Elektronik-Entwicklung

26. Jun. 2025 | 16:00 Uhr | von Martin Probst

3D-IC-Design mit KI

Siemens erweitert EDA-Portfolio für 3D-ICs

Siemens Digital Industries Software hat auf der DAC 2025 neue EDA-Lösungen für 3D-ICs vorgestellt. Im Fokus stehen eine modulare Tool-Suite für den Entwurf komplexer Chip-Architekturen sowie KI-gestützte Automatisierung im gesamten Designprozess.

Siemens ermöglicht umfassende digitale Zwillinge, die Designteams bei 3D-ICs helfen, die Herausforderungen fortschrittlicher Chip-Architekturen zu bewältigen.

Siemens ermöglicht umfassende digitale Zwillinge, die Designteams bei 3D-ICs helfen, die Herausforderungen fortschrittlicher Chip-Architekturen zu bewältigen. (Bild: Siemens EDA)

Siemens Digital Industries Software hat auf der Design Automation Conference (DAC) 2025 in San Francisco eine umfassende Erweiterung seines EDA-Portfolios vorgestellt. Mit einem doppelten Fokus auf die Herausforderungen beim Design komplexer, heterogen integrierter 2,5D- und 3D-ICs sowie auf die Integration generativer KI in den gesamten Entwurfsprozess unterstreicht Siemens seinen Anspruch, den steigenden Anforderungen der Halbleiterindustrie mit skalierbaren, intelligenten Werkzeugketten zu begegnen.

Neue Lösungen für 2,5D- und 3D-IC-Design: Innovator3D IC Suite & Calibre 3DStress

Im Zentrum der neuen Lösungen steht die Innovator3D IC Suite, eine modulare, KI-gestützte Plattform, die speziell für die Planung, Simulation und das Management hochintegrierter 3D-IC-Designs entwickelt wurde. Zielgruppe sind IC-Designer und Systemarchitekten, die mit hochkomplexen, mehrlagigen und oft chiplet-basierten Entwürfen arbeiten. Die Suite gliedert sich in vier funktional voneinander abgegrenzte, aber miteinander vernetzte Module:

  • Design-Integrator: Dieses Modul dient der frühen Entwurfsplanung und der Erzeugung eines digitalen Zwillings. Es verknüpft funktionale Anforderungen mit physikalischen Designrestriktionen und erlaubt es, verschiedene Szenarien bereits vor dem physischen Layout durchzuspielen.
  • Layout-Engine für Substrat- und Interposer-Implementierung: Hier wird das physische Design der Verbindungsträger wie Substrate oder Interposer durchgeführt – inklusive Support für verschiedene Verbindungstechnologien wie RDL (Redistribution Layer), TSV (Through-Silicon Vias) oder Microbumps.
  • Protokollanalysator: Dieses Tool überprüft die elektrischen Schnittstellen zwischen Dies – sowohl für klassische Chip-to-Chip- als auch für moderne Die-to-Die-Verbindungen. Neben der Compliance mit gängigen Protokollen ermöglicht es auch eine Fehleranalyse im Kontext des Gesamtsystems.
  • Daten- und IP-Management-Modul: Zur Verwaltung der Designstände, IP-Module und Konfigurationsdaten bietet Siemens eine zentrale Plattform, die den gesamten Designprozess revisionssicher dokumentiert.

Die Plattform unterstützt Multithreading und Multicore-Prozesse und ist für Designs mit mehr als fünf Millionen Pins ausgelegt. Damit zielt Siemens eindeutig auf den industriellen High-End-Einsatz – etwa in Rechenzentren, KI-Beschleunigern oder im Automotive-Bereich.

Als Ergänzung hierzu bringt Siemens mit Calibre 3DStress ein neues Tool für die thermomechanische Analyse auf Transistorebene auf den Markt. Der Fokus liegt auf der präzisen Modellierung mechanischer Spannungen, die nach dem Packaging-Prozess auftreten – etwa durch Temperaturzyklen beim Reflow-Löten oder durch ungleichmäßige Ausdehnungen dünner Dies.

Während klassische Tools meist nur die Gehäuseebene betrachten, setzt Calibre 3DStress direkt im Halbleiterinneren an. Kritische Stresspunkte lassen sich auf Zell- oder Netzlistebene identifizieren, was eine deutlich genauere Fehlerprävention ermöglicht. Die Lösung baut auf Calibre 3DThermal auf und erweitert das Multiphysik-Portfolio von Siemens um eine mechanisch-elektrische Kopplung.

Anwenderunternehmen wie Chipletz setzen die Innovator3D IC Suite gezielt für Plattformentwicklungen im Bereich Hochleistungsrechnen und KI ein. STMicroelectronics wiederum nutzt Calibre 3DStress zur frühzeitigen Vermeidung potenzieller Ausfälle durch mechanische Belastung – mit nachweislich beschleunigten Designfreigaben und erhöhter Zuverlässigkeit der fertigen 3D-ICs.

Generative KI in der EDA: Drei neue Werkzeuge mit NVIDIA-Unterstützung

Parallel zur Einführung der physischen Designlösungen hat Siemens ein neues EDA-KI-System vorgestellt, das auf generativer und agentenbasierter Künstlicher Intelligenz basiert. Das System integriert sich nahtlos in bestehende Designflows und unterstützt sowohl LLMs (Large Language Models) als auch spezialisierte SLMs (Small Language Models). Ziel ist eine signifikante Steigerung der Produktivität über den gesamten EDA-Workflow hinweg – vom Architekturentwurf über das physikalische Design bis hin zum Signoff.

Die Architektur des KI-Systems basiert auf einem multimodalen Datenmodell, das verschiedene Quellen – etwa Layoutdaten, Spezifikationen, Simulationsausgaben und Benutzeranmerkungen – zusammenführt. Die Plattform erlaubt flexible Bereitstellungsmodelle, sowohl lokal im Rechenzentrum als auch über die Cloud. In puncto Datenschutz verspricht Siemens eine Absicherung auf Enterprise-Niveau – eine klare Ansage an sicherheitskritische Industrien.

Für die nötige Rechenleistung und Tool-Orchestrierung sorgt NVIDIA, das mit seinen NIM Microservices und den Llama-Nemotron-Modellen sowohl generative Funktionen als auch kollaborative KI-Agenten beisteuert. Damit lassen sich komplexe Aufgaben – etwa die Fehlerdiagnose, die Auswahl optimaler Designtopologien oder das Matching von Standardzellen – automatisiert oder semiautomatisiert durch KI erledigen.

Das neue EDA-KI-Portfolio besteht aus drei Werkzeugen mit jeweils spezifischem Fokus:

  • Aprisa AI: Diese Lösung adressiert den digitalen Implementierungsprozess. Durch adaptive Optimierung entlang der klassischen PPA-Ziele (Power, Performance, Area) werden automatisiert Verbesserungsvorschläge generiert. Eine natürliche Sprachschnittstelle erlaubt es Entwicklerteams, mit der Software im Klartext zu interagieren. Siemens spricht von einer bis zu zehnfachen Produktivitätssteigerung, 10 % besseren Designs und drittelreduzierter Tapeout-Zeit.
  • Calibre Vision AI: Hier steht der Signoff im Fokus. Design Rule Violations (DRVs) werden durch KI automatisch klassifiziert, priorisiert und dokumentiert. Über ein interaktives User-Interface lassen sich Verstöße direkt im Layout kommentieren und Aufgaben an bestimmte Teammitglieder delegieren. Das verbessert die Zusammenarbeit zwischen Systemintegratoren und Blockverantwortlichen deutlich.
  • Solido generative/agentic AI: Diese Plattform für den Custom-IC-Entwurf wurde um generative und agentenbasierte KI-Funktionalität erweitert. Anwendungsfelder sind unter anderem die variationsbewusste Verifikation, die automatische Schaltplanerfassung, die Validierung von Layouts sowie die Charakterisierung von Bibliotheken.

Durch diese gezielte Kombination aus generativer KI, Agententechnologie und datengetriebener Designautomatisierung möchte Siemens die EDA-Landschaft grundlegend verändern – weg von rein manuellen, iterativen Prozessen, hin zu intelligenten, adaptiven Systemen, die sich proaktiv an Designziele und -restriktionen anpassen.

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