Elektrogeräte enthalten wertvolle Materialien und komplexe Bauteile – ihr sachgerechtes Recycling ist entscheidend für Ressourcenschonung und Umweltschutz. Aus Sicht des VDI-Experten Dr.-Ing. Ralf Brüning braucht es dafür klare Begriffe, praxistaugliche Prozesse und das Zusammenspiel aller Akteure der Kreislaufwirtschaft. Dabei helfen soll die neue VDI 2343.(Bild: OpenAI)
Elektroschrottberge wachsen immer mehr – aber was tun? Im Interview erklärt Dr.-Ing. Ralf Brüning, warum die neue VDI 2343 entscheidend ist und wie sich Elektroaltgeräte künftig als wertvolle Rohstoffe besser recyclen lassen könnten.
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Rund 62 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen weltweit jedes Jahr an. Ein Großteil davon besteht aus Leiterplatten, also dem technischen Rückgrat nahezu jedes elektronischen Geräts. Auch wenn es schon andere Ansätze gibt, basieren diese Leiterplatten meist auf nicht nachwachsenden Rohstoffen und lassen sich nur schwer recyceln. Doch es geht nicht nur um Leiterplatten. Vom Toaster bis zur Zahnbürste – die Nutzungsdauer vieler Elektrogeräte ist kurz, die Müllberge wachsen. Genau hier setzt die überarbeitete Richtlinienreihe VDI 2343 an. Sie will Orientierung schaffen und Akteure dabei unterstützen, den Recyclingprozess effizient, rechtskonform und praxisnah zu gestalten.
Laut Dr.-Ing. Ralf Brüning, Vorsitzender des Richtlinienausschusses der VDI 2343, trägt die Richtlinie zur dringend benötigten Klarheit und Professionalisierung im Umgang mit Elektroaltgeräten bei: In einem Interview mit dem VDI hält er fest: „Die Richtlinie unterstützt Entsorgungsbetriebe, Hersteller, ReUse-Betriebe, Behörden und weitere Akteure mit praxistauglichen, rechtssicheren Handlungsempfehlungen.“
TL;DR – Schnellüberblick: Recycling von Elektroaltgeräten nach VDI 2343
Was ist die VDI 2343 und warum ist sie für das Recycling von Elektroaltgeräten wichtig?
Die VDI-Richtlinie 2343 gibt praxisnahe, rechtssichere Empfehlungen für den Umgang mit Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Sie richtet sich an Hersteller, Entsorger, Behörden und andere Akteure entlang der Recyclingkette. Ziel ist es, ein einheitliches, effizientes und umweltschonendes Recycling zu ermöglichen.
Welche Neuerungen bringt die überarbeitete VDI 2343 Blatt 1?
Das aktualisierte Blatt 1 definiert zentrale Begriffe von „Abfall“ bis „Werkstoff“ und schafft damit ein einheitliches Vokabular für die Kreislaufwirtschaft. Es bildet die Grundlage für die gesamte Richtlinienreihe und beugt Missverständnissen in Fachkreisen vor. Die Veröffentlichung ist für Sommer 2025 geplant.
Warum ist Recycling von Elektrogeräten überhaupt notwendig?
Elektroschrott enthält wertvolle, oft kritische Rohstoffe wie seltene Erden. Durch richtige Entsorgung lassen sich Ressourcen schonen und Umweltbelastungen reduzieren. Falsche Entsorgung – etwa im Hausmüll oder illegal – verhindert effektive Rückgewinnung und ist teils gesetzeswidrig.
Wie können Verbraucher Elektroschrott reduzieren?
Zentrale Hebel sind Abfallvermeidung, längere Nutzung und Weitergabe oder Reparatur von Geräten. Entscheidend ist die korrekte Rückgabe an Sammelstellen oder den Handel – nicht die Entsorgung in Restmüll oder Gelber Tonne. Auch defekte Geräte können noch als Ersatzteillager dienen.
Welche Bereiche deckt die Richtlinienreihe VDI 2343 ab?
Sie umfasst Logistik, Demontage, Aufbereitung, stoffliche und energetische Verwertung sowie rechtliche Aspekte der Entsorgung. Zusätzlich berücksichtigt sie ReUse-Konzepte und die Vermarktung gebrauchter Geräte. Insgesamt besteht die Reihe aus sieben praxisorientierten Blättern.
Von A wie „Abfall“ bis W wie „Werkstoff“ – Begriffe, die den Unterschied machen
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Was zunächst trocken klingt, ist in der Praxis entscheidend: Begriffe müssen eindeutig definiert sein. Missverständnisse bei der Klassifizierung von Abfallarten oder Verwertungsverfahren können rechtliche Risiken bergen oder die Umsetzung von Recyclingmaßnahmen erschweren.
Deshalb widmet sich Blatt 1 der VDI 2343, das im Sommer 2025 in überarbeiteter Form veröffentlicht wird, ganz bewusst der Begriffsklärung. Brüning betont: „Wir erleben immer wieder, dass Begriffe im fachlichen Umfeld unterschiedlich verwendet werden. Das kann sich massiv auf die Lösungsfindung auswirken. Mit der Richtlinie schaffen wir eine klare, einheitliche Grundlage.“
Sieben Blätter für die Kreislaufwirtschaft
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Die VDI 2343 ist keine monolithische Vorschrift, sondern eine modular aufgebaute Richtlinienreihe. Sie gliedert sich derzeit in sieben Bereiche:
Grundlagen und Begriffe
Logistik: vom Rücknahmesystem bis zur Vorbehandlung
Energetische Verwertung: z. B. Nutzung von Kunststofffraktionen
Beseitigung: fachgerechte Deponierung nicht verwertbarer Reste
Ergänzt wird die Reihe durch Empfehlungen zur Wiederverwendung (ReUse) sowie zur Vermarktung gebrauchter Geräte.
Verbraucher beim Elektroschrott in der Pflicht – aber nicht machtlos
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Die Richtlinie richtet sich primär an Fachleute – dennoch hat Brüning klare Hinweise für Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn bevor überhaupt recycelt wird, greifen laut Kreislaufwirtschaftsgesetz zwei höhere Stufen: Abfallvermeidung und Vorbereitung zur Wiederverwendung.
Das bedeutet: Wer weniger kauft, länger nutzt und Geräte weitergibt oder reparieren lässt, handelt im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Brüning nennt konkrete Fragen, die sich jede und jeder vor dem Neukauf stellen sollte:
Muss es wirklich alle zwei Jahre ein neues Smartphone sein?
Benötige ich wirklich jedes elektronische Küchen- oder Werkzeug-Gadget?
Ist ein Schnäppchenprodukt auch langlebig, reparaturfähig und nachhaltig produziert?
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Selbst defekte Geräte sind oft noch wertvoll – etwa als Ersatzteillieferant. Entscheidend ist, dass Altgeräte nicht im Hausmüll, gelben Sack oder gar im Wald landen, sondern an Rücknahmestellen wie Wertstoffhöfen oder im Einzelhandel abgegeben werden. Die Rückgabe ist für Privatpersonen in der Regel kostenfrei – und schafft erst die Grundlage dafür, dass Recycling überhaupt stattfinden kann.
Ausblick: VDI 2343 Blatt 1 kommt im Sommer
Mit der im Sommer 2025 erscheinenden überarbeiteten Fassung von Blatt 1 schafft der VDI ein starkes Fundament für den weiteren Ausbau eines funktionierenden Kreislaufs für Elektroaltgeräte. Die Richtlinie ist dann über DIN Media erhältlich.
Die Abfallhierarchie im Kreislaufwirtschaftsgesetz
Vorbereitung zur Wiederverwendung – Geräte weitergeben oder reparieren lassen
Recycling (stofflich) – wertvolle Rohstoffe wie Metalle und Kunststoffe zurückgewinnen
Energieverwertung – z. B. Verbrennung von Kunststoffbestandteilen zur Energienutzung
Beseitigung – letzte Stufe: Deponie oder nicht verwertbare Reste
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.