dem sich im letzten Jahr mehr als ein Dutzend Forschungseinrichtungen in NRW zusammengeschlossen haben, um sich gebündelt mit Unternehmen aus der Wirtschaft zu vernetzen. Ein anderes Beispiel ist das geplante Center for Quantum Systems and Engineering, kurz CQSE, in dem das Forschungszentrum gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen Quantentechnologien im Rheinischen Revier voranbringen möchten.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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