
ABB hat mit einem 56-MW-Synchronmotor einen neuen Wirkungsgradrekord von 99,13 % erzielt, basierend auf umfassender Designoptimierung und präziser Effizienzmessung nach IEC-Norm. Der Motor bietet signifikante Einsparpotenziale, eignet sich jedoch nur für spezialisierte Dauerlastanwendungen mit hohen Energiekosten. (Bild: ABB)
ABB hat die Energieeffizienz eines industriellen Synchronmotors auf 99,13 % gesteigert – ein technisches Niveau, das bisher als nahezu unerreichbar galt. Daher sichert sich das Unternehmen auch den aktuellen Weltrekord. Im Fokus stand ein 56-Megawatt-Motor, entwickelt für den Einsatz in einer indischen Luftzerlegungsanlage zur Versorgung eines Stahlwerks. Dabei handelt es sich um einen sechspoligen Synchronmotor, der sowohl im elektrischen als auch im mechanischen Aufbau gezielt optimiert wurde.
Erreicht wurde der Rekord durch Maßnahmen wie verlustarme Wicklungen, hochwertige Materialien im Magnetkreis und eine mechanisch robuste Konstruktion. Letztere sorgt nicht nur für eine niedrige Betriebstemperatur, sondern reduziert auch Vibrationen – was sich positiv auf die Lebensdauer auswirkt.
Wie wird der Wirkungsgrad messtechnisch erfasst?
Die Messung des Wirkungsgrads erfolgte nach dem internationalen Standard IEC 60034-2-1. Dieses Verfahren gilt als besonders zuverlässig, da es sämtliche Verlustarten – einschließlich elektrischer, mechanischer und zusätzlicher Verluste – berücksichtigt. Der Effizienzwert ergibt sich aus dem Verhältnis von abgegebener mechanischer Leistung zur aufgenommenen elektrischen Leistung. Damit konnte ABB nicht nur den vertraglich zugesicherten Wirkungsgrad von 98,8 % erfüllen, sondern diesen um 0,25 % übertreffen.
TL;DR – Schnellüberblick zum ABB-Hocheffizienzmotor
Was ist das Besondere am neuen Synchronmotor von ABB?
ABB hat einen 56-MW-Synchronmotor entwickelt, der mit einem Wirkungsgrad von 99,13 % einen neuen Weltrekord aufstellt. Möglich wurde das durch verlustarme Wicklungen, hochwertige Magnetmaterialien und optimiertes Motordesign.
Wie wird der Wirkungsgrad von Elektromotoren gemessen?
Die Effizienzbewertung erfolgt gemäß IEC 60034-2-1 und berücksichtigt alle relevanten Verlustarten. Der Wirkungsgrad ergibt sich aus dem Verhältnis von abgegebener mechanischer Leistung zur aufgenommenen elektrischen Energie.
Wann lohnt sich der Einsatz eines Motors mit 99,13 % Wirkungsgrad?
Vor allem bei industriellen Dauerlastanwendungen mit hohen Energiekosten – z. B. in der Stahl- oder Chemieindustrie – kann sich der Investitionsaufwand schnell amortisieren. In Anwendungen mit niedriger oder schwankender Auslastung sind Nutzen und Kosten dagegen nicht im Gleichgewicht.
Welche wirtschaftlichen Vorteile bietet der ABB-Motor?
Laut ABB lassen sich im Dauerbetrieb Einsparungen von rund 6 Millionen US-Dollar über 25 Jahre erzielen. Zudem reduziert sich der Stromverbrauch um etwa 61 GWh – das entspricht mehreren Tagen Leistung eines Offshore-Windparks.
Was ist das „Top Industrial Efficiency“-Konzept?
ABB positioniert den Rekordmotor als Teil seiner „Top Industrial Efficiency“-Reihe für Großverbraucher mit höchsten Anforderungen an Effizienz und CO₂-Bilanz. Das Konzept schließt eine Normierungslücke bei Motoren über 3 MW.
Setzt ABB mit 99,13 % einen neuen Industriestandard?
Technologisch ist das ein Meilenstein, ökonomisch jedoch nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll. Der Rekord zeigt, was möglich ist – aber nicht jede Anwendung profitiert gleichermaßen von extremer Energieeffizienz.
Wo liegt der wirtschaftliche Nutzen des Rekordmotors von ABB?
Laut ABB amortisiert sich der Motor bereits nach gut drei Monaten – unter der Voraussetzung eines Dauerbetriebs in einem Hochenergiekostenumfeld. Das trifft beispielsweise auf die Stahlproduktion in Indien oder Regionen mit hohen Strompreisen zu. Im konkreten Fall ergeben sich über 25 Jahre hinweg Einsparungen von rund 6 Millionen US-Dollar sowie ein vermiedener Stromverbrauch von etwa 61 GWh. Dies entspricht in etwa der viertägigen Leistungsausbeute des weltgrößten Offshore-Windparks.
Für Anwendungen mit schwankender Last oder geringer Auslastung relativiert sich der Nutzen jedoch. Hier kann der Mehraufwand in Konstruktion, Kosten und Wartung die potenziellen Vorteile schnell aufzehren.
Welche Rolle spielt das TIE-Konzept?
Der neue Rekordmotor gehört zur sogenannten „Top Industrial Efficiency“-Reihe von ABB. Diese Produktlinie richtet sich an industrielle Anwendungen mit besonders hohen Anforderungen an Energieeffizienz, CO₂-Bilanz und Betriebskostenkontrolle. Gleichzeitig adressiert das Konzept eine bestehende Lücke in der Normierung: Für Motoren mit einer Leistung über 3 MW gibt es international bislang kaum verpflichtende Effizienzvorgaben. ABB nutzt diese Nische, um sich mit freiwillig dokumentierten Hochleistungsmotoren im Markt zu positionieren.
ABB und die Motorrekorde
Bereits 2017 stellte das Unternehmen einen Meilenstein auf: Ein sechspoliger 44-Megawatt-Synchronmotor erreichte damals einen Wirkungsgrad von 99,05 % – der höchste je gemessene Wert für einen industriellen Motor zu diesem Zeitpunkt. Dieser übertraf den vertraglich zugesicherten Wirkungsgrad von 98,8 % um 0,25 %. Die technische Optimierung des Motors ermöglichte über die Betriebsdauer von 20 Jahren Einsparungen von rund 500.000 US-Dollar sowie eine jährliche Reduktion des Stromverbrauchs um 1.000 MWh. Der Motor wurde für den Antrieb von Kompressoren in einer Luftzerlegungsanlage entwickelt, deren genauer Standort nicht öffentlich gemacht wurde. Wichtig: Diese Luftzerlegungsanlage ist nicht identisch mit jener, für die der neue Rekordmotor mit 99,13 % Effizienz im Jahr 2025 entwickelt wurde.
Für wen lohnt sich der Einsatz – und für wen nicht?
Das Konzept funktioniert besonders gut bei energieintensiven Großverbrauchern im Dauerbetrieb, etwa in der Stahl- oder Chemieindustrie. In solchen Szenarien können sich die hohen Initialkosten aufgrund der Stromkosteneinsparung schnell amortisieren. Für kleinere Anlagen oder Prozesse mit intermittierender Nutzung erscheint der Wirkungsgradgewinn hingegen als überdimensioniert. Hier würden die gestiegenen Investitionskosten und potenziell erhöhte Komplexität den betriebswirtschaftlichen Vorteil neutralisieren.
Technologische Grenze oder neuer Standard?
Die erreichten 99,13 % sind nicht nur eine Zahl, sondern markieren eine technische und ökonomische Wegmarke. ABB zeigt damit, wie weit sich der Wirkungsgrad durch gezielte Optimierung und langjährige Entwicklungserfahrung steigern lässt. Gleichzeitig macht der Fall deutlich, dass Effizienz allein kein Selbstzweck ist, sondern immer in den industriellen Gesamtkontext eingebettet werden muss. Ein neuer Standard entsteht also nur dort, wo die Rahmenbedingungen stimmen – physikalisch wie wirtschaftlich.
Ein neuer Standard entsteht also nur dort, wo die Rahmenbedingungen stimmen – physikalisch wie wirtschaftlich. Wer tiefer in diese Thematik einsteigen und den Austausch mit Expertinnen und Experten aus Forschung und Industrie suchen möchte, findet auf der EPTS 2025 – Electric Powertrain Technologies and Systems – am 8. und 9. Oktober in Karlsruhe die passende Plattform. Die Konferenz ist der Zusammenschluss der früher eigenständigen Veranstaltungen E|DPC, EPT (RWTH Aachen) und E|PTS (FAPS) und vereint seither alle relevanten Aspekte der Antriebstechnik unter einem Dach.
Der Autor: Dr. Martin Large

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.