Günter Schindler, Senior Vice President, Business Excellence, ASMPT

Günter Schindler, Senior Vice President, Business Excellence, ASMPT (Bild: ASMPT)

Herr Schindler, Sie haben sich bereits 2019 an ioTech beteiligt – wie sind Sie auf ioTech aufmerksam geworden?

Wir sind auf einem Speed Dating Event mit Start-ups in Israel auf ioTech gestoßen. Der Tipp zu dieser Veranstaltung kam vom Innovations-Lab Siemens Dynamo. Von insgesamt 30 teilnehmenden Start-ups hatten schließlich drei Unternehmen mit jeweils ganz unterschiedlichen Technologien unser Interesse geweckt. In ioTech sahen wir das größte Potenzial und die größte Schnittmenge mit unserem Portfolio. Nach der Due-Dilligence-Prüfung erfolgte unser Technologie-Investment. Wir betrachten unser Engagement als eine Investition in die Zukunft.

Alleinstellungsmerkmal von ioTech ist die disruptive kontinuierliche Laser-gestützte C.L.A.D.-Technologie. Was kann man darunter verstehen?

C.L.A.D. kann nahezu jedes pastöse Material auf feinste Strukturen mit hoher Geschwindigkeit und Positionsgenauigkeit aufbringen und ermöglicht so eine digitale Produktion in vollem Umfang.

Diese neue Technologie ermöglicht eine weitere Miniaturisierung bei der Fertigung von Elektronik auf Leiterplatten und Submodulen wie z.B. Sensoren. Die Möglichkeiten mit C.L.A.D. lassen sich verdeutlichen, wenn man sie mit aktuellen Dispenssystemen vergleicht. Heute müssen die aufzutragenden Materialien unterschiedlich behandelt werden. Im Gegensatz dazu können mit C.L.A.D. viele unterschiedliche Materialien mit nur einem Prozess aufgetragen werden. Nach dem Aufbringen mit dieser neuen Technologie können sie mit den gleichen Verfahren (Löten, Trocknen, Aushärten, …) wie bisher weiterverarbeitet werden. Eine Lotpaste muss gelötet, ein Kleber muss mit UV ausgehärtet werden. Post-Processing bleibt also eine Herausforderung für die Elektronikfertigung.

Digitaler Drucker mit C.L.A.D.-Technologie IO300SM
Die Praxistauglichkeit für Lotpasten-Applikationen des weltweit ersten digitalen Druckers mit C.L.A.D.-Technologie IO300SM wird derzeit im ASM Entwicklungscenter in Weymouth U.K. ausführlich getestet. (Bild: ASMPT)

ioTech könnte traditionelle Siebdruckmethoden mit Lotpaste obsolet machen. Das bedeutet, man benötigt keine Druckschablone mehr, sondern kann direkt die Gerber-Daten für die Positionierung der aufzutragenden Materialien verwenden.

Bei der ioTech-Technologie wird zunächst ein aufzutragendes Material wie Lotpaste oder Silikon in einer sehr dünnen Schicht auf eine Trägerfolie aufgebracht. Diese beschichtete Trägerfolie wird nun in einem genau definierten Abstand über dem Zielobjekt gehalten. Über einen Laserimpuls wird dann an der Stelle, an der sich z.B. ein Pad unterhalb der Trägerfolie befindet, die benötigte Menge des aufgetragenen Materials abgelöst und auf das Pad übertragen. So lassen sich viele kleine Materialdepots in Bruchteilen von Sekunden auf dem Zielobjekt aufbauen. Das Verfahren ermöglicht, dass Materialdepots sich berührend nebeneinandergesetzt werden können; auch übereinander, wenn größere Schichtdicken aufgebracht werden sollen. Diese neue Technologie ist nicht beschränkt auf den Auftrag von Lotpasten, sondern sie eignet sich auch für pastöse Materialien wie Klebstoffe, keramikhaltige oder mit Metall gefüllte Pasten. Die Technologie befindet sich aber noch in der Beta-Phase. Nun müssen wir diese geniale Erfindung industriell umsetzen und für unterschiedliche Applikationen oder Prozesse weiterentwickeln.

Laser-Auftragsverfahren
Laser-Auftragsverfahren: Ein Laserstrahl löst eine Verdampfung im Nanosekundenbereich aus, um einen Materialtropfen abzulösen und mit einer Präzision im Mikrometerbereich aufzutragen.

Welche Auswirkungen wird die neue Technologie auf die SMT-Bestückung haben?

Der große Vorteil liegt zunächst darin, dass man in ein und derselben Maschine unterschiedliche Materialien drucken kann. Theoretisch wäre es möglich, einfach die Kartusche zu wechseln, um Silikon, Lotpaste oder Kleber auf die Trägerfolie aufzutragen. Vorstellbar ist auch, dass eine Leiterplatte in Zukunft in einem Durchgang komplett gedruckt wird. Damit ergeben sich völlig neue Möglichkeiten im Semi- und SMT-Bereich. Im Zusammenhang mit Rapid Prototyping könnte das beispielsweise bedeuten, dass man nicht mehr warten muss, bis die Schablone gefräst oder gelasert worden ist. Man druckt direkt. Gerade in Verbindung mit Prototypen lassen sich so neue Ideen in sehr kurzer Zeit (wenige Stunden) verwirklichen. Zum Beispiel kann mit dem neuen Verfahren im SMT-Umfeld eine (im Schablonendruck-Verfahren) schlecht mit Lotpaste bedruckte Leiterplatte „repariert“ werden, indem „Fehlstellen“ des Schablonendruckverfahrens mit dem C.L.A.D.-Verfahren mit Lotpaste gezielt aufgefüllt werden. Sie sehen, es steckt viel Potenzial hinter der Technologie. Nicht umsonst haben wir unsere Investition von 2019 im vergangenen Jahr aufgestockt.

productronica Innovation Award 2021 - Winner Cluster PCB & EMS: IO Tech

ioTech hat den ersten Beta-Drucker io300s bei ASMPT installiert. Wo steht der Drucker und in welche Richtung wollen Sie diese Technologie für sich nutzen?

Der Drucker steht in unserem Entwicklungscenter für Highend-Drucktechnologien in Weymouth, England. Wir werden jetzt die Praxistauglichkeit dieser Maschine für unsere Lotpasten-Applikationen evaluieren und mit potenziellen Interessenten und Kunden sprechen. Dann sehen wir auch, wo sich Business Cases ergeben.

Beschichtung: Das Material wird dosiert und in mikrometerdünnen Schichten auf eine Trägerfolie aufgetragen.
Beschichtung: Das Material wird dosiert und in mikrometerdünnen Schichten auf eine Trägerfolie aufgetragen. (Bild: ASMPT)

Erklären Sie bitte unseren Lesern, weshalb Sie glauben, dass die C.L.A.D.-Technologie ein Gamechanger in der Elektronikfertigung werden wird?

Sobald es aus ökonomischer und prozesstechnischer Sicht Sinn macht, in die Massenfertigung zu gehen, kann diese Technologie das Drucken im SMT-Segment revolutionieren und eines Tages sogar Schablonen- und Siebdruckmethoden ersetzen. Es gibt sehr viele Anwendungsgebiete für die ioTech-Entwicklung. Dazu gehören die Smartphone- oder Wearables-Industrie, wenn es beispielsweise um das Aufbringen von Dichtungen und Klebern geht. In der SMT-Industrie müssen Leiterplatten heute zum Teil ganz individuell bearbeitet und bestückt werden – etwa mit Silikon, das Elektronikbauteile vor Feuchtigkeit schützt. Überall dort, wo zusätzliche Werkzeuge benötigt werden, um einen Applikationsprozess zu gewährleisten, kann die Technologie zum Einsatz kommen, weil sie sehr präzise Herstellungsverfahren erlaubt. Unter dem Strich stehen dann wesentlich kleinere Baugruppen oder Submodule in der Elektronikfertigung.

Weitere Informationen zu ioTech

Nachbearbeitung: Die Inline-Nachbearbeitung umfasst optional die thermische und UV-Härtung sowie Lasersintern und -abtragen.
Nachbearbeitung: Die Inline-Nachbearbeitung umfasst optional die thermische und UV-Härtung sowie Lasersintern und -abtragen. (Bild: ASMPT)

Die Autorin

Petra Gottwald
(Bild: Hüthig)

Das Interview führte Petra Gottwald, Chefredakteurin productronic

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