Tray mit Stromschienensatz - Farbstreifen erhöhen den Kontrast für das Visionsystem.

(Bild: ASM)

Komplexe Baugruppen mit Odd-Shapes wie große Stecker, strenge Traceability-Vorgaben oder hohe Anforderungen an die Termintreue – der Automotive-Bereich gilt für viele in der Elektronikfertigung als Königsdisziplin. Das Aufkommen von Hybrid- und Elektrofahrzeugen erhöht aktuell den Bedarf an Baugruppen für die Leistungselektronik weiter. Hier sollen ebenso intelligente wie zuverlässige Steuerungsgeräte und Rekuperation die Reichweite der E-Fahrzeuge steigern.

Einer der Zulieferer, der sich auf Entwicklung und Produktion solcher Baugruppen für Automobil-OEMs spezialisiert hat, ist die Preh-Gruppe mit Hauptsitz in Bad Neustadt – eine Division der Joyson Gruppe mit Sitz in Ningbo, China. „Schon beim Start des Projektes vor mehr als zwei Jahren war klar: Für über eine Million Baugruppen pro Jahr konnten wir nicht mit der sonst gängigen Vor- oder Handbestückung der Stromschienen arbeiten. Vielmehr brauchte es einen wirtschaftlich wie qualitativ neuen Ansatz. Im Kontakt mit dem SMT Center of Competence (CoC) der ASM Assembly Systems in München haben wir parallel zum Entwicklungsprojekt die Machbarkeit einer durchgängigen, effizienten SMT-Bestückung abschätzen lassen“, erinnert sich Dirk Petzold, Prozesstechniker bei Preh.

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Die Linie 6 in der Fertigung bestückt die Stromschienen für die Steuerungsgeräte von E-Fahrzeugen. ASM

Sonderpipetten erforderlich

Ein erster Schritt bei der Prozessevaluierung im SMT Center of Competence (CoC) war die Aufnahme und Bestückung der vier großen und schweren Stromschienen in Siplace-Bestückautomaten. Die Schienen sind bis zu 9,5 cm lang und bis zu 9 cm breit. Die massiven Bauteile sind unterschiedlich geformt, sollen flach in Lotdepots platziert werden und weisen zudem am dem Leiterplattenrand zugeneigten Ende über die volle Breite bis zu 25 mm hohe Aufkantungen für die Kontaktierung auf. Die Dimensionen der Schienen erklären sich, weil hier Strom mit bis zu 600 Ampere fließt.

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Die Leiterplatte mit den Stromschienen wird effizient als Doppelnutzen bestückt. ASM

Der große Vorteil der von ASM Assembly Systems weltweit an mehreren Standorten betriebenen CoCs für Elektronikfertiger ist, dass dort Prozessexperten in einer produktionsnahen Umgebung die komplette Fertigung von Produkten evaluieren, testen und optimieren können. Um für eine zuverlässige Aufnahme und die erforderliche Genauigkeit bei der Platzierung der verschiedenen Stromschienen zu sorgen, wurde für das Projekt von Preh eine Sonderpipette mit Faltenbalg für den Pick&Place-Bestückkopf ASM Twin Head entwickelt. Diese Sonderkonstruktion weist zwei Aufnahmepunkte auf, um den großen Bauteilen Herr zu werden. „Wegen ihrer Größe können die Stromschienen vor der Abholung nicht mit einem einzigen Bild der Bestückkopfkamera erfasst werden. Deshalb orientiert sich das Visionsystem bei der Abholung an einer Markierung auf der Stromschiene. So ließen sich Mehrfachaufnahmen, welche die Taktzeiten erhöhen würden, vermeiden. Zudem wird so die korrekte Aufnahme sichergestellt, die für die Gewichtsverteilung essenziell ist“, erläutert Dirk Petzold.

Bereitstellung in optimierten Trays

Anschließend widmeten sich die Teams der optimierten Bereitstellung und Rüstung der Stromschienen an den Bestückautomaten. In den ersten Vorserien wurden die Stromschienen in von Preh im 3D-Druck erstellten Trays manuell bereitgestellt. Dann ging man dazu über, die verschiedenen Stromschienen auf mehrere Trays verteilt einem Bestückautomaten vom Typ Siplace WPC6 (Waffle Pack Changer) zuzuführen. Schon hier waren wieder besondere Herausforderungen zu meistern. So bedingten die 25 mm hohen Aufkantungen am Ende der Stromschienen, dass nur jeder zweite Tray-Einschub genutzt werden konnte. Dabei stellte man fest, dass das ursprüngliche Design der Tray-Einlagen dazu führte, dass die Stromschienen zwischen Aufnahme und Platzierung vom Bestückkopf aufwändig gedreht werden mussten. Außerdem zeigte sich, dass die häufigen Wechsel zwischen den Trays mit den vier verschiedenen Stromschienen viel Zeit kosteten.

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Der komplette Satz Stromschienen zeigt die Komplexität der Produkte. ASM

In mehreren Iterationen optimierte das Team die Trays und die gesamte Bauteilbereitstellung. „Heute nutzen wir Tiefzieh-Trays, die mehrere komplette Sets der vier unterschiedlichen Stromschienen bereitstellen. Dafür haben wir unseren Vorfertiger in den Prozess integriert. Er stellt die befüllten Trays zur Verfügung. Kodierungen stellen sicher, dass das Visionsystem die Stromschienen unterscheiden kann. Zentriert für die exakte Aufnahme wird dadurch, dass die Bohrungen in den Stromschienen als Markierung genutzt werden. Die Schienen sind so im Tray gelagert, dass sie nicht mehr gedreht werden müssen. Zapfen unterstützen das Positionieren auf der Leiterplatte. Bei der Integration von Trays, die mit unterschiedlichen Bauteilen gefüllt sind, half wieder das CoC-Team von ASM“, berichtet Dirk Petzold. Auch hier wurde wieder gemeinsam an vielen Details optimiert. So weisen die schwarz gefärbten Trays im Bereich der Marken– für jede Schiene nun helle Farbstreifen auf, um beim Zentrieren den Kontrast zu erhöhen und die Schienen schnell und zuverlässig unterscheiden zu können.

Inzwischen ist die Serienfertigung im Drei-Schicht-Betrieb angelaufen. Produziert wird mit Zweifachnutzen auf einer einspurigen SMT-Linie mit drei Siplace SX2 Bestückautomaten. Die ersten beiden Bestückautomaten in der Linie bestücken die SMT-Bauteile. Die dritte SX2 in der Linie ist für die Stromschienen zuständig. Sie ist mit zwei Waffle-Pack-Wechslern (WPCs) für die Zuführung sowie mit je einem Siplace Twin Star in der HF(High Force)- und der VHF(Very High Force)-Variante für die Bestückung ausgestattet. Die VHF-Variante bestückt die beiden großen Stromschienen, der HF-Bestückkopf die beiden kleineren. Aus Prozessgründen wurden für die Stromschienen die Lotdepots nochmals vergrößert und die Z-Bestückkraft beim Platzieren der Schienen erhöht. Zudem nutzt der Automotive-Zulieferer in dieser Linie einen Vakuumofen, um kritische Lufteinschlüsse möglichst vollständig zu eliminieren.

SMT Center of Competence

Mit seinen weltweiten SMT Center of Competence bietet ASM ein offenes, weltumspannendes Netzwerk für alle Fragen rund um die Elektronikfertigung. Hier unterstützen ausgewiesene Experten mit ihrem Know-how, wenn es darum geht, Anlagen und Prozesse für die moderne SMT Fertigung zu optimieren, neue Kompetenzen aufzubauen und so aktuelle und künftige Herausforderungen zu meistern.

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Blick in Bestückautomat bei der Stromschienen-Bestückung aus dem Tray. ASM

Viele Iterationen bis zur Serienfertigung

Von den ersten Prototypen über die Vorserien bis zur Serienreife haben sich das Design und damit die Anforderungen an die SMT-Linie stetig verändert. Das hat alle Beteiligten vor große Herausforderungen gestellt. „Gemeinsam mit dem Team im ASM Center of Competence ist es uns gelungen, pünktlich zur Serienfertigung eine durchgängige SMT-Bestückung zu ermöglichen. Bestückgenauigkeit, Qualität und Durchsatz konnten erheblich gesteigert werden. Das reicht von der Aufnahme und Rüstung der Stromschienen bis hin zu flexiblen, pneumatischen Grid-Lok-Systemen für die Leiterplattenunterstützung bei der Bestückung von anderen SMT-Komponenten. Das Spektrum der Bestückplattform Siplace SX bei Odd-Shapes aber auch die Unterstützung durch das Team im Münchener CoC haben dies erst ermöglicht“, so das Fazit von Justin Oppelt, Abteilungsleiter Elektronikfertigung beim Automobil-Zulieferer Preh.

Die schwarz gefärbten Trays weisen im Bereich der Marken für jede Schiene helle Farbstreifen auf.

Die schwarz gefärbten Trays weisen im Bereich der Marken für jede Schiene helle Farbstreifen auf. ASM

Dogan Cakir

(Bild: ASM)
Applications Expert bei ASM Assembly Systems in München

(hw)

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81379 München
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