Lackierte Baugruppen von Viscom

Lackierte Baugruppen unter konventioneller Beleuchtung mit zusätzlichem geringen UV-Anteil (oben) und nur unter UV-Beleuchtung für die Schutzlackinspektion (unten) (Bild: Viscom)

Der Maschinenbauer Viscom aus Hannover hat ein großes Portfolio an Inspektionssystemen im Angebot, die vor allem in der Elektronikfertigung einen maßgeblichen Beitrag zur Produktqualität leisten. Diverse Systemtypen prüfen optisch wichtige Bereiche wie den Lotpastenauftrag, die Bestückung der Bauteile und als eines der elementarsten Prüfkriterien die Lötstellen. Kleinste innenliegende Fehler werden wiederum mit automatischen 3D-Röntgensystemen erkannt, die ein breites Spektrum von Prüfobjekten abdecken. Bei der Vielfalt an technischen Lösungen bleibt eine automatisch-optische Prüftechnologie manchmal nur am Rande miterwähnt, die aber trotzdem einen festen Platz im Sortiment des Unternehmens hat: die Schutzlackinspektion – abgekürzt CCI für die im Englischen gängige Bezeichnung „Conformal Coating Inspection“. Das mit anderen Prüftoren von Viscom vernetzbare Inspektionssystem S3088 CCI kann entscheidend dabei unterstützen, komplexe Beschichtungsabläufe zu verbessern.

Zu viel Lack im Bereich des Lochs - Schutzlackierung Viscom
Zu viel Lack im Bereich des Lochs (Bild: Viscom)

Weites Feld an Anwendungen für Conformal Coating

Elektronische Baugruppen werden einem Conformal-Coating-Prozess unterzogen, wenn sie z. B. vor Korrosion geschützt werden sollen. Auch kann es speziell darum gehen, das Produkt langfristig gegen Vibrationen und eine entsprechende Schockbeanspruchung zu wappnen. Als weiterer wichtiger Grund sind höhere Temperaturwechselfestigkeiten zu nennen, die man mit der Schutzlackschicht erreichen will. Vom Auto über Flugzeuge bis hin zu Solaranlagen und dem Smartphone gibt es unzählige praktische Anwendungsmöglichkeiten. Umwelteinflüssen wird keine Chance gelassen, unnötigen Schaden anzurichten. Wasser, Schmutz und reaktionsfreudige Salze bleiben von den Komponenten fern.

Luftblase zwischen QFP-Pins - Schutzlackierung Viscom
Luftblase zwischen QFP-Pins (Bild: Viscom)

Bei den heute mit winzigen Bauteilen immer dichter bestückten Platinen und kleinsten Abständen dazwischen will man mit Hilfe der Coatings
darüber hinaus für eine zuverlässige Isolierung sorgen. So beugt man auch bei fortschreitender Miniaturisierung und hohen Packungsdichten elektrochemisch ausgelösten Migrationen und Kurzschlüssen vor. Zudem werden dank der Beschichtung höhere Nennspannungen möglich.

Die Dicke der aufgebrachten Lackschicht kann in der Regel je nach Produkt 100 bis 200 μm betragen. Zum Einsatz kommen Acryl-, Polyurethan-, Silikon- oder z. B. auch Epoxidharzlacke, wobei es sich bei den meisten Produkten um Mischformen handelt, deren genaue Zusammensetzung den Datenblättern der Lackhersteller entnommen werden kann. Ein nicht unwesentlicher Bestandteil davon sind Fluoreszenzfarbstoffe, die für eine schnelle und exakte Qualitätskontrolle sorgen.

Schutzlackierung bei Viscom
Luftblase zwischen QFP-Pins in geneigter Ansicht (Bild: Viscom)

Typische Fehler beim Conformal Coating und ihre Ursachen

Für die Mängel auf den gewöhnlichen Schutzlackschichten können verschiedene Auslöser verantwortlich sein. Unzählige kleine Dellen (Orangenhaut) entstehen, wenn beispielsweise die Bedingungen für die Trocknung nicht optimal sind oder die Entfernung zwischen Sprühkopf und dem zu beschichtenden Objekt zu groß ist.

Auch hoher Druck beim Aufsprühen und daraus resultierende Schaumbildung können zu diesem Effekt führen. Entweicht während der Aushärtung Luft nach oben, bilden sich gegebenenfalls Blasen und nach dem Aufplatzen kleine Krater. Ist die Schicht zu dick oder die Ausdünstungszeit zu kurz, können Risse entstehen. Vor dem Auftragen nicht entfernte Verschmutzung hat eventuell zur Konsequenz, dass der Überzug im Endergebnis in diesem Bereich fehlt. Andererseits kann der Lack an Stellen gelangen, wo er nicht hingehört, z. B. auf einen Stecker. Werden die Fehler genau erfasst, analysiert und ausgewertet, lassen sich Lackier- und Trocknungsprozesse effektiv optimieren.

Schräg aufgenommene fehlende Lackschicht an Widerständen - Viscom
Schräg aufgenommene fehlende Lackschicht an Widerständen (Bild: Viscom)

Qualität zielsicher kontrolliert

Das System S3088 CCI von Viscom kon-trastiert fluoreszierende Schutzlacke mit Hilfe von speziellen UV-LEDs und einer zusätzlichen weißen LED-Beleuchtung. Eine orthogonale Kamera mit einer Auflösung von bis zu 15 μm/Pixel wird kombiniert mit vier oder wahlweise acht geneigten Seitenkameras, die bis 17,5 μm/Pixel ins Detail gehen und so auch Zwischenräume oder Pins gut erfassen. Die Benetzung der Seiten größerer Bauteile wird genauso sicher geprüft wie das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Lack an ihrem Fußpunkt. Dafür sind zudem 105 mm obere Durchfahrtshöhe gegeben. Die Intensität der blauen UV-Reflexion ist bei gleichbleibender Beleuchtung proportional zur Dicke der geprüften Lackschicht. Je deutlicher und heller also das Blau, desto dicker die aufgetragene Schutzlackschicht. Abgesehen von der Lokalisierung der Fehler kann die S3088 CCI dadurch auch wertvolle Informationen zur Qualität des gesamten Beschichtungsprozesses liefern und z. B. die Gleichmäßigkeit des Lackauftrags in einem bestimmten Bereich aufzeigen. Für besonders dünne Nanobeschichtungen ist eine Systemkonfiguration mit speziellen High-Power-LEDs wählbar.

CCI-Prüfprogrammerstellung mit Bediensoftware vVision von Viscom
Für die flächenbasierte CCI-Prüfprogrammerstellung bietet die Bediensoftware vVision von Viscom ein leicht zu bedienendes Spezialtool. (Bild: Viscom)

Ein zusätzlicher Sensor sorgt darüber hinaus dafür, dass an vordefinierten Punkten eine einfache und präzise interferometrische Messung von Schichtdicken zwischen 30 und 500 μm vorgenommen werden kann. Soll eine Lackprüfung bereits vor dem Trocknungsprozess erfolgen, bietet Viscom zur S3088 CCI spezielle Entlüftungs- und Abtropfvorrichtungen an. Außerdem können mit dem System auch thixotrope Gele sicher geprüft werden. Diese besonderen Beschichtungen härten nicht aus, bieten dafür aber sehr guten Korrosionsschutz ohne das Risiko, bei hoher Beanspruchung zu brechen. Die Baugruppe wird dann in einem zusätzlichen Schritt eingehaust.

Klassifizierung am Verifikationsplatz vVerify von Viscom
Klassifizierung am Verifikationsplatz vVerify von Viscom (Bild: Viscom)

Auswahl der Parameter

Um mit der S3088 CCI eine automatische Schutzlackinspektion starten zu können, wird zunächst ein Prüfprogramm erstellt. Dafür bietet Viscom zwei Ansätze. Der schnellere ist die flächenbasierte Methode mit einem aufgenommenen Übersichtsbild der Baugruppe als Grundlage. Durch das Anlegen geometrischer Formen definiert man alle Bereiche, die auf An- oder Abwesenheit von Lack geprüft werden sollen. Der andere Ansatz ist die bauteilbasierte Methode, die ins Spiel kommt, wenn mit bauteilspezifischen Parametern geprüft werden muss und die geneigten Kameras zum Einsatz kommen sollen. Dafür werden Gerberdaten und CAD-Daten herangezogen. Will man ein Prüfprogramm schnell erstellen und anschließend nur bestimmte Bauteilkomponenten geneigt prüfen, ist auch eine Kombination der beiden Ansätze möglich.

Aufeinander abgestimmte Einzelschritte

Je nachdem, ob man den Lack z.B. auf Zinn, Kupfer oder auf Polymermaterialien aufträgt, ergeben sich andere Vernetzungs- und Haftungseigenschaften. Aus der Praxis sind Flut-, Tauch-, Gieß- und Spritzverfahren bekannt. Auch das mo-dernste Lackiersystem, der beste Trocknungsofen und ein branchenweit sehr gut bewerteter Lack sind keine Garantie für optimale Ergebnisse. Worauf es besonders ankommt, ist ein auf die individuellen Anforderungen abgestimmter Prozess, dessen Bestandteile optimal ineinandergreifen. Wenn es z. B. um die Lackauswahl geht, bietet die IPC-Norm CC-830 viele konkrete Anregungen. Ausschlaggebend für die richtige Entscheidung ist, was genau man mit dem Überzug erreichen will. Je dicker der Lack aufgetragen wird, desto schwieriger gestaltet sich die Aushärtung. Dünne Lackschichten sind auf der anderen Seite möglicherweise optimal für den Korrosionsschutz, bieten aber nicht die geforderte Vibrationsbeständigkeit und eignen sich deshalb nicht als guter Schwingungs- und Schockdämpfer. Anforderungen an die Baugruppen ergeben sich u. a. aus der IPC J-STD 001. Zu Schichtdicken und Reinheitsaspekten sind zudem in der Abnahme-Richtlinie IPC-A-610 weitere Informationen zu finden.

Schutzlackinspektionssystem S3088 CCI von Viscom
Schutzlackinspektionssystem S3088 CCI von Viscom (Bild: Viscom)

Prüfergebnisse weitflächig auswerten

Tendenzielle Qualitätsabweichungen lassen sich im Rahmen einer statistischen Prozesskontrolle aufzeigen und dokumentieren. Fehlt z. B. in einem bestimmten Bereich oder auf einem bestimmten Bauteil immer wieder die Beschichtung, ist gegebenenfalls am Sprühkopf die Anpassung des Bewegungsablaufs, der Geschwindigkeit oder des Sprühdrucks notwendig. Für ein analytisches Vorgehen bietet Viscom viele hilfreiche Werkzeuge. Man kann Grenzwerte festlegen, bei deren Überschreitung der Prozess automatisch unterbrochen wird. Die S3088 CCI lässt sich zudem in Manufacturing-Execution-Systeme (MES) der Elektronikfertiger integrieren und an Schnittstellen wie den Standard IPC CFX anbinden. Steigende Anforderungen an die Lackierprozesse vor dem Hintergrund der zunehmenden Sicherheitsrelevanz komplexer Elektronik werden so souverän erfüllt.

Olaf Szarlan
(Bild: Viscom)

Olaf Szarlan

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Viscom AG, Hannover

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